Sieben Jahre lang saß Marianna in der Bergschule neben einem Nachbarsbuben in der Bank. Die faschistische Lehrerin demütigte sie am ersten Schultag: „Questi due asini mettiamo insieme.“ Diese Worte taten Marianna weh und weh tat, dass sie nicht Deutsch lernen konnte, auch nicht nach dem Einmarsch der deutschen Soldaten. Während die Kinder im Dorf die Muttersprache lernen konnten, mussten die Kinder vom Berg daheim bleiben. Marianna beschäftigte sich auf dem Hof, wo jede Hand gebraucht wurde. Mit 16 Jahren trat sie am Geburtshof ihrer Mutter in Marling den Dienst als Magd an. Lohn gab es keinen. „I honn oodiant“, sagt sie. Ihre Verwandten hatten geholfen, den Größhof nach dem Brand 1930 wieder aufzubauen. Mariannas Erinnerungen an das Feuer sind vage, denn sie war damals erst vier Jahre alt. Sie weiß vieles nur aus den Erzählungen der Mutter. In Marling blühte Marianna auf, denn sie liebte die pulsierende Kurstadt Meran. Nach drei Jahren rief sie die Mutter heim. Nur ungern kehrte sie in die Einsamkeit des Hofes zurück. Dieser entzog sie sich hie und da und ging mit ihren Freundinnen zum Tanz nach Prad. Einige Male kam ihr die Mutter dann im Morgengrauen mit dem Wecker entgegen. Beim Stephansball 1948 forderte sie der Ziehharmonikaspieler Siegfried Oberperfler aus Partschins zum Tanz auf und sie verliebte sich Hals über Kopf. Der junge Mann besuchte sie bereits kurz darauf und im Juni 1949 feierten beide in Maria Trens Hochzeit. „I hon mai groaße Liab gheiratet“, bekennt sie.
Das Paar verstand sich gut, sparte und baute sich ein Haus im Dorf Lichtenberg. Marianna schenkte sechs Kindern das Leben. „Oans isch noch dr Geburt gstorbm – obr a Engale konn ma a brauchn“, meint sie. Ihr Mann verdiente den Unterhalt als Hausmeis-ter in der Schweiz, als Bergmann im Laaser Marmorbruch und in einer deutschen Kohlengrube. Als die Kinder aus dem Gröbsten waren, nahm Marianna eine Stelle als Näherin in der „Bohne-Fabrik“ an. „Miar hoobm olm gschaug, dass di Kindr eppas lernan hoobm kennt“, sagt sie, Dass die Kinder ihre Chance genutzt haben, macht sie glücklich. Nachdem ihre Kinder flügge geworden waren, umsorgte sie den Enkel Christian. „Der Bua isch wia a Gschenk gweesn“, erklärt sie. Ihr Mann starb vor sechs Jahren in seinen Armen.
Nun lebt Marianna im Martinsheim in Mals. Sie hat selbst entschieden dorthin zu ziehen und ist zufrieden. Das Augenlicht macht ihr Probleme. In Gedanken lässt sie oft die Jugendjahre auf dem Lichtenberger Berg vorüberziehen und meint: „I bin unt bleib a Bergerin, af sell bin i stolz.“
Magdalena Dietl Sapelza
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau