Jetzt im Herbst springt der Zwergstrauchgürtel wegen der Blattverfärbung verschiedener Pflanzenarten dieser Gesellschaft schon von weitem ins Auge. Auch sind die Preisel- und Schwarzbeere, zu Marmeladen veredelt, als besondere Gaumenfreuden begehrt. Neben diesen zwei allgemein bekannten Arten von Beerensträuchern gibt es noch weitere Zwergstraucharten der alpinen Höhenstufe, die mancher von uns wenig beachtet. Im heutigen Beitrag möchte ich Ihnen die Zwergstrauchheide etwas näher bringen. Je nach Leitarten unterscheiden wir in der Vegetationskunde verschiedene Typen von Zwergstrauchheiden.
Zwischen Wald- und Baumgrenze
Die Zwergstrauchheide beginnt im Unterwuchs der sich auflichtenden Lärchen-Zirben-Wälder. Etwas tiefer, in den noch geschlossenen, am Boden lichtarmen Wäldern mit Fichtenbestockung und eher saurem Bodensubstrat dominiert die Heidel- oder Schwarzbeere (Vaccinium myrtillus). Diese Beerenart ist laubwerfend. Sie schützt sich dadurch vor Frostschäden. Ihre aufrechten Triebe sind grün und nur an der Basis verholzend.
In den aufgelichteten Baumbeständen unter- und oberhalb der Waldgrenze wachsen die bis zu einem Meter hohen Gestrüppe der licht- und wärmebedürftigen Rostroten Alpenrose (Rhododendron ferrugineum). Zur Blütezeit im Juli fällt der Almrosengürtel durch seine leuchtend roten Blüten besonders auf. Die Almrosen brauchen im Winter den wärmenden Schutz der Schneedecke. Im letztjährigen niederschlagsarmen Winter 2016/17 sind viele Almrosensträucher vor allem auf den sonnexponierten Südhängen vertrocknet. Im Unterwuchs der Almrosensträucher wächst oft auch schon in dieser Höhenlage die Preiselbeere (Vaccinium vitis idea), dialektal Glanen oder Granten, gleichsam als zweite Zwergstrauchhecke im unteren Stockwerk.
Die Dauer der Schneebedeckung als Auslesefaktor
Steigen wir am Berghang weiter auf, so beobachten wir, wie sich die geschlossene Almrosenflur allmählich auflöst und in ein fleckenartiges Mosaik aus anderen Zwergsträuchern übergeht. Im ausapernden Spätwinter des Hochgebirges kann der aufmerksame Beobachter erkennen, dass der ökologische Auslesefaktor für das schon kleinräumig verändernde Pflanzenkleid die kürzer oder länger andauernde Schneedecke ist. Die Alpenrose stammt ursprünglich aus den feuchten Bergwäldern des Himalaya. Die Empfindlichkeit gegen Trockenheit ist ihr in ihrem Erbgut auch in den nach der Eiszeit besiedelten Alpen geblieben. Junge Zweige, die mit ihren immergrünen Blättern im Winter aus dem schützenden Schnee herausragen, sind der intensiven Sonnenstrahlung mit dem hohen Anteil an ultraviolettem Licht ausgesetzt und müssen unweigerlich vertrocknen. Aus dem gefrorenen Boden kann kein Wasser nachgeliefert werden und an den Triebspitzen entreißt die Sonne der Pflanze das Wasser. In der Fachsprache wird dieser Dürretod als Frosttrocknis bezeichnet.
Die Beerensträucher Heidelbeere und Rauschbeere (Vaccinium gaultherioides) werfen hingegen im Herbst die Blätter ab. Sie können durch den Blattwurf späteres Einschneien und frühes Ausapern ertragen. Die beiden Zwergstraucharten benötigen auch eine längere Aperzeit, weil sie im Frühling erst wieder neue Blätter bilden müssen, um Photosynthese betreiben zu können und dadurch Betriebs- und Baustoffe aufzubauen.
Der ökologische Faktor, der v.a. auch die Dauer der Schneebedeckung wesentlich bestimmt, ist neben der Sonneneinstrahlung der Wind.
Am wenigsten winterlichen Schneeschutz braucht die Gämsheide oder Alpenazalee (Loiseleuria procumbens). Als einziger Zwergstrauch überlebt sie auch noch auf extremen Windkanten. Ihre winzigen ellipsenförmigen, ledrigen und immergrünen Blätter können sich auch noch nach unten einrollen. Die Spaltöffnungen, welche das Photosynthese-Gas Kohlendioxid aufnehmen, aber andererseits auch Wasser abgeben, befinden sich ausschließlich auf der Blattunterseite. Diese unterseitige Anordnung der Spaltöffnungen stellt einen zusätzlichen Verdunstungsschutz dar und verzögert die vom Wind bedingten Wasserverluste zusätzlich.
Geländerelief und Mikroklima
Die Gämsheide ist ein markantes Beispiel, wie bedeutsam im Gebirge oberhalb der Wald- und Baumgrenze das Geländerelief für die Pflanzenbesiedlung ist: Die Oberflächenform bedingt ein kleinräumig wechselndes und verschiedenes Mikroklima. Und dieses Mikroklima in bodennahen Schichten entscheidet wesentlich über die Zusammensetzung der Pflanzengesellschaften. Die Zusammensetzung der Arten kann sich innerhalb von kleinsten Räumen, gleichsam quadratmeterweise ändern. Mulden und Rinnen sind im Sommer windgeschützt und warm, im Winter schneegefüllt. Kuppen und Kanten sind dem Wind ausgesetzt und kühl, im Winter abgeblasen und aper. Der Schneeschutz währt hier bei geringer Schneeauflage meist nur über kurze Zeit. Innerhalb von wenigen Metern können zwischen Mulden und Kanten Unterschiede der Vegetationszeit von vier Monaten auftreten!
Übergangsformen auf verschiedenen Standorten
Im Übergang von den Almrosen in der Schneemulde zur Gämsheide auf dem Windgrat gedeiht als weitere Ausprägung der Zwergstrauchheide die Krähenbeeren- und Rauschbeerengesellschaft. In dieser Gesellschaft nehmen auch die Flechten als samenlose Sporenpflanzen mit verschiedenen Arten eine zunehmende Rolle ein. Genannt sei als Beispiel das Isländische Moos, dialektal Duratee (Cetraria islandica). Der Alpen-Bärlapp (Diphasium alpinum) ist als Vertreter der Bärlappe ebenfalls eine Sporenpflanze. Er gehört in die Pflanzengesellschaft dieses Typs von Zwergstrauchheide. Seine Sporen verstreut er mit einem speziellen Schleudermechanismus über einen weiteren Umkreis um seinen Standort. Der Alpen-Bärlapp ist ein Glazialrelikt, das ob seiner Wuchsform leicht überwachsen wird und sich daher nur in lockeren Rasen- und Zwergstrauchgesellschaften oder Blockhalden erhält.
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