Franz-Tumler-Literaturpreis: Die Nominierungen – Teil 4
Weissbooks Verlag, Frankfurt am Main, 2017, 243 S.
Der Roman versprüht orientalischen Charme, denn Chaya erzählt von ihrer Kindheit im Iran, genauer in Teheran. Gezeugt auf einer Europareise, ist ihr der Traum des Westens von Beginn an steter Begleiter – und sie arbeitet hart daran, ihn zu verwirklichen. Früh lernt sie Englisch und entdeckt eine „Geheimsprache“, die sie mit keinem Familienmitglied teilen kann. In der pulsierenden, persischen Stadt, in der keiner freiwillig alleine ist und Kinder die Feste der Erwachsenen begleiten, zieht sie sich in die Welt der Literatur zurück, toleriert von ihren jüdischen Eltern. Am liebsten schreibt sie Gedichte und liest sich quer durch die Weltliteratur: „Wir lasen viel, denn Lesen bedeutete, träumen zu dürfen, und dies kam uns wie Freiheit vor.“ Die Ölkrise der späten 70er und erste Vorboten der Revolution gegen die Monarchie des Schahs markieren eine Wende im jungen Leben von Chaya, eine Auswanderungswelle beginnt und als 14-Jährige wird sie alleine zu Verwandten in die Schweiz geschickt. Sicherheitshalber. „Und weg war die Kindheit“ und gleichzeitig ging der Traum in Erfüllung. Ohne ein Wort Deutsch schlägt sie sich durch, arbeitet sich hoch und sucht Halt in der neuen Sprache, ohne die Muttersprache. Wie sie es schafft, sich in der neuen Sprache zu entfalten und irgendwann frei zu fühlen, ist besonders schön erzählt. Welch kreative Ideen sie beruflich in der Schweiz entwickelt und wie sie sie mit ihrer Leidenschaft für Sprache(n) und Dichtung verbindet, teilt Chaya dem Leser wortgewandt, manchmal in etwas üppigen Formulierungen mit.
Ein Debüt über eine starke Frauenfigur, die nicht lockerlässt und als Freigeist mutig das macht, wofür sie brennt.
Maria Raffeiner
{jcomments on}