Eine Stunde später sitze ich in der Küche von Bürgermeister Ruprecht Schuchter, der mir bereitwillig das auf den Tisch legt, was sich von der berühmten Schellenschmiededynastie im Familienbesitz erhalten hat. Aus dem Familienstammbaum geht hervor, dass ein Jakob Schuchter, geboren am 14. 11. 1681 die Dynastie begründete und diese über 259 Jahre dauerte, wobei der letzte Schuchter, Eduard, im März 1940 verstarb. Die Produktion von Schellen aber wurde schon zu Beginn des ersten Weltkrieges wegen Unrentabilität vermindert und später eingestellt.
Im Besitz der Familie Schuchter ist noch ein Geschäftsbuch, in dem genau Einnahmen und Ausgaben aufgelistet sind. „Laut dem Buch hat ein Vinschger noch Schulden“, meint verschmitzt der Bürgermeister. Schellen besitzt die Familie Schuchter nur wenige Stück. Ein kleines Ölbild des letzten Schellenschmiedes Eduard ist noch im Familienbesitz. Einige Werkzeuge der Schellenschmiede sind im Heimatmuseum Pfunds zu besichtigen. Über die Öffnungszeiten gibt der Tourismusverband Auskunft (Telefon: 0043 50 225 300).
Die meisten Schellen der Schuchter wurden im benachbarten Vinschgau abgesetzt. Einige Schellen gelangten auch in die Schweiz und nach Schwaben. Verkauft wurden diese hauptsächlich auf Märkten und meist im Tauschgeschäft (alte Sensen und Sägeblätter).
Nicht erst seit heute sind Schuchterschellen begehrte Sammlerobjekte, für die Liebhaber unglaubliche Summen bereit sind auszugeben. Zwei Schuchterschellenprofis sind die Bauern Daniel Grond und Engel Oswald im Schweizer Grenzdorf Müstair. Beide verfügen je über eine Schellensammlung von über 90 Stück. Engel Oswald erzählte uns, dass sein Urgroßvater vom höchstgelegenen Berghof im Val Müstair, dem „Terzahof“, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts jeden Herbst mit alten Sensen und Sägeblättern bepackt zu Fuß über S-charl und Scuol nach Pfunds zum Schuchterschellenschmied pilgerte und Tage später mit Schellen beladen zurückkehrte.
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