Werner Pircher: Ich habe ein modernes Haus, das über drei Stockwerke offen ist. Gegen Süden gibt es sehr viel Glas und gegen Norden hin ist es fast geschlossen. Nachdem fast alle Räume gegen Süden liegen, ist das Haus sehr hell.
Vinschgerwind:Für sich selbst zu bauen, heißt es immer wieder aus Architektenkreisen, sei die schwierigste Bauaufgabe. Stimmt das?
Werner Pircher: Das stimmt auf jeden Fall. Normal hat man einen Bauherren als Gegenüber mit dem man die Ideen diskutiert kann. Als eigener Bauherr fehlt dieses Gegenüber und man verrennt sich in den viele Ideen die man in das Projekt einbringen möchte. Die schönsten Bauten sind für mich jene, wo ich mit den Bauherren gute Diskussionen geführt habe. Ich lerne von den Bauherren und umgekehrt. Zudem sind so viele Ideen da, die Gefahr, dass man sich verrennt, ist groß.
Vinschgerwind: Wie lange wohnen Sie in Ihrem Haus?
Werner Pircher: 23 Jahre.
Vinschgerwind: Würden Sie heute etwas anders machen?
Werner Pircher: Ja, das würde ich schon. Ich hätte noch mehr geöffnet. Ich würde am liebsten in einem Garten wohnen.
Vinschgerwind: An welchem Projekt arbeiten sie gerade?
Werner Pircher: Momentan plane ich mehrere Mehrfamilienhäuser, also Kondominien.
Vinschgerwind: Geht der Trend in diese Richtung?
Werner Pircher: Ja, es geht in diese Richtung. Das hat einmal mit dem knapp verfügbaren Grund zu tun und zum andern ganz einfach mit dem Geld. Es kann sich nicht mehr jeder ein Reihenhaus leisten. Eine Wohnung ist finanziell interessanter und ich finde die gesellschaftliche Entwicklung positiv. In einem schönen gut durchdachten Kondominium ist die Begegnung mit den Nachbarn vorgegeben. Die Menschen müssen wieder miteinander reden, das ist bei Reihenhäusern nicht so.
Vinschgerwind: Was raten Sie angehenden Bauherren?
Werner Pircher: Voraussetzung für ein schönes, gut funktionierendes Haus ist eine gute Planung. Deshalb sollte hier ein guter Architekt genommen werden, mit dem man auf einer guten Diskussionsbasis die gewünschten Ideen verwirklichen kann. Die Entscheidung dafür macht sich in jedem Fall bezahlt.
Vinschgerwind: Sollten Bauherren nicht Grundsätzliches wissen, zum Beispiel ob sie offenes Wohnen bevorzugen oder abgetrennte Räume.
Werner Pircher: Nein, Bauherren nehmen ihre Bedürfnisse erst wahr, wenn sie sich damit beschäftigen, wenn sie vom Architekten mit bestimmten Entscheidungen konfrontiert werden. Deshalb ist die Planungsfase eine wichtige Fase um vorweg schon sich mit dem zu bauenden Haus auseinander zu setzen.
Vinschgerwind: Anders gefragt: Wie meistert man den Seiltanz Bauherren – Handwerker – Architekt.
Werner Pircher: Mit Präsenz auf der Baustelle. Der Architekt muss für Handwerker und
Bauherren der erste Ansprechpartner sein und das geht nur, wenn die Planung passt und man viel auf der Baustelle ist. Die Anwesenheit des Architekten auf der Baustelle ist wichtig. Der Handwerker ist zwar der Fachmann, aber nur gemeinsam erreicht man eine gute Ausführung.
Vinschgerwind: Auf welchen Bau, den Sie geplant haben sind Sie besonders stolz auf welchen weniger?
Werner Pircher: Stolz bin ich auf die Bauten, die zusammen mit den Bauherren entstanden sind. Wenn der Bau abgeschlossen ist, dann gehört er dem Bauherren. Es gibt schon Bauten, wo ich nachgegeben habe, oder musste, z.B. bei einem öffentlicher Bau, wo die Politik die Umsetzung ihrer Idee forderte und am Ende doch nicht umsetzte. Es wird meist nur an die Verwirklichung des Gebäude gedacht ohne den Kontex und die Bedürfnisse der Dorfbevölkerung zu berücksichtigen.
Vinschgerwind: Ist ein öffentlicher Bau schwieriger zu realisieren, als ein privater?
Werner Pircher: Das hängt davon ab, wieviele Leute mitreden.
Vinschgerwind: Wo gehen Sie bei Ihren Bauten Kompromisse ein, wo lassen Sie nicht rütteln.
Werner Pircher (lacht): Das hängt immer davon ab. Ich bin
eigentlich ein Architekt der sehr viele Kompromisse eingeht. Bei der Ästhetik, bei der Hülle versuche ich keine Kompromisse ein zu gehen. Oft hat sich hinterher mancher Bauherr geärgert es nicht so gemacht zu haben wie geplant.
Vinschgerwind: Was sind die Qualitätskriterien Ihrer Bauten? Woran kann man von Ihnen realisierte Bauten messen?
Werner Pircher: Ich bin einer, der für klare Formen, für klare Linien steht. Wichtig für mich ist der Zugang zum Haus und die Position der Treppe, wenn diese richtig sind, funktioniert auch der Grundriss. Das gilt vor allem für Hotels aber auch für private Bauten. In einem Hotel ist das ganz wesentlich, denn wenn der Gast zwei, drei Tage braucht sich zu orientieren, kann er sich nicht entspannen und nach einer Woche meist ist der Urlaub vorbei. Beim privaten Wohnhaus ist es ähnlich, die Wohnung muss klar und übersichtlich sein, um sich wohl zu fühlen. Die alten sind ein gutes Beispiel.
Vinschgerwind:Und woran kann man von Ihnen realisierte Bauten messen?
Werner Pircher: An der Funktionalität.
Vinschgerwind: Ihre architektonische Handschrift ...
Werner Pircher: ... sind einfach, klare Linien.
Vinschgerwind: Architektur ist für Sie...
Werner Pircher: ....Räume zu schaffen, wo sich der Mensch wohlfühlt. Das können Innenräume oder Außenräume sein, das schließt alles mit ein.
Vinschgerwind: Abschließend: Was würden Sie gerne planen und realisieren? Was fehlt in Ihrem Portfolio?
Werner Pircher: Ich würde gerne ein bestehendes Dorf gestalten, mit Bauten füllen, dass wieder Räume entstehen. Ich habe zum Beispiel als Diplomarbeit Glurns gewählt. Glurns ist umgeben von einer Stadtmauer und hat damit eine abgeschlossene Form. Die Aufgabenstellung war: Wie vergrößere ich eine kleine Stadt und lasse sie trotzdem klein? Ich habe die Stadtmauer bebaut. Damit hab ich die Stadtmauer verstärkt und gleichzeitig die Stadtmauer in die Stadt hinein geholt. Einige Häuser hab ich an die Mauer gebaut, andere nicht, dadurch sind Plätze entstanden. Die Stadt hat ihre Form beibehalten. Das wäre ein Traum, ein bestehendes Dorf zu gestalten.
Vinschgerwind: Das ehemalige Obstmagazin in Latsch und in Schlanders das Militärareal sind vergleichbar mit kleinen Dörfern.
Werner Pircher: Das stimmt. Das sind Chancen, die bieten sich ganz selten und da wäre es wichtig Ideenwettbewerbe auszuschreiben, wo kaum Vorgaben sind. Nur so bekommt man viele und die besten Ideen herein.
Interview: Angelika Ploner