Zuegg: Gefahr in dieser Hinsicht vielleicht, dass man über den Boden wenig bis gar nichts weiß. Man bewirtschaftet den Boden nach gewissen Regeln, aber man kennt das biologische System im Boden überhaupt nicht, sei es von der mikrobiologischen Sicht her, von der Fauna und Flora oder wie Prozesse im Boden ablaufen.
Vinschgerwind: Ist das Wissen über den Boden für den einzelnen Bauer wichtig oder gibt es da zuständige Experten?
Zuegg: Wir haben vergessen, dass der Boden der wichtigste Bestandteil eines jeden bäuerlichen Betriebes ist. Deshalb ist es wichtig, wieder zurückzukehren, das Wissen über die Leistungsfähigkeit des Bodens wieder zu erlernen, mit Fachleuten darüber zu diskutieren, Tipps zu bekommen und über die chemischen und biologischen Zusammenhänge informiert zu sein.
Vinschgerwind: Ist das ein Zurückkehren zu den Wurzeln oder ist das eine Weiterentwicklung?
Zuegg: Es ist eine Weiterentwicklung. Früher hat man den Mist ausgebreitet, man hat die Dreifelderwirtschaft betrieben, man hat aber über die Abläufe im Boden kaum Bescheid gewusst. Man wusste zwar dass, aber nicht warum. Die Kenntnis derselben und die Umsetzung ist die Weiterentwicklung.
Vinschgerwind: Sie haben aus eigenem Antrieb dieses Biotop Boden kennenlernen wollen und sind dafür zu einem umfangreichen Seminar nach Frankfurt gefahren. Was bringen Sie von dort mit?
Zuegg: Der Boden ist ein wahnsinnig komplexes Thema, vielfältig, interessant und im Boden ist sehr viel Energie drinnen. Wenn man den Boden mit biologischen Mitteln gut bearbeitet, mit Flächenkompostierung, mit Einsaaten usw., dann braucht man eigentlich gar nichts mehr. Ich muss nur die Lebewesen im Boden permanent bei Laune halten.
Vinschgerwind: Ist das großflächig möglich?
Zuegg: Großflächig ist das möglich. Ich habe in einer Neupflanzung zum Beispiel Gerste, Roggen und Wicke drinnen. Etwas Stickstoff, Kohlenstoff und Mykorrhiza, und die Lebewesen im Boden haben damit sozusagen einen gefüllten Kühlschrank.
Vinschgerwind: Sie haben ihr Wissen über den Boden nicht für sich behalten, sondern Sie sind einen Schritt weiter gegangen.
Zuegg: Die Arbeit mit Boden ist eine gemeinschaftliche Sache. In der Gemeinschaft kann man sich austauschen, Geräte anschaffen, verschiedene Bodentypen begutachten. Man lernt miteinander und gegenseitig. Es gibt kein fertiges Rezept, sondern es ist ein ständiges Lernen. Das Seminar soll die Teilnehmer zum einen zum „wieder Lernen“ anregen, zum anderen zeigt es ihnen die unglaubliche und faszinierende Vielfalt des Ökosystems Boden.
Vinschgerwind: Als Biobauer sind Sie vor allem Praktiker: Aus welchen Perspektiven wird das Thema Boden beleuchtet?
Zuegg: Gestartet sind wir mit Georg Kaser und Volkmar Mair, die den Einfluss des Klimas und Klimawandels und der Geologie auf unsere Böden behandelten. Wir haben in Südtirol alle „10 Meter“ einen anderen Boden. Im zweiten Modul haben wir durch Hans Unterfrauner die Nährstoffkreisläufe in Boden und Pflanze kennen gelernt. Viel Chemie und Kopfweh. Und bei den weiteren Modulen kommen wir dann zu sehr praktischen Dingen. Etwa durch Wilfried Hartl erfahren wir, wie schaue ich meinen Boden an, durch Bodenprofile und Analyse der Wasserlöslichen, verfügbaren, nicht verfügbaren Nährstoffe. Ein weiteres Modul durch Florian Amlinger ist ein praktischer Kompostierkurs und durch Benjamin Seitz wird der Kohlenstoff als Motor des Bodens diskutiert. Im letzten Modul geht es um Einsaaten und Maschinen und die Präsentation der Arbeiten der Teilnehmer. Ziel ist es, dass der Bauer auf seinem Hof, mit seinen Böden und mit seiner Person Maßnahmen für den Boden setzen kann.
Vinschgerwind: Diese 5 Module des Kurses ist eine Premiere in Südtirol. Leistet die Laimburg in Sachen Boden zu wenig?
Zuegg: Die Laimburg macht ihre Arbeit. Wir versuchen mit unserem Seminar einfach einen Bedarf an mehr Information und Wissen zu decken. Ich habe die Inititaive ergriffen, weil ich das Thema Boden einfach für wichtig finde.
Vinschgerwind: Wie lassen die Bauern normalerweise ihre Böden untersuchen?
Zuegg: Wir machen unsere Bodenanalysen in einem der Südtiroler Labore und bekommen dann eine Düngeempfehlung. Die Wirkungsweise wird anhand des Ertrages gemessen. Wenn nötig Stickstoffdünger und andere Bodenverbesserer, mehr haben wir eigentlich nicht gewusst. Die Frage ist aber, ob wir solche Zugaben weglassen können, wenn wir die Bodenlebewesen ordentlich „füttern“. Die Lebewesen und besonders die Leguminosen, können Stickstoff für andere Pflanzen bereitstellen. Mit dem Wurzelwerk des Roggens können tiefere Bodenschichten und damit Nährstoffe erschlossen werden. Auch für die Durchlüftung bzw. für die Wasserspeicherung sind geeignete Wurzelwerke enorm wichtig. Ein guter gesunder Boden hat also nicht nur für den Bauern einen Vorteil, sondern auch für die Gesellschaft.
Vinschgerwind: Setzt ein gut funktionierender Boden eine Fruchtfolge voraus oder anders gefragt, müsste man Apfelbäume entfernen?
Zuegg: Nicht unbedingt. Man könnte darüber nachdenken, ob man bei der Umstellung ein Jahr lang geeignete Einsaaten ausbringt. Wir haben mit den Apfelbäumen ja eine Dauerkultur. Die Aufgabe wird sein, die Begrünung unter den Apfelbäumen besser zu gestalten, Luftstickstoff durch Pflanzen in den Boden zu bringen und zu binden Das könnte ein Weg sein. Ob das einigermassen gelingt, ist eine andere Frage. Das ist zu probieren, zu erlernen, etwa die Sortenwahl, der Zeitpunkt und die Bearbeitung. Da gibt es kein Rezept. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es sehr verschiedene Böden gibt.
Vinschgerwind:Ist der Bedarf an Weiterbildung für die Bauern in diesem Bereich notwendig?
Zuegg: Weiterbildung ist immer notwendig. Ein Mensch, der sich weiterbildet, ist offen für Ideen, für Neues, für Kreatives. Ansonsten muss man glauben, was einem vorgesagt wird. Mit Informationen war und ist kritisch umzugehen, man muss hinterfragen. Es wird viel verkauft und zu wenig hinterfragt. Wenn ich etwa z.B. Bio-Zeitungen anschaue, was da alles für einen guten und gesunden Boden angeboten wird, haarsträubend.
Vinschgerwind: Bio ist aber genauso marktwirtschaftlich wie konventioneller Anbau...
Zuegg: Logisch. Die Landwirtschaft war und ist immer auch Wirtschaft. Die Art muss man hinterfragen. Der Boden, mein Kapital, in das sich lohnt zu investieren, für die Zukunft. Wir lernen in diesem Seminar, dass wir ziemlich alles vor Ort haben. Wir müssen den Boden nur entsprechend pflegen und mehr Arbeit investieren.
Vinschgerwind: Haben Sie das Gefühl, dass in landwirtschaftlichen Kreisen der Boden, die Bodenpflege zunehmend eine Rolle spielt?
Zuegg: Die Kursteilnehmer sind sehr interessiert. So war dieser Kurs nach 8 Stunden ausgebucht. Ursprünglich wollten wir den Kurs für alle Interessierte öffnen, aber aufgrund der EU-Förderung über das ELR-Programm konnten nur Mitglieder von ARGE-Südtirol und Bioland-Südtirol teilnehmen. Ich bin überzeugt, dass es viele interessieren würde. Die Biobauern haben vielleicht aus Prinzip einen näheren Zugang.
Vinschgerwind: Ihr Wunsch?
Zuegg: Die Natur kennt keine Kompromisse, nur Konsequenzen. Alles, was ich mit dem Boden mache, hat Konsequenzen. Man kann mit dem Boden keine Kompromisse machen. Die Bakterien und die Pilze sind entweder vorhanden oder nicht. Entweder sie verhungern oder sie haben genügend zum Fressen. Der Boden hat keine Lobby, keinen Vertreter. Der Boden selbst widerspricht nicht.
Interview: Erwin Bernhart
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