Zu besichtigen sind alte Gewölbe im Alten Spital von Schlanders. Das über mehrere Stockwerke reichende Stiegenhaus wurde vorbildlich restauriert: in den Stichkappen der Gewölbe wurden spätgotische Fresken freigelegt. Sie gehören zu den kunsthistorischen Kostbarkeiten des Ortes.
Im Viertel beim „Oberen Schmied“ traf ich gelegentlich eines Spazierganges meine Nichte, Frau Dr. Monika Wielander/Habicher, die mich auf ein wertvolles Mauerwerk aufmerksam gemacht hat. Als Gemeinderätin ist sie unter anderem auch für Kulturelles zuständig. Sie sprach von einem wertvollen Gewölbe, das hier, in der Karl Schönherr Gasse, gerade restauriert würde. Ich erschien schon bald mit meiner Kamera im Keller, wo gerade noch gearbeitet wurde. Der Besitzer des Hauses, Georg Lageder, war dabei, aufzuräumen und den Verputz abzuklopfen. Das ursprüngliche Mauerwerk wurde also sichtbar, unter den abgenommenen Schichten zeigten sich bald die aus Bruchsteinen gefügten Gewölbebögen. Wobei eine Besonderheit auffiel: Neben dem Schiefergestein fügen sich rotgebrannte Ziegel verschiedener Größe in das etwa 500 Jahre alte Gewölbe. Waren das Zubauten aus späterer Zeit? Abgesehen von der Vetzaner Ziegelei, die allerdings erst später als Lieferant in Frage kommt, gibt es Hinweise, dass Ziegel auch im Bereich des Schlosses Schlandersberg hergestellt wurden. Im „Priel“ genannten Steilhang am Fuße des Sonnenberges soll eine Ziegelei in Betrieb gewesen sein.
Da gibt es allerhand zu erforschen, alles im Zusammenhang mit Techniken unserer Mauern. Abwechselnd mit Bruchsteinen wurde auch weißer Marmor verwendet, natürlich nur für besondere Bauten, so etwa als Türsteher im Eingangsbereich der Tschenglsburg.
Die verschiedene Größe der alten Ziegel lässt unter anderem eine weitere Vermutung zu: Vielleicht handelt es sich um eine uralte Bautechnik der Römer, die sich hier noch erhalten hat? Wurden diese alten Ziegeleien in Fronarbeit hergestellt, also unter Ausnutzung billiger Arbeitskräfte? „Roboten“ hat man dazu früher gesagt, wobei das tschechische Wort soviel wie „schwer arbeiten“ bedeutet. Billige Arbeitskräfte, also Besitzlose, Rechtlose und also Hörige gab es immer, wenngleich immer wieder behauptet wird, dass es „Unfreie“ in Tirol kaum gegeben hätte.
Antike Bautechniken wurden wahrscheinlich in unsere Tälern vor allem durch eingewanderte Arbeiter aus den Nachbarregionen eingeführt oder haben sich aus alten Zeiten erhalten. Zu nennen sind hier vor allem die Steinbildhauer, die Comacini aus dem Gebiet um den Comosee; unsere romanischen Steinbildwerke zeigen deutlich ihren Einfluss.
Aber das hier besprochene Haus, Karl Schönherr Straße Nr. 38, hat auch eine eigene Geschichte. Diese enge Gasse war einst eingewölbt und wurde erst durch den Brand von 1930 neu verbaut, wobei die Spuren des ehemaligen Steintunnels noch in der bergseitigen Felswand zu erkennen sind. In diesem Viertel befand sich einst die Handwerkerzone von Schloss Schlandersberg und der nahen, jetzt nicht mehr existierenden Stachelburg. Betretbar war dieses Viertel nur durch einen felsigen Gang.
Es gibt auch einen „Unteren Schmied“ in der Dorfmitte, Schwabl war der Meister, während beim oberen Schmied die Familie Wieser zu nennen ist. Alles beginnt mit dem Mühlbach, der das ganze Dorf bediente. Auch ein Rädermacher, also Wagner neben dem Schmied, eine Färberei, eine Gerberei, eine Knochenmühle, ein Sägewerk und eine Tischlerei gehörten dazu. Gewerbebauten wie im hier beschriebenen Fall weisen oft auf herrschaftliche Besitzer, die sich den technischen Aufwand leisten konnten. Die Freilegung der vermauerten Gewölbe kann sich heute nur mehr ein „Liebhaber“ leisten … der Georg kratzt und säubert liebevoll die alten Mauern, die jetzt zu sprechen beginnen.
Hans Wielander
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