Vorab zolle ich meinen Respekt deinen Mitstreitern: deinem Sohn Ulrich, Volker Oberegger, Gianni Bodini, Paul Preims, Norbert Florineth, sowie dem verstorbenen Roland Kristanell, den ich noch kennen durfte; und ebenso all jenen aus deinem Team, denen ich persönlich nicht begegnet bin.
Uns zwei aber verbindet eine Jahrzehnte währende Freundschaft, weshalb ich meine Mini-Laudatio bei dir als dem Spiritus rector der Arunda am besten aufgehoben weiß.
Schade, dass unser gemeinsamer Freund und Sprachfex nicht mehr da ist, der Valentin Braitenberg, mit dem wir uns seinerzeit so manches cerebrale Turnier geliefert haben. Der Valentin schaut jetzt auf uns herab; was ich mich bei Dir nicht trauen würde. Ich schaue zu dir auf.
Vor geraumer Zeit hast du mir einmal erzählt, wie gut es sich anfühlt, wenn man frei ist; frei zum Beispiel, jede Arundanummer so zu gestalten wie man will, in Format, Aufmachung, Inhalt. Dabei, sagtest du, stehe keiner über dir, und niemand rede dir drein.
Erlaube, dass ich das nicht glaube. Denn es steht sehr wohl von jeher einer über dir, nämlich du selbst; und der redet dir kräftig drein; du wiederum lässt dir von ihm nicht alles gefallen. Recht so. Denn will der eine entschweben, hält der andere dagegen. Das macht, dass der schillernd bunte Drachen Arunda, vom Vinschger Wind getragen, schon so lange oben und trotzdem erdverbunden bleibt.
Seit geschlagenen vierzig Jahren machst du nun dein ureigenes Ding, und dieses ist zum Ding all derer geworden, die heute hier versammelt sind, sowie auch all der zahllosen Arunda-Fans im In- und Ausland. Du nimmst uns seither mit auf deinem höchst persönlichen Kulturweg. Du nimmst uns an der Hand. Wir lassen uns gern von dir leiten. Oder sollte ich nicht lieber sagen: „verleiten“? Das trifft es eher.
Denn du öffnest uns die Augen für das, was wir zu kennen glauben, aber doch nicht ahnen. Du schenkst uns etwas, das wir bereits besitzen, ohne dass wir es wüssten. Du führst uns hinter das Licht, in dem wir zu stehen meinen, und erhellst uns die im Schatten wohnenden wertvolleren Dinge. Du belehrst uns nie, sondern sprichst unseren Verstand an und unser Herz. In summa: Du führst uns auf verschlungenem Pfad hin zu dem, was uns eigen ist, was uns zusteht, worum wir uns jedoch allzeit bemühen müssen: unsere Kultur. Darin steckt das lateinische Wort colere; es ist zu verstehen als „kultivieren“, sowohl im Sinn von etwas pflegen, ein Feld bestellen, einen Garten anlegen, als auch im Sinn von geistig, charakterlich, geschmacklich bilden. All das und noch Vieles mehr erreicht zu haben, darfst du dir getrost auf die Fahne schreiben.
Ich bin selten einem so passionierten Wort- und Bildarbeiter, einem so begabten Menschenzusammenbringer, Anreger und Kulturdetektiv wie dir begegnet; und was die Findung der Themen für deine Zeitschrift angeht, bist du – con rispetto parlando – ein wahres Trüffelschwein, das mit unbestechlicher Nase den Kulturmutterboden durchwühlt und stets Überraschendes zutage fördert.
Auch ich durfte das Eine und Andere zur Arunda beisteuern: eine Kurzgeschichte, eine dialektologische Abschweifung, eine biografische Travestie und noch etwas unerwartet Folgenreiches, abgedruckt in der Nummer „Aussi“.
Als du mir die Mitarbeit daran antrugst, fragte ich dich, was ich schreiben solle. Deine Antwort war knapp: „Schreib, was du willst“. Das hörte sich an, als wolltest du sagen: „Mach doch was du willst, was kümmert‘s mich? Doch der Satz klang in mir fort und verwandelte sich alsbald in den Satz „Will, was du schreibst.“
Da war es wieder, dein heilsam verstörendes Konzept der Freiheit, das einen in Haft nimmt und zur Entscheidung darüber zwingt, was man tun muss, ohne Ansehen der Mühen, die man auf sich nimmt. An deinem eigenen Beispiel wird sichtbar, fühlbar und fassbar, wieviel Schönes, Berührendes, Gewichtiges und Bleibendes dein Selbstzwang zur Freiheit bislang bewirkt hat.
Als wirklicher und wahrhafter Kulturschöpfer lässt du die morastigen vernebelten Niederungen des bisweilen arg selbstgefälligen Kulturbetriebs weit unter dir und ragst auf als jenes anmutige Gebirg, dessen Namen deine Zeitschrift trägt. Du bist der Berg Arunda. Bei dir war und bin ich in guter Obhut und auf sicherem Pfad. Letztlich war es kein anderer als du, der mir gesagt hat, was ich will. So schrieb ich für dich mein erstes Mundartgedicht. Und du hast mich dafür, ganz nebenbei, zum Heimat-Dichter gemacht.
Aber noch etwas anderes, vielleicht noch Kostbareres, hast du mir geschenkt: Deine Gast-Freundschaft. Was sie mir bedeutet, weiß nur, wer mich als Dorfkind kennt. Nach dem frühen Tod meiner Mutter nahmen sich ihre Freundinnen, die Bäurinnen, meiner an. Sie schauten auf mich, damit es mir gut geht; sie kochten mir etwas, damit ich nicht hungere; sie strickten mir einen Janker, damit ich nicht friere. Ich war geborgen und aufgehoben.
Und genau so ist es mir bei Dir ergangen. Unter der Supervision deiner weisen Katze Misa hast du so oft Erdäpfel für mich auf den Herd gestellt, Kas, Speck und Brot aufgeschnitten, Kaffee gekocht und – wenn uns die Gespräche tief in die Nacht hineintrugen – mir schließlich ein Bett bereitet. Das ist an dir das Mütterliche. Dafür dankt dir in mir das Kind.
Und ich weiß auch, wie du mich so manches Mal genüsslich hast auflaufen lassen, wenn ich mich bei einer Diskussion verrannte. Dann hast du auf den Stockzähnen gelächelt, hast dir unheimlich viel Zeit gelassen zum Ausholen des von mir befürchteten Schlags. Der aber nicht kam. Du hast mich nicht erledigt, sondern mich mit Nachsicht und Güte aus meiner selbstgestellten Denkfalle befreit. Das ist an dir das Väterliche. Dafür dankt dir der Erwachsene.
Was soll ich weiter noch sagen? Ich wünsche Dir Gesundheit, Freude und Schaffenskraft und, dass du weiterhin gut über die Arunden kommst.
Ad multos annos, Hans. Ich hab Dich lieb.
Schlanders, am 24. Oktober 2016
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