Vinschgau - Wer Größeres und Besseres anstrebt, muss mitunter leiden. So wird es mit der Vinschgerbahn sein. Denn 2025 wird das Jahr sein, in dem der Zug für Zugfahrer nur eingeschränkt zur Verfügung steht. Auch 2026 werden die Zugpassagiere noch „leiden“ müssen. Aber dann ...
von Erwin Bernhart
Per aspera ad astra“ - Der Spruch wird dem römischen Philosophen Seneca zugeschrieben und er trifft auf die Vinschger Zugsituation zu: „Durch Mühsal (gelangt man) zu den Sternen“. „Die Mühsale“ beginnen mit den Zugsperrungen und sie beginnen ab Februar 2025 - „die Sterne“ sind neue elektrisch betriebene Züge, die von Mals bis Innsbruck und von Mals bis Lienz durchfahren werden.
Ein erster Stichtag ist der Sonntag, der 16. Februar 2025. Der ist nicht mehr weit. Ab dem 16. Februar 2025 wird der Abschnitt Laas-Mals gesperrt. Diese Zugsperre im Obervinschgau dauert bis zum 25. Oktober 2025. Busse werden auf diesem Streckenabschnitt als Zugersatz dienen. Busse im Halbstundentakt von Mals bis Laas. Für den Schülertransport werden in der Früh und zu Mittag bis zu drei Busse eingesetzt werden. Die Linie 272 - bisher von Spondinig über Prad nach Glurns - wird bis nach Laas weitergeführt. Auch die Buslinie 271, bisher von Spondinig über Prad und Stilfs nach Sulden wird bis nach Laas geführt werden. Laas ist in dieser Sperrzeit von Februar bis Oktober 2025 Endstation für den Zugverkehr und Start für viele Buslinien.
Der Zug von Laas nach Meran und umgekehrt verkehrt vom 16. Februar bis zum 25. Oktober 2025 im Halbstundentakt.
Die unmittelbar bevorstehende Sperre der Teilstrecke Laas-Mals wird genutzt, um „die neuen Züge auf dieser Strecke testen zu können“, sagt Sergio Merchiori bei der Informationsveranstaltung in Latsch. An der Strecke dort werde massiv ausgebaut. Die Oberleitungen für die Elektrifizierung, das neue Signalsystem ..., das Unterwerk für die entsprechende Stromversorgung sei bereits fertiggestellt. Getestet werde vor allem das neue Signalsystem. Marchiori ist in der STA, in der Südtiroler Mobilitätsagentur, als Projektleiter für die Bauarbeiten an der Zugstrecke im Vinschgau zuständig.
Die beiden Bezirksgemeinschaften Vinschgau und Burggrafenamt haben am 14. Jänner ins Culturforum von Latsch geladen. Interessensvertreter, Schulverantwortliche, Bürgermeister:innen, Gemeindereferent:innen und Gemeinderäte waren geladen. Schließlich sind es jene, die vor Ort den Bürgerinnen und Bürgern Rede und Antwort stehen müssen, die durch organisatorische Anregungen an die STA eventuell korrigierend eingreifen können.
„Wir gehen jetzt in die heiße Phase“, sagt der für die Wiederinbetriebnahme der Vinschgerbahn damals politischer Weichensteller und ehemaliger Landesrat Richard Theiner, der die Moderation des Abends übernimmt. „Was ändert sich?“, sei die Kernfrage des Informationsabends, sagt Theiner und erinnert an die seit dem Jahr 2016 laufenden Arbeiten an der Elektrifizierung, an die Bahnsteigverlängerungen, an den Ausbau der Remise in Mals, an das Setzen der Masten für die Oberleitung.
Wichtig sei es, Erklärungen und vor allem die Organsation zu den Schienenersatzdiensten zu erhalten, sagt die Präsidentin der Bezirksgemeinschaft Vinschgau Roselinde Gunsch. Eine attraktive Bahn samt guten Zubringern aus den Seitentälern sei das zentrale Anliegen im Vinschgau. Auch Schnellzüge stehe auf dem Wunschzettel. Ein gutes Mobilitätskonzept sei eine Kampfansage an das Auto, sagt Reinhard Bauer, Bezirksausschussmitglied im Burggrafenamt.
Dann setzt STA-Direktor Joachim Dejaco das wegen der Zugsperre künftige Leiden im Vinschgau in ein großes Gesamtkonzept. Ziel im Lande ist es, die im öffentlichen Nahverkehr gefahrenen Personenkilometer bis 2030 um 70% zu steigern und bis 2037 zu verdoppeln. Aus Sicht des Vinschgaus bewege man sich Schritt für Schritt in Richtung der Vision, dass die neuen Züge von Mals durchgehend bis Innsbruck und von Mals durchgehend bis in das Osttiroler Lienz fahren werden. Die regionalen Schnellzüge dazu werden aus dem Vinschgau kommen. Die dazugehörigen Fahrpläne liegen bereits in den Schubladen bereit. Dejaco sagt, das alles sei in zwei Jahren bereits möglich. Ehrfürchtiges Staunen in Latsch.
Der für Signalsystem und Elektrifizierung Projektverantwortliche Michael Prader erinnert, wie es bereits Richard Theiner getan hat, an die Vorarbeiten. Seit 2016 habe man die Bahnsteige und Bahnhöfe ertüchtigt, das Gleisniveau im Tunnel von Marling herabgesetzt, in großer Anstrengung die Bahnlinie zwischen Schlanders und Laas in Abschnitten leicht begradigen können, so dass ein für die Fahrplanerstellung bedeutender Gewinn von 30 Sekunden Fahrtzeit herausgekommen ist, man habe in Mals die Remise verlängert. Prader sagt dann auch, dass die Remise 2025 für die neuen Züge nochmals etwas verlängert werden muss. Dann stehe in Mals eine Wartungshalle für mehrere Jahre zur Verfügung. Die Lieferung der neuen Züge von Alstom habe sich verspätet. Aber der „Coradia Stream“, wie der neue Zug heißt, wird 2025 auf der Teilstrecke Mals-Laas „massive Zulassungsprozesse“ durchlaufen. Man rechne mit der Zulassung Mitte 2026.
Mitte 2026?
Ab Oktober 2025 wird die gesamte Strecke Meran-Mals gesperrt werden. Die Sperre dauert bis 28. März 2026. Drei Monate werden benötigt, um die Elektrifizierungs- und Signalsystemarbeiten im Abschnitt Laas-Meran zu erbringen, sagt Marchiori. Und dann benötige man noch zwei Monate für die Testfahrten für die Zulassung.
In der Zeit der Totalsperre werden die derzeitigen Dieselzüge umgerüstet, damit sie mit dem neuen Signalsystem zurechtkommen können. Denn ab dem 29. März 2026 und bis zum 30. Juni 2026 werden die alten Dieselzüge den Dienst wieder aufnehmen. „Um dem Lieferrisiko aus dem Weg zu gehen“, sagt Merchiori. Denn die Sicherheit der Lieferung der neuen Züge genau zu dem Datum, ab dem sie gebraucht werden, bestehe nicht. Die STA plant damit eine große Elastizität ein - damit die Züge trotzdem fahren, auch wenn die neuen noch nicht da sind.
Wenn es die Sterne gut meinen, dann wird ab dem 1. Juli 2026 die Linie Meran-Mals mit den neuen Zügen Schritt für Schritt - Lieferung für Lieferung - hochgefahren. Und der wie immer optimistische STA-Direktor Joachim Dejaco sagt am 14. Jänner 2025 in Latsch, dass in zwei Jahren Innsbruck und Lienz angefahren werden. Die Vinschger nehmen Dejaco natürlich beim Wort: Ab Jänner 2027 kein Umsteigen mehr von Mals bis Innsbruck. „... ad astra“.
Nach den Infos von Seiten der Techniker hagelt es Fragen aus dem Publikum. Wie man sich eine Schülerfahrt von Bruneck in die Sportoberschule Mals vorstellen kann, fragt der Oberschuldirektor Werner Oberthaler. Woher die Fahrer für die Ersatzbusse kommen sollen, fragt Norbert Kofler aus Prad. Ein Live-Informationssystem, ob ein Bus komme und wo sich die Busse befinden besonders am Wochenende, wünschte sich die designierte BM-Kandidatin von Schlanders Kunhilde von Marsoner. Dejaco antwortet ruhig und sagt: Busfahrer müssen sich finden lassen, er sei da zuversichtlich. In Brixen wurden erst vor Kurzem 15 spanische Busfahrer angestellt. Schüler aus dem Pustertal steigen in die Ersatzbusse bis nach Brixen, dort in den Zug nach Bozen, dort in den Vinschgerzug bis Laas und dann wieder in den Bus. Es sei auch bei reibungslosen Zugfahrten kein leichtes Unterfangen, vom Pustertal nach Mals zu kommen. Und eine Live-Übertragung finde bereits statt und die lasse sich über den QR-Code an den Haltestellen über die SüdtirolMobilApp abrufen.
Bedenken über ein Umsteigen in Laas äußerten der Schludernser BM Heiko Hauser und die Bezirkspräsidentin Roselinde Gunsch. Hauser äußert Sorgen, dass die Pendler nach Schlanders etwa ins Krankenhaus nicht pünktlich ankommen. Gunsch wegen des Pendler- und Schülertransportes. Man solle überlegen, ob man die Ersatzbusse nicht bis Schlanders fahren lassen könnte. Dejaco: Für die Schülerfahrten werden bis zu drei Busse eingesetzt. Das werde man monitorieren. Ansonsten nehme man alle Anregungen mit.
Albrecht Plangger erkundigte sich nach den Parkplätzen in Laas. Denn die Oberländer, die den Zug benutzen wollen, werden eher bis nach Laas fahren. Michael Prader sagt, dass Laas gut bestückt sei, aber die Überlegung nehme man mit.
Den Schienenersatzverkehr solle man so kurz wie möglich halten, regte der Kastelbeller BM Gustav Tappeiner an. Und der Schlanderser Tourismuspräsident Karl Pfitscher forderte von den STA-Technikern, dass der Sinn der Mobilitätskarte besser nach außen kommuniziert werden solle. Es stimme nämlich nicht, dass die Gäste gratis fahren. Auch solle man für behindertengerechte Zustiege etwas tun.
Dejaco pflichtet Tappeiner bei. Man wolle lieber Zug fahren als Zug stehen lassen. Dejaco gibt dann aber offen zu, dass „wir es nicht zu 100% im Griff haben, dass die neuen Züge 2026 geliefert werden“. Die Bahnsteige seien alle behindertengercht hergerichtet. Die Gäste bezahlen 2025 70 Cent pro Nächtigung, ob sie die Öffis nutzen oder nicht. Von den 20 Millionen Euro Einnahmen aus der Gästekarte habe man 6 neue Züge bezahlen können, rechnet Dejaco vor. Über Lärmschutz mache man sich keine Gedanken und an der Glocke an der Schranke bei der Talstation der Seilbahn Latsch werde sich nichts ändern, antwortet Michael Prader auf die zwei Fragen von Thomas Rinner. Dass der Vinschgerzug in Meran auf Gleis 5 halte, habe mit dem direkten Anschluss auf Gleis 4 nach Bozen zu tun, sagt Prader in Richtung der Frage von Robert Kaserer. Der Radtransport soll grundsätzlich auf der der Straße geschehen. Die neuen Züge werden 13 Radabstellplätze haben. So Prader in Richtung der Direktorin des Tourismusvereines Obervinschgau Katharina Fritz. Auch sollen bei Großveranstaltungen wie es die Ritterspiel in Schluderns oder „Marmor und Marillen“ in Laas sind, mehr Busse eingesetzt werden. So wie es im Pustertal bereits erfolgreich praktiziert wird.
Die Diskussionen setzen sich nach der Veranstaltung beim Buffet vom Weltladen Latsch weiter fort.
Richard Theiner fasst den Abend so zusammen: „Wir werden im Laufe der Sperre automäßig einen Vorgeschmack bekommen, wie froh wir um den elektrisch angetriebenen Zug sein werden.“ Theiners Prophezeihung: „Die Elektrifizierung wird ein noch größeres Erfolgsprojekt werden.“
Also „per aspera ad astra“.