Kultur: „Die Heimat, ja ja die Heimat......“ Begegnungen mit dem Autor Hansjörg Waldner

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Hansjörg Waldner. Porträt von Hubert Scheibe (2020). Scheibe hält die schlimme Zeit der schweren Krankheit Waldners fest oder wie Scheibe sagt: „Ich habe seine Gesichtslandschaft neu erkundet“. Doch aufgepasst: ein Schalk sitzt ihm im Nacken, man sieht es in den Augen. Hansjörg Waldner. Porträt von Hubert Scheibe (2020). Scheibe hält die schlimme Zeit der schweren Krankheit Waldners fest oder wie Scheibe sagt: „Ich habe seine Gesichtslandschaft neu erkundet“. Doch aufgepasst: ein Schalk sitzt ihm im Nacken, man sieht es in den Augen.

von Peter Tscholl

Geboren wurde Hansjörg Waldner am 30. September 1954 in St. Valentin auf der Haide. Als Jüngster von zehn Kindern wuchs er dort in einer Kleinbauernfamilie auf. „Im Zentrum meiner Kindheitserinnerungen ist die Stube, draußen der Weg, wo sichs leicht spielen ließ. Die Winter waren lang, es gab noch mehr Schnee als heute. Unser Schuhwerk war immer nass vom Schnee, die Füße durchgefroren, es hat uns „durchgenägelt“. Im Sommer stand Heuführen an, im Herbst die Erdäpfelernte. Als Kinder haben wir alle Jahreszeiten in vollen Zügen genossen“ erzählt Hansjörg.
1964 wurde sein Bruder Kassian im Dom zu Brixen von Bischof Josef Gargitter zum Priester geweiht. Am 2. Juli 1964 hielt Kassian seine Primiz in St. Valentin a.d. Haide. Zur Primizfeier war auch ein St. Josephs-Missionar eingeladen, welcher durch die rote Schleife auffiel. Hansjörg war s26 hausdavon so tief beeindruckt, dass auch er einmal so durch die Welt ziehen wollte. „Meine Berufswahl war getroffen: Missionar!“
So ging Hansjörg mit 10 Jahren ins Missionshaus nach Brixen. Nach der Matura am Vinzentinum ging er 1973 nach Wien und studierte dort Germanistik, Geschichte und Philosophie. 1988 wurde er Leiter der „ÖDA- Österreichische Dialekt Autor(inn)en“ und versuchte, wie er selber sagte „aus dem Dialekt, dem Problemfeld Dialekt, das Beste zu machen“. Auf die Frage, wieso er sich für so ein Leben und nicht das eines Missionars entschieden hätte, sagte Waldner: „Ich hatte schon in Brixen gemerkt, dass ich in Deutsch gut war. Mir ist immer etwas eingefallen, meine Aufsätze waren phantasievoll. Dazu beigetragen hat auch der Umstand, dass meine Brüder zuhause schon interessante Lektüren hatten, worin ich immer geblättert habe. Das hat mich fasziniert und ich konnte schon da viel lernen. Dem Beruf des Missionars war ich nicht gewachsen“.
1985 promovierte Hansjörg Waldner in Wien mit der Arbeit „Bauern, Soldaten, Grenzlandbewohner. Südtirolromane 1919 – 1945“, als Buch „Deutschalnd blickt auf uns Tiroler“ 1990 veröffentlicht. Es folgten zahlreiche Fachpublikationen und Beiträge in Zeitungen (u.a. Der Standard) und Zeitschriften (Sturzflüge, Wespennest).

2001 erschien sein letztes Buch „Ei nun“, Poesie und Texte. Dazu sagt Hansjörg Waldner: „Es hat zwei bis drei Ebenen. Eine Ebene ist die Seestauung, also wie es den Leuten von Alt-Graun und Reschen ergangen ist und sie gezwungen waren eine neue Bleibe zu suchen. Die Fantasie dieses Textes ist die, dass der See soweit aufgestaut wird, dass das Wasser bis zum Ortler reicht und der ganze Obervinschgau untergeht. Zusätzlich kommen noch Collagen aus Bergtexten hinzu, eine wirre Geschichte, hinzu kommen noch Gedichte, konkrete Poesie und anderes aus einem Jahrzehnt.
Schon 1988 hatte Hansjörg Waldner zusammen mit Karl Prossliner in einem Feature das Thema der s26 familieSeestauung aufgeworfen. „Da haben wir Interviews mit Leuten gemacht, die sich noch an die Seestauung erinnerten, sie erlebt haben, heute aber nicht mehr leben. Die Erinnerungen aller Beteiligten wurden natürlich mit wissenschaftlichen und historischen Fakten untermauert. Bewundernswert bei der ganzen Geschichte ist die Rolle des Grauner Pfarrers, der sich an die Spitze einer Protestbewegung stellte, die von Graun nach Reschen führte“ sagt Hansjörg.

Aus „Der Staudamm. Chronik einer Zerstörung“.
In der Radiosendung von Hansjörg Waldner und Karl Prossliner erzählte Pfarrer Alfred Rieper: „Ich bin 1938 zum Priester geweiht worden. Dann hat mich der Bischof als Kaplan nach Gossensass geschickt. Dort bin ich zwei Jahre gewesen und dann hat er mich gerufen und gesagt: Oben im Obervinschgau, in Graun kommt ein Wasser. Der Pfarrer ist weggegangen und die Pfarrei wird nicht mehr ausgeschrieben. Deswegen sollte ich da hinaufgehen und 3 Jahre oben bleiben, weil nach 3 Jahren das Dorf unter Wasser ist. Es wird nichts mehr aufgebaut und dann kann ich gehen. Mit diesem Bild bin ich nach Graun gekommen. Die Bevölkerung hat von der Stauung nicht geredet. Ich hatte den Eindruck, die Leute haben es nicht glauben wollen, dass der Staudamm kommt“.
Pfarrer Alfred Rieper sollte noch mehr als 30 Jahre in Graun bleiben, wo er 1996 starb.
Obwohl die Seestauung heute bereits mehr als 70 Jahre zurückliegt sind die Folgen bei Mensch und Natur immer noch spürbar. Für viele ist die Heimat immer noch im See drinnen.

 

 

Aus „Ei nun“ Poesie und Texte:
Am Ortler und um den Ortler herum.

„Ja, hinausgewassert haben sie uns, hinausgewassert wie die Mäus‘. Das Geld ist ja von der Schweiz kommen. Die haben ja das Geld ghabt. Der Bürgermeister ist ja zu wenig bildet gwesen für so einen Posten. Der ist der Sache nicht gwachsen gwesen: Einer, der sagen hätte können, so geht die Sache nicht. Sogar die Schweizer haben gsagt, nein das wäre bei uns nicht gangen, so eine schöne Gegend zur Sau machen“.

 

 

Aus „Ei nun“ Poesie und Texte:
Am Ortler und um den Ortler herum.

„Da hat niemand nicht mehr gefragt, willst gehen oder nicht. Dann haben wir halt auch müssen in die Baracke gehen und sind dann jahrelang in der Baracke gwesen. Mein Sohn war damals vier Jahre alt, da hat er gsagt, gehen wir zum Heimat. Ist von unserem alten Heimat noch was übrig blieben? Da bin ich mit ihm im Frühjahr wies Wasser abpump war zu den Schutthäufen. Er hat gwusst: hier war der Stall“ - so eine Grauner Bäuerin.

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