Quarantäne und Krise

geschrieben von
Roger Pycha Roger Pycha

PSYHELP Covid 19 - Mehr als 350.000 Schnelltests in Südtirol haben ergeben, dass 3.200 Personen, also weniger als 1 Prozent, stark ansteckend Corona positiv sind. Der Test ist zu 84% sensitiv, das heißt, geschätzte 480 Corona Positive, die keine starken Virusausscheider sind, sind nicht entdeckt worden. Am 10. November hatte der Biostatistiker Markus Falk geschätzt, dass 1 Prozent der Südtiroler Bevölkerung positiv sein könnte. Gerd Gänsbacher von vorher geschätzten 1 bis 2 Prozent. Wenn das bisherige Ergebnis mit der oben genannten Unschärfe des Tests auf ganz Südtirol ausdehnbar ist, dann sind wir bei ca 5.000 aktuell Infizierten. 3.200 von ihnen sind entdeckt und in Quarantäne geraten, 1.800 unentdeckt weiter infektiös. Das ist ein guter Grund, die 3 Vorsichtsmaßnahmen weiter einzuhalten.
Das ist allerdings auch eine gute Chance für das Gesundheitswesen, auftauchende Infektionen wieder rück zu verfolgen. Die diffuse Infektionslage kann jetzt viel besser überblickt und kontrolliert werden.
Die dritte Neuerung kommt aus der Impfecke. Biontec-Pfizer und Moderna haben zwei Impfungen in den USA angemeldet, die vielleicht am Jahresbeginn auch schon bei uns einsetzbar sind. Die große Gefahr scheint aus verschiedenen Richtungen eingrenzbar.
Für das psychische Befinden der Bevölkerung bedeutet das Erleichterung. Südtirol hat in einem großen Kraftakt der Solidarität gezeigt, wie gut es zusammenhält. Optimismus ist wieder möglich und gefragt, allerdings vorsichtiger Optimismus.
Jetzt geht es um Schadensbegrenzung. Ca. 13.000 Personen sind in Südtirol aktuell in Quarantäne. Die häusliche Isolation kann ein großes psychisches Belastungsmomente. Die Angst vor Symptomen und die Corona-Symptome selbst tun ein Übriges. Aus wissenschaftlichen Studien geht hervor, dass sich Quarantäne praktisch nur mit klarer Information und deutlichen Anweisungen aushalten lässt. Ich muss wissen, warum und aufgrund welcher Ergebnisse ich wie lange in Quarantäne sein muss. Ich brauche in der Zeit einen fachlichen Ansprechpartner, der meine Gesundheitslage von Zeit zu Zeit checkt. Ich brauche gute virtuelle Gesellschaft, Gesprächspartner, mit denen ich mich austauschen kann, denen ich meine Lage schildere, auch meine Empfindungen und Befürchtungen. Ich brauche in der Aufregung beruhigende Stimmen und Gesprächsinhalte und wenn es geht, Gesichter, Augenkontakt und Gesten. Notfalls auch nur die Fotos von lieben Menschen.
Wenn ich sehr aufgeregt oder erschüttert bin, kann ich es mit Beruhigungsstrategien versuchen. Eine der einfachsten ist, bequem zu sitzen oder zu liegen, die Augen zu schließen und meinen eigenen Atem zu beobachten, wie er einwärts und auswärtsströmt. Wenn meine Gedanken abschweifen, bringe ich die Konzentration fünf Minuten lang immer wieder auf die Atmung zurück, egal wie oft ich sie gedanklich verliere. Dabei beobachte ich meine Atmung nur, ich beeinflusse sie nicht. Das hilft nicht immer, aber immer wieder.
Ich kann mich auch gekonnt ablenken. Mit Hinwendung zu meinen liebsten Hobbies, Spielen, Sammeln, Lesen, Schreiben, Musik, lieber aktiv als passiv. Da habe ich mein ganz persönliches Muster und stelle vielleicht fest, dass es in der Krise nicht so gut ablenkt wie sonst. Vielleicht aber doch.
Der dritte Weg ist die Aktivierung: Wenn ich erschöpft bin, gut, um in Schwung zu kommen. Wenn ich aufgeregt bin, auch gut zum Abbau der Nervosität. Der Königsweg der Aktivierung ist Bewegung, Nicht zufällig ist Individualsport im zweiten Lockdown erlaubt, wir haben aus dem ersten gelernt, was ungefährlich ist und sehr gut hilft. Zum Aufrichten einer geknickten Psyche hilft Ausdauersport mehr als Kraftsport, Laufen ist besser als Gewichtheben. Ideal ist das Anstrengungsniveau, das den Körper und die Muskeln warm macht, also diffus schwitzen lässt, aber nicht so hoch ist, dass Atemnot auftritt. Ca 30 Minuten sind eine für das Gehirn wahrnehmbare, die Stimmung aufhellende Aktivität. Noch besser, wenn sie wiederholt wird, mindestens 4 x pro Woche.
Wenn die drei genannten und einige andere versuchte Strategien nicht mehr viel nützen, wenn Sie merken, dass niederschwellige Beratungsangebote keine wesentliche Verbesserung bewirken, dann ist der Schritt zu einer fachlichen psychologischen Beratung angezeigt. Er gelingt jetzt relativ leicht, es genügt, Psychologischer Dienst 24 h anzurufen, Bozen 0471 435001, Meran 0473 251000, Brixen 0472 813100, Bruneck 0474 586220.
Vielleicht stellt sich die Frage, was ein Notfall oder eine Krise ist. Die Antwort ist ganz einfach. Die Krise liegt dann vor, wenn ich sie empfinde.
Roger Pychaund Sabine Cagol
Im Namen von PSYHELP Covid 19

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