Dienstag, 07 August 2012 00:00

„I hoff, dass i di Ritterspiele nou durchziachn konn“

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Portrait – Egon Blaas Schluderns

s15-IMG_8397Egon tüftelt und bastelt am Karussell, der neuen Attraktion bei den Ritterspielen Ende August. Seit zwei Monaten verbringt er fast jede freie Minute im Stadel des ehemaligen Gemeinschaftsstalles in Schluderns, die als Werkstatt dient. Er arbeitet ehrenamtlich, weil er, wie viele andere vom „Ritterspiel-Virus“ infiziert ist. Dieses beflügelt ihn und drängt die Gedanken an die schlechter werdenden Werte der Spenderniere in seinem Körper in den Hintergrund. Vor acht Jahren war sie ihm eingepflanzt worden und hatte ihn von der Dialyse befreit.


Egon war 20 Jahre alt, arbeitete als Karosserieschlosser, war frisch verliebt in seine spätere Frau Susanne und eben Vater des Sohnes Andy geworden, als ihm Husten und Atemprobleme das Leben schwer machten. Erste Untersuchungen erbrachten nichts. Doch sein Zustand verschlimmerte sich. „Niamat hot si auskennt“, sagt er. Nach drei Monaten Krankenhausaufenthalt in Bozen und unzähligen Analysen stellten die Ärzte eine akute Blutarmut fest. „I hon lei mea drei Liter Bluat kopp“, sagt er. Eine Nierenbiopsie schaffte schließlich Klarheit. Das „Goodbuster Syndrom“ wurde diagnostiziert, eine äußerst seltene leukämieähnliche Blutkrankheit, die Organe angreift. Egon begann mit der aufwändigen Therapie und war zuversichtlich. Die Zuversicht schlug kurz darauf in tiefe Niedergeschlagenheit um, nachdem ein 22-jähriger Mann mit derselben Diagnose nach einmonatiger Therapie starb. „Deis isch a Schock gweesn“. Egon erholte sich erst nach und nach, auch weil er merkte, dass bei ihm die Therapie  gut anschlug. Sechzehn Jahre lang lebte er, abgesehen von erhöhtem Blutdruck und ständiger „Pillenschluckerei“ ohne größere Beschwerden. Er konnte sich über die Geburt der Tochter Kristin freuen, arbeitete in der ehemaligen „Korkett“ in Prad und später in der Firma HOPPE. Doch dann kehrte der Druck in der Brust zurück. „I hon oft noch Luft gschnoppat wia a Fisch in Trocknen“, beschreibt er. Seine Füße schwollen an. Sein damaliger Hausarzt verkannte die lebensbedrohliche Lage. Egons Nieren funktionierten nicht mehr. Nach einer Notaufnahme in der Ersten Hilfe Station in Schlanders landete er wieder im Bozner Krankenhaus. Dort konfrontierten ihn die Ärzte mit der Tatsache, dass seine Nieren nicht mehr zu retten waren. Spontan bot sich sein Sohn an, ihm eine Niere zu spenden, ein berührender Liebesbeweis, den Egon nicht annehmen konnte. Die Mediziner der Nierenabteilung sprachen ihm Mut zu. Egons Blut  wurde im April 2002 zum ersten Mal gewaschen. Der Lebensrhythmus veränderte sich. Dreimal wöchentlich war er für vier Stunden an den Geräten angeschlossen. Auch seine Essgewohnheiten musste er ändern und eine strenge Diät befolgen.  „Di Familie hot miar olm Rückholt geebm“, unterstreicht er. Er kam auf die Warteliste für eine Transplantation und hatte Glück. Im März 2004 erhielt er in Innsbruck eine neue Niere. Ein unbeschreibliches Glücksgefühl voller Dankbarkeit durchströmte ihn, als er spürte, dass sein Körper das neue Organ angenommen hatte. Sein Leben normalisierte sich, abgesehen von den 14 Tabletten, die er seither täglich schlucken muss und den regelmäßigen Kontrollen. Er fühlte sich gut, erhielt eine Teilzeitarbeit im Büro der Firma HOPPE. Ehrenamtlich brachte er sich in die Dorfgemeinschaft ein, als KVW-Vorsitzender, im Jugendhaus, beim Jugenddienst und im Verein Südtiroler Ritterspiele, dessen Vizepräsident er ist. Acht Jahre lang hat ihm die Niere Lebensqualität geschenkt, ein Jahr länger als die durchschnittliche Lebensdauer einer Spenderniere beträgt. „Im Moment geat’s miar guat. Wenn i obr di Werte siich, geht’s miar schlecht“, sagt Egon. Denn er weiß, dass sein Weg schon bald wieder zurück zur Dialyse führen könnte. Insgeheim hofft er: „Es kannt jo olz stean bleibm.“ Sorge bereitet ihm, dass die Wartezeit auf eine Niere derzeit sieben Jahre beträgt. Doch vorerst will er nicht daran denken. „I hoff, dass i di Ritterspiele nou durchziachn konn“, meint er. Denn er freut sich darauf, das Karussell selbst anzukurbeln.  

Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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