Dienstag, 16 Mai 2017 00:00

Mit dem Silbertablett vor der britischen Königin

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s17 6972„Als einfacher Schludernser Bub habe ich die Großen der Welt kennen gelernt.“ Das sagt Hermann Tonner, und es erfüllt ihn mit Stolz. Bei hochkarätigen Empfängen und Staatsbanketten bediente er als Kellner Staatsmänner, Königinnen, Könige, Diktatoren, seine Heiligkeit Papst Johannes Paul II...
- immer dezent, im Frack, mit Fliege, weißen Handschuhen und dem jeweiligen Protokoll verpflichtet.

von Magdalena Dietl Sapelza

Der britischen Königin Elisabeth II kam Hermann ganz nahe.

Er reichte ihr beim Staatsempfang der Deutschen Bundesregierung im „Schloss Augustusburg“ in Brühl das silberne Tablett mit dem Zanderfilet. Während sie die Portion schöpfte, blitzte in ihm  der Gedanke auf: „Wenn ich mir jetzt das Diadem schnappen würde, könnte ich als Schludernser Bub weltweit Schlagzeilen machen“. Es blieb natürlich nur beim Gedanken. Während der Tischrede von Leonid Breschnew stand Hermann mit der Schnapsflasche neben dem russischen Parteichef. Nach jedem Satz, den dieser mit „nastrovje“ abschloss, musste er das Glas neu füllen. Bundeskanzler Helmut Schmidt und Bundespräsident Walter Scheel hörte er dabei lästern. Der amerikanische Präsident Ronald Reagen fiel ihm nach einem Schwächeanfall direkt in die Arme. Und die schwangere schwedische Königin Silvia umsorgte er höchstpersönlich. Hermann war meist am Haupttisch im Einsatz. Als Lady Diana bei der Eröffnung der Kölner Philharmonie den Campari-Orange von seinem Tablett nahm, schmolz er förmlich dahin. „Dem Charles hätte ich am liebsten eine in den Hintern getreten, denn ich verstand nicht, dass er diese schöne Frau hintergeht“, sagt er. Hermann kann stundenlang erzählen. Die Geschichten sprudeln begeistert aus ihm heraus. Mit dem Kellnern begann er im „Grand Hotel“ in Sulden bereits während seiner Schulzeit, die er im Vinzentinum in Brixen und in der Handelsschule von Meran verbrachte. 1966 begann er im „Grand Hotel“ die Wintersaison. Kurz vor Weihnachten verließen er und der Oberkellner mit zwei deutschen Touristinnen das Hotel bei Nacht und Nebel in Richtung Köln. Aus der Liebelei wurde nichts, denn  die jungen Frauen waren bereits liiert. Eine andere „Liebschaft“, die er von Sulden aus kannte, vermittelte ihn daraufhin ins berühmte Restaurant „Kuckuck“ in Köln. Hermanns Können überzeugte. Er machte sich, wie es sich für einen „kölschen Junge“ gehört, sofort auch beim Karneval nützlich. Dann erreichte ihn ein Brief. Seinem Vater ging es schlecht, und Hermann kehrte heim. Die Chefin vom Suldner Hotel erfuhr davon und holte ihn erneut zu sich. „Sie hat mir die einstige Flucht verziehen“, sagt er. Nach dem Tode seines Vaters erreicht ihn ein Telegramm, das ihm eine Stelle im „Wiesel“ in Köln beim berühmten Gastronomen Herbert Blatzheim anbot. Hermann ließ sich nicht zweimal bitten. Blatzheim war der Mann von Magda Schneider und der Stiefvater von Romy Schneider. Beide Schauspielerinnen gingen regelmäßig im Lokal ein und aus. „Sie haben viel Champagner getrunken“, erinnert er sich. Privat fühlte er sich  zur Feinkostverkäuferin Jenny hingezogen. Er heiratet sie und wurde Vater zweier Söhne. Einer geregelten Arbeitszeit wegen trat er 1969 die Stelle im Büro des Autoherstellers FORD an. Dort blieb er bis zur Pensionierung 2003. Sein Ruf als guter Kellner öffnete ihm neben seinem Job im Autohaus die Möglichkeit, als Aushilfskellner für die „Steinberger Kette“ tätig zu sein, die hochkarätige Empfänge in ganz Deutschland ausrichtete. Hermann holte sich die höchsten Akkreditierungen. Der FORD-Chef genehmigte den Nebenjob und war sogar stolz, einen  Mitarbeiter zu haben, der in den höchsten Kreisen verkehrte. Zu den Staatsempfängen gesellten sich rauschende Feste für „Party Käfer“, für Gunther Sachs und Michael Schuhmacher. Es war eine bewegende Zeit.
Die peinlichste Situation erlebte Hermann, als der brennende Spiritus das weiße Nerzjäckchen einer Dame in Brand setzte. Als lustigste Episode beschreibt er die Ohrfeige einer Dame, nachdem das von ihm mit Schwung servierten Eis in ihrem Dekoltee gelandet war. Eine schwere Zeit durchlebte Hermann nach dem Scheitern seiner Ehe. Allein umsorgte er seine Söhnen. Nach 10-jährigem Single-Dasein trat 2001 Bruni in sein Leben. Er heiratete sie 2003. Zu seinen Verwandten und Freunden im Heimatort pflegte Hermann stets gute Kontakte. 2005 übersiedelte er mit Bruni nach Schluderns, wo er sich sofort in die Dorfgemeinschaft einlebte, so auch als Mitglied im Männerchor, für den er Besuche in Köln organisierte. Immer wenn er heute die einstigen Staatsgäste im Fernseher sieht, schwelgt er in Erinnerungen.

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