Montag, 01 Februar 2016 09:26

„Iaz leig i miar bessere Hosn oun unt gea in Dorf.“

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s17 9113Luis bezeichnet sich als „Kind armer Leute“. Mit viel Fleiß baute er sich als Maurer eine Existenz auf. Neben der Fürsorge für seine Familie galt sein Einsatz über 50 Jahre lang der Bürgerkapelle Schlanders. Heute genießt er das Kartenspiel und das „Hoangortn“- mit Humor und einer kleinen Portion Schalk im Nacken.

von Magdalena Dietl Sapelza

Geschichten aus seiner kargen Kindheit weiß Luis einige zu erzählen. Er war der Älteste von acht Kindern. Nach der Geburt seines jüngsten Bruders kam der Pfarrer zu Besuch.

Die Kinder mussten sich eng an die Wand drücken, damit der füllige Herr an ihnen vorbei zur Mutter in die Stube gelangen konnte. So eng war der Flur. Die Augen leuchteten, als der Pfarrer einen Geldschein aus der Brieftasche zog. „Di Muatr hot norr kennt a Kilo Butter kafn“ sagt Luis. Die Familie litt nicht nur unter der beklemmenden Enge der Mietwohnung, sondern auch an Hunger. „Deis isch a orme Zeit gweesn“, betont er. Was der Vater als Tagelöhner verdiente, reichte kaum, um die Mäuler zu stopfen. Ein wenig Getreide und Kartoffeln lieferte ein Pachtgut. „A kloans Gritzl“, so beschreibt es Luis. Beim Pflügen habe ihn die Mutter als Baby oft im Umhängetuch stundenlang mitgetragen bis sie  „a bissl Wossr gespürt hot“ und ihn dann wickeln musste. Oft wurde Luis mit den Lebensmittel-Marken zum Einkaufen geschickt. Einmal verlor er die Marken. Das war für ihn eine Katastrophe. Bitterlich weinend lief er zum zuständigen Beamten. Dieser hatte Erbarmen und gab ihm neue. „Selm hon i a morts Freid kopp“, erzählt er. Zwei Jahre lang besuchte Luis die italienische Schule. Deutsch lernte er heimlich bei einer Katakomben-Lehrerin. Der verbotene Unterricht wurde entdeckt. „Di Schwarzkappler hoobm die Lehrerin pockt unt mitgnummen“, erzählt er. „Si isch norr oanfoch verschwundn.“ Mit dem Einmarsch der Deutschen 1943 wurde der Deutsch-Unterricht wieder eingeführt. Luis hatte einen schweren Stand in der Klasse, weil seine Eltern nicht für Hitler optiert hatten. Besser ging es ihm in den Ferien. Diese verbrachte er als Hütbub bei Bauern. Dort gab es meist genug zu essen. Die paar Lire Lohn gab er daheim ab.
Dass er eine Lehre als Maurer in Meran beginnen und die Berufsschule besuchen konnte, bezeichnet er als großes Glück. Und überglücklich war er, als er in die Schlanderser Bürgerkapelle aufgenommen wurde. Er übte fleißig. Mit seiner Vespa, die er sich mit dem ersten ersparten Geld gekauft hatte, fuhr er sogar von der Baustelle am Stilfserjoch  zur Musikprobe nach Schlanders. Über 50 Jahre lang war Luis aktives Mitglied der Kapelle, als Posaunist und Tuba-Bläser.  Mit der „Groß-Gold“-Auszeichnung wurde ihm dafür gedankt.  
Während seiner Militärzeit  1953/54 in Sterzing und Bruneck marschierte Luis in der Militär-Kapelle bei so mancher „sfilata“ mit. „Olm wenn hoache Göggl kemman sein“, scherzt er. Ein delikater Militäreinsatz rief ihn nach Udine. Damals tobte der Streit um Istrien. Es schien so brenzlig, dass er und seine Kameraden überlegten, nach Österreich zu fliehen, sollte es zum Kampf kommen. Es blieb zum Glück ruhig. „Wenn miar dessertiert warn, hattn miar vielleicht bis heint nimmr hoam terft“, sagt er. Luis beendete den Dienst regulär und fand kurz darauf eine Anstellung bei einer Schlanderser Maurerfirma.
Beim „Matscher“ arbeitete zu dieser Zeit die junge Verkäuferin Antonia Stricker aus Martell. Luis ging oft einkaufen, um sie zu treffen. 1963 führte er sie zum Traualtar. Die kurze Hochzeitsreise führte das Paar mit der Vespa in die Schweiz. Drei Kinder krönten das Eheglück. Von wechselnden Mietwohnungen schaffte es die Familie in eine Eigentumswohnung. 25 Jahre arbeitete Luis als Arbeitnehmer. Das lobende Arbeitszeugnis, das er in seiner Brieftasche mit sich trägt, hat er in Ehren.
1970 gründete Luis mit zwei Brüdern die eigene Baufirma. Viele Bauten im Vinschgau tragen die Handschrift der „Firma Pircher“. Luis hatte eine Vorliebe für Altbausanierungen.
Auch nach seiner Pensionierung half er in der Baufirma mit, bis zu seinem 70. Geburtstag. Da sagte er: „Sou, iaz loss i Feirobat. Iaz leig i miar bessre Hosn oun unt gea in Dorf.“ Bis heute behält er das so bei. Er pflegt nur noch seine Reben im „Raut“, damit er den Freunden einen guten Tropfen Eigenbau einschenken kann. „Lei weart dr Wein olm zeitig fertig“, lacht er.

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