Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Sophie, 15. Mai 2011. Meiner Nichte in Brüssel zum Namenstag.
Korn und Vinschgau waren Synonyme
Der Vinschgau ist ein inneralpines Trockental mit geringen Jahresniederschlägen, welche jenen eines Steppenklimas entsprechen. Der großflächige Anbau von trockenresistentem Roggen in früheren Zeiten hat unserem Tal das Attribut „Kornkammer Tirols“ eingebracht. Die Malser Mundartdichterin Wilhelmine Habicher hat für das vormals abwechslungsreiche Landschaftbild im Vinschgau in einem ihrer Büchlein den liebevollen Ausdruck „Fleckenteppich“ geprägt. Die-se Beschreibung war aus zwei Gründen besonders zutreffend. Erstens wegen des farblichen Wechsels von grünen Mähwiesen zum Gelb der reifen Getreidefelder. Und zweitens wegen der kleinflächigen und unregelmäßig geformten Grundparzellen als Folge der Realteilung aus dem alemannischen Erbrecht.
Bis auf einzelne Restflächen am Allitzer Sonnenberg und in der Vinschgauer Talsohle zwischen Prad und Mals haben wir in den letzten Jahrzehnten den Getreideanbau im Vinschgau leider fast völlig verloren. Erst in den unmittelbar letzten Jahren gibt es erfreulicherweise eine Rückbesinnung auf den Roggenanbau und dessen Veredelung zu Brot in kurzen Kreisläufen. Im Obervinschgau denkt man über eine differenzierte Nutzung der landwirtschaftlichen Kulturflächen durch Getreideanbau in verträglicher Kombination mit der Viehwirtschaft als Alternative zum Apfelanbau nach.
Kulturpflanzen in culturamartell
Im Nationalparkhaus culturamartell widmen wir im heurigen Sommer den alten, bergtüchtigen Kulturpflanzen eine Wechselausstellung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Getreidearten Roggen, Weizen und Gerste. Finail im Schnalstal und Stallwies in Martell werden in der landeskundlichen Literatur als die höchstgelegenen Kornhöfe des historischen Tirol zitiert.
Die Eröffnung der Ausstellung im Nationalparkhaus culturamartell findet am Dienstag, 24. Mai d.J. um 19.00 Uhr statt. Nicht zufällig. Dieser Tag ist europaweit der Tag der Nationalparke. Die bergbäuerliche Kulturlandschaft ist ein wertvolles und erhaltenswertes Element des Nationalparks Stilfserjoch.
Nutzpflanzen
Das vergangene Jahr 2010 war von den Vereinten Nationen als internationales Jahr der Biodiversität ausgerufen worden. Das Referat für Umweltbildung des Nationalparks Hohe Tauern hatte im April 2010 zu diesem Anlass im Nationalparkzentrum Bios im kärntnerischen Mallnitz ein Seminar zum Thema „Vielfalt des Lebens –Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität“ veranstaltet. Eine der Referentinnen war dabei Dr. Maria Tiefenbach vom österreichischen Umweltbundesamt. Frau Tiefenbach hat im Rahmen ihres Vortrages interessanten Zahlen zu den Nutzpflanzen genannt:
• Rund 75.000 Pflanzenarten gelten als essbar,
• rund 7.000 Arten werden verwendet,
• rund 150 Pflanzenarten machen 90 % der menschlichen Ernährung aus,
• allein die drei Arten von Nutzpflanzen Weizen, Mais und Reis bilden 50 % der Ernährung des Menschen,
• viele Kulturpflanzen sind gefährdet oder ausgestorben,
• eine Viruskrankheit vernichtete um 1975 ¼ der asiatischen Reisproduktion. In der Folge wurde eine virusresistente Wildsorte von Reis gefunden.
Eine Ausstellung zu Ehren der bergtüchtigen Kulturpflanzen
Die Wechselausstellung im Nationalparkhaus culturamartell ist eine Leihgabe der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg. Wir danken der Landwirtschaftschule in Burgeis für die Überlassung der Ausstellung ebenso wie der Abteilung Land-, Forst- und Hauswirtschaftliche Berufsbildung der Südtiroler Landesverwaltung. Das Ausstellungskonzept stammt von Peer Schilperoord für den Bereich Bergackerbau und Getreide und von Andrea Heistinger für den Bereich Gärten und Gemüse. Die Ausstellung wurde in der Schweiz konzipiert und durch verschiedene Organisationen des dortigen Bauernverbandes, des Heimatschutzes, der Kultur und des Umweltschutzes, Stiftungen und dem Verband der Schweizer Raiffeisenbanken gesponsert und aus Mitteln der EU-Programme Interreg II und III bezuschusst.
Ein erster Teil der Ausstellung stellt den Bergackerbau mit dem Anbau der Getreidearten Roggen, Weizen und Gerste vor. Der Bergackerbau war und ist eine kulturelle Leistung erster Güte. Und Getreidefelder beleben die Landschaft.
Ein zweiter Teil der Ausstellung ist den wandelbaren Gärten gewidmet. Die üppigen Hausgärten sind erst in jüngster Zeit entstanden. Ursprünglich war der Hausgarten am Bauernhof im Berggebiet ein kleiner Kräutergarten. Das Gemüse wurde auf dem Acker in der Feldflur angebaut. In der Marteller Ausstellung werden alte Kultur- und Nutzpflanzen wie etwa Schnittlauch und Salat, Krapfen-Mohn, Kraut und Rüben als Wintergemüse, der Altreier Kaffee als Lupine ebenso vorgestellt wie Lein und Hanf als kraftvolle Fasern oder Stangen- und Feuerbohnen oder „Gersterbsen“ als Mischkultur von Palerbsen und Gerste.
In Deutschland sind schon ganze Landstriche Bienen leer geworden. Zum Nutzen der Honigbiene und der Insekten als Bestäuber seien nur einige wenige Zusammenhänge verdeutlicht. Beim Einsatz von Chemie zur Schädlingsbekämpfung dürfen wir im Eigeninteresse und in einer längerfristigen Überlegung auf die Nützlingsförderung nicht vergessen. Bienen und Imker sind unverzichtbare Partner im Netzwerk Natur.
• 75 % der weltweit wichtigen Kulturpflanzen sind von der Bestäubung der Insekten abhängig;
• Insekten bestäuben vor allem auch hochwertige und vitaminreiche Pflanzen wie Früchte und Gemüse, Ölfrüchte, Nüsse, Kakao, Kaffee u.a.
• Nutzinsekten dienen der biologischen Schädlingsbekämpfung.
Öffnungszeiten culturamartell
Das Nationalparkhaus culturamartell hält von Dienstag bis Freitag vormittags in der Zeit von 09.00 bis 12.00 Uhr und nachmittags von 14.30 bis 18.00 Uhr für die Besucher geöffnet. Am Samstag und Sonntag kann das Haus nachmittags in der Zeit von 14.30 bis 18.00 Uhr besichtigt werden. Montag ist Ruhetag. Die Ausstellung zu den bergtüchtigen Kulturpflanzen ist vom 25. Mai bis 30. Oktober 2011 zu sehen.
Unsere Mitarbeiterin Erika Eberhöfer gibt Ihnen gerne Auskünfte zum Martelltal, zum Nationalpark, zu seinen Wanderangeboten und Führungen und zu den touristischen Angeboten in Martell während der Sommermonate der anstehenden Wandersaison.