Da es keine alten, schriftlichen Dokumente über das „Klosn“ gibt, ist es nicht möglich klare Datierungen festzulegen. Mit großer Sicherheit war der Brauch in der Zeit der Raunächte angesiedelt, die zwischen dem 21.Dezember und dem 6.Jänner zelebriert wurden. In Folge der Christianisierung wurde dem hl. Nikolaus und seinem Gefolge, dem „Tuifl“ und den „Weißen“ Raum gegeben und damit der Brauch zeitlich vorverlegt. Dieses Ritual wurde von Generation zu Generation mündlich überliefert und es ist erstaunlich, mit welcher Kraft sich der Brauch über diesen langen Zeitraum am Leben hält. Das „Klosn“ ist ein urtümlicher Brauch, tief verwurzelt in einer Dorfgemeinschaft, der auch mit dem Wandel der Zeit seine Veränderungen durchlaufen hat.
Im „Klosn“ stecken sehr viele Elemente, die das Leben symbolisch widerspiegeln und in diesem Schauspiel dargeboten werden. Wie in einem Theaterstück gibt es klare Rollen, Szenen, einen Ablauf und Struktur. Zwischen Beteiligten und Zuschauern entsteht Interaktion und somit wiederum aufs Neue: Gemeinschaft.
Grundlegendes Element des „Klosn`s“ ist das Männliche. Nur „junge Männer“ bringen das Schauspiel dar und bereiten sich schon Wochen zuvor auf diesen Tag vor. Jedes Jahr übernehmen die Burschen eines Jahrganges die Hauptorganisation. Es hat sich eingependelt, dass dies die 20-Jährigen sind. Sie übernehmen die Verantwortung, dass alle Rollen besetzt sind, dass die Jüngeren eingewiesen und in den Brauch eingeführt werden. Das „Oklosn“ spielt hier eine wichtige Rolle, denn nur wer das Aufnahmeritual des „Oklosns“ durchlaufen ist, darf am Umzug teilnehmen.
…zu den Rollen
Die Gruppe der „Esel“: Sie spiegeln die Freude, die Leichtigkeit, das Helle, die Freiheit, das Tänzelnde und Musikalische wider. Ihr Gewand besteht aus bunten Stofffetzen und mit ihren „Schellen“ bringen sie Rhythmus und Bewegung mit. Unter ihnen wird ein
„Erster Esel“ ernannt, ihn erkennt man an der Blume auf seiner „Lorv“. Diese „Lorv“ lässt sie unerkannt bleiben und eröffnet einen Raum, in dem mehr möglich ist als im Alltag. Sie zwicken die BesucherInnen und auf diese Art wurde schon so manches Mädchen umworben.
Die Gruppe der „Klaubauf“: Sie sind die trägen, behäbigen Figuren in diesem Spiel. Dunkle, bunte, lange Fetzen zieren ihre Roben. Selbstgeschnitzte, fantastische „Holzlorfn“ symbolisieren das dämonisch Fins-tere dieser Jahreszeit. Ausgerüstet mit einer langen Kette, fangen sie BesucherInnen ein und wirbeln sie herum („s‘ ummerlossn“). Passend zum finsteren Erscheinen, schimpft er mit den Menschen, darf ihn alles sagen, ohne sich ein Blatt vor dem Mund zu nehmen. Sie sind der Gegenpol zu den „Eseln“ und drücken die Ambivalenz des Brauches aus, hell – dunkel, träge – tänzelnd, Schellen – Grölen.
Der „Scharsch“: Er ist eine besondere Figur, er überwacht den Lauf. Er sieht zu, dass keiner aus der Reihe tanzt, zu grob wird oder zurückbleibt. Ihm müssen „Esel“ und
„Klaubauf“ Gehorsam erweisen, er sorgt für Ordnung im Chaos.
Der Nikolaus und seine „Weißen“ und die „Tuifl“: Der Nikolaus beschenkt die Kinder mit Nüssen und kleinen Süßigkeiten. Sein Gefolge sind die „Weißen“. Die zwei bis drei „Tuifl“ beim „Klosn“ haben eine eigene Rolle, leicht gekleidet, ohne Schellen, laufen sie schnell durch die Gassen und mit langen Ruten vertreiben sie die Zuschauer.
Der Ablauf des Umzuges
Roland Angerer erklärt, dass sich der Ablauf in den vergangenen Jahrzehnten etwas verändert hat. In Gesprächen mit bereits verstorbenen Zeitzeugen hat er erfahren, dass in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts der Umzug im Osten begonnen wurde. „S`Egg“ war damals der Versammlungsort. Man zog mit dem Sonnenverlauf durch das Dorf, was wiederum Raum für Interpretationen gibt. Die Sonne, welche im Osten aufgeht und im Westen untergeht, sie spendet Kraft und steht für Fruchtbarkeit. Heute beginnt der Nachmittagsumzug um 14 Uhr auf einem Hügel im Westen des Dorfes, auf „Gaschitsch“. Es ist eine gut sichtbare Anhöhe, von dort aus der „Erste Esel“ den Umzug einläutet, indem er drei Mal über „Gaschitsch“ läuft. Auf diese Weise lädt er den Nikolaus ein. Gemeinsam ziehen sie dann zur Schiedbrücke, wo sie sich mit der Gruppe der „Klaubauf“ vereinen. Nun wird durch die Gassen von Stilfs gezogen, bis hin zum Kirchenplatz. Dort endet gegen 15.30 Uhr dieser erste Umzug und das erste freie Treiben beginnt. Um 17.00 Uhr finden sich dort alle wieder zum Angelus Gebet ein. „Esel“ sowie „Klaubauf“ legen ihre „Lorfn“ vor dem hl. Nikolaus ab, der seine Ansprache hält, das Angelus Gebet und das „Vaterunser“ spricht. Danach entlässt er alle mit seinem Segen. Ein wichtiger, bleibender Moment ist nun das gemeinsame Schellen der „Esel“. Sie finden ihren Rhythmus und das Schellen hallt durch das Tal. Roland Angerer beschreibt es als eine Art Trance, der Lärm, der gemeinsame Rhythmus, die Gemeinschaft sind überwältigend und der Klang bleibt noch lange in den Ohren. Von da an bis 20 Uhr beginnt ein weiteres offenes Treiben. In diesen Stunden werden Stuben der Nachbarn gestürmt, Mädchen und Frauen werden gern erschreckt und „überfallen“. Um 20 Uhr beginnt der Nachtumzug, dieses Mal auf „Karmatsch“, im Osten des Dorfes. Noch einmal wird durch das Dorf gezogen und die letzten Schellen und grölenden Rufe schließen den Umzug ab. Mit einem gemeinsamen Fest klingt dieser Tag aus. Früher ging man ins Wirtshaus, jetzt trifft man sich im Kulturhaus, wo bis in die späten Stunden in der „Kloserbar“ gefeiert wird.
Infos zum Thema:
• 4. Dezember auf Rai Sender Bozen: „Gelebtes Brauchtum“ um 20.20 Uhr
• Dorfchronik von Heinrich Waschgler und Joseph Pardeller
• Dorfbuch „Stilfs- Geschichte eines Bergdorfes“ von Gerd Klaus Pinggera
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