Im Calvenwald hielt sie jedes Mal an und servierte den Kleinen die Suppe. „Dass si afn Houf nit asou an Hunger hoobm“, meint sie. Sie war dort mit neun Geschwistern aufgewachsen und wusste, wie schwer der Kampf ums tägliche Brot war. Die zwölfköpfige „Gschlössler“- Familie erwirtschaftete fast alles selbst, was sie zum Leben brauchte. Tresl half von klein auf mit, ob im Stall, oder beim Heutragen in den steilen Wiesen. Sie war ein kränkliches Kind. Eine Diphterie-Erkrankung überlebte sie nur knapp. Die Atembeschwerden - speziell in Höhenlagen - sind geblieben. Der Schulweg war vor allem im Winter beschwerlich. Die Zehen fühlten sich in den ausgetretenen Schuhen an wie Eiszapfen. Von neuen Schuhen konnte Tresl nur träumen. „I honn olm gmiaßt di Oltn auftrogn“, erklärt sie. In der Kirche stampfte sie sich regelmäßig warm, was ihr böse Blicke einbrachte. Stolz war sie, als sie im Sommer ihr „Diandl“ ausführen konnte. „Di Muatr hott ins scheane Diandlan gmocht“, schwärmt sie. Wanderhändler schenkten der Mutter oft bunte Stoffe, als Dank für Essen und Übernachtung. Tresls Bezugsperson war ihre ältere Schwester Filomena. Als diese mit 20 Jahren an Tuberkulose starb, brach für Tresl eine Welt zusammen. Es blieb kaum Zeit zum Trauern. Ihre erste Arbeitsstelle war ein Hof in Prad. Für den Lohn von sechs „Mutt“ Korn und einer Schürze mühte sie sich einen Sommer lang ab. Ihr Wunsch war es, Köchin zu werden. Diesem Wunsch kam sie in einer Hotelküche in Meran schließlich näher. „Selm bin i glücklich gweesn“, sagt sie. Und glücklich war sie auch, als sie Josef Ritsch bei der Hochzeit ihrer Schwester Hilda in Reschen kennenlernte. Beide verliebten sich. Seine Familie war bei der Seestauung von Graun abgewandert und hatte einen Hof in Aufhofen bei Bruneck erworben. Nach der Hochzeit 1955 folgte Tresl ihrem Pepi ins Pustertal und half auf dem Hof mit. Nach dem Tod der Schwiegermutter verkauften die Erben den Besitz und teilten den Erlös. Pepi und Tresl erwarben ein altes Bahnwärterhaus in Kaltern, das sie nach und nach sanierten. Das Überetscher Klima tat ihr gut, doch die neue Heimat war ihr fremd. „Miar sain nit willkommen geweesn“, meint sie. Erst die Kinder brachten Heimatgefühl ins Haus. Pepi arbeitete in den „Lancia-Werken“ in Bozen und fuhr schon bald mit dem Fiat 500 dorthin. „Er isch oanzigr Teitscher gweesn unt hotts nit leicht kopp“, erinnert sich Tresl. Zur „Befana“ zeigten die Arbeitskollegen jedoch Herz und überraschten die Kinder mit Geschenken. Tresl erwarb den Führerschein und sie nutzte das Auto. Denn ihr Mann hatte mittlerweile in der Kellerei vor der Haustür eine Arbeit gefunden. Aus Krankheitsgründen musste er diese jedoch aufgeben. Tresl vermietete Gästezimmer, um über die Runden zu kommen. Liebevoll umsorgte sie ihren Mann, kochte ihm wohltuende Kräutertees und unterstützte ihn bei seinem Hobby, der Imkerei. Sein Tod 1989 riss eine schmerzliche Lücke in ihr Leben. In seinem Sinne führte sie die Imkerei weiter. Mehreren Honig-Auszeichnungen belohnten ihren Fleiß. Auszeichnungen erhielt sie auch für ihre schönen Geranien. „Baien unt Bluaman gspiirn, dass ma si mog“, erklärt sie. Größten Wert legte Tresl stets auf ein gepflegtes Aussehen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Ein Frisör-Termin steht wöchentlich an. Ansonsten lebt sie zurückgezogen, in sich gekehrt, mit ihrem treuen Hund Miro und fürsorglich betreut von ihren Kindern.
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