Er ist Maler, Zeichner, Karikaturist, er schreibt Kurzgeschichten, Theaterstücke, Satiren und Aphorismen und hat die rätoromanische Kulturzeitschrift „Il Chardun“ (Die Distel) herausgegeben. Vor allem aber ist er Romane, einer, der mit großer Sorge für den Erhalt des Rätoromanischen kämpft, die Sprache seines Herzens. Dabei ist er mit seinen 82 Jahren immer ein offener und neugieriger Mensch geblieben, mit einem weiten Horizont und einer großen Bildung. Die Schweiz macht Reklame mit den vier Sprachen, aber nur 0,6% der Schweizer sprechen rätoromanisch, laut Volkszählung sind es 36.000 Personen. Das Rätoromanische ist im Rückgang begriffen. In den Stammländern wird rätoromanisch gesprochen, aber es gibt Sprachinseln. Die Rätoromanen sind ein gebeuteltes Volk, durch den Tourismus kolonialisiert und germanisiert, meint Guidon. Die Jugend wandert ab. Der Tourismus ist die wichtigste Wirtschaftssäule. Das Rätoromanische wird nur erhalten, solange man davon profitiert. Dabei gibt es nicht nur eine Sprache, sondern 5 Idiome, d.h. 5 rätoromanische Dialekte und 5 Schriftsprachen. Bis zur dritten Klasse wird in rätoromanisch unterrichtet, aber die Schulbücher müssen in 5 verschiedenen Schriftsprachen gedruckt werden. Das ist kompliziert und teuer. Heinrich Schmid, ein Sprachwissenschaftler aus Zürich hat 1982 eine rätoromanische Einheitssprache, das Rumansch Grischun vorgelegt. Vom Großen Rat, dem Parlament von Graubünden wurde diese einheitliche Schriftsprache als Amtssprache eingeführt. Guidon ist ein großer Befürworter des Rumantsch Grischun. Er sagt, sie ist genial gemacht, alle verstehen sie, aber ein großer Teil der Bevölkerung will sie nicht. Es ist eine Kunstsprache, von oben aufgezwungen und das funktioniert nicht. Die gemeinsame Schriftsprache könnte das Zusammengehörigkeitsgefühl festigen und so die Sprache stärken. Guidon ist außerdem ein Kritiker, ein Aktivist, ein Warner, einer der protestiert. Er kämpft gegen Bodenspekulation und Immobilienhandel, gegen den Ausverkauf und die Zerstörung der Heimat. Er wurde von den Tourismustreibenden angegriffen und hat gelitten, aber er ist stark geblieben. Ich sitze ihm gegenüber in seinem Haus, etwas oberhalb von Zernez. Hinter der Kirche, einer Straße entlang, etwas abseits steht es. Er erzählt mit großer Begeisterung, ruhig und konzentriert. Ich habe nicht das Gefühl, dass er sich als Verlierer sieht und seine Kämpfe aufgegeben hat. Wahrscheinlich ist sein Haus so, wie er selbst. Etwas abseits vom großen Geschehen, um einen besseren Überblick zu haben und mit der Kritik von außen ins Zentrum zu wirken. In seinem Haus hat er einen Raum zum Schreiben und zwei Ateliers. Ein kleines Atelier, das er im Winter heizen kann und ein großes, wo er im Sommer arbeitet. Er ist jetzt dabei seine vielen Karikaturen zu sammeln, um ein neues Buch herauszugeben. Seine Bilder bezeichnet er als ungegenständliche Kunst, ein Zusammenspiel von Farben und Formen. Es sind kräftige Bilder. Bei manchen überwiegt das Blau, bei anderen das Rot. Und dann drängt sich immer ein kräftiges Gelb oder Rot, ein grauer Strich oder ein schwarzer Fleck dazwischen, das dem Bild eine Dynamik gibt. Jacques Guidon ist Autodidakt, er hat einige Malkurse besucht, aber vor allem malt er mit dicken Pinseln und im Dialog mit dem Bild. Eigentlich hätte er Pfarrer werden sollen, weil viele aus seiner Familie Pfarrherren waren. Der missionarische Eifer und der Sinn für das Wesentliche sind ihm geblieben.