Christoph Hoppe: Das klingt mir sehr stark nach meinem Vater.
Würden Sie diese Aussagen unterstreichen?
Ja, vollumfänglich.
Das war tatsächlich Ihr Vater Friedrich Hoppe anlässlich der 1. Churburger Wirtschaftsgespräche 1986. Die Schließung des HOPPE-Werkes in St. Martin in Passeier sagt uns, dass sich an den Wertvorstellungen einiges verschoben hat. Sind die Werke in Schluderns und Laas vor einer möglichen Schließung sicher?
Es ist ganz, ganz schwer heute etwas sicher zu behaupten. Gerade in der Industrie und in der sehr schwierigen wirtschaftlichen Lage. Man muss das etwas umfassender beschreiben. Sie haben gesagt, die Wertvorstellungen hätten sich hier geändert. Das ist falsch. Ich möchte Ihnen erklären, wie wir dazu kamen. Seit gut fünf Jahren sind wir daran, unsere gesamte Strategie zu überprüfen. Dabei ging es nicht darum, auf Gedeih und Verderb irgendetwas Neues zu machen, sondern wir wollten, solange wir dazu stark genug sind, unsere Strategie auf den Prüfstand stellen. Im Rahmen dieser gesamten Untersuchung, dieser Analysen, die übrigens sehr tiefgründig ausgeführt worden sind, haben wir festgestellt, dass wir sieben Standorte so nicht erhalten können. Und deswegen mussten wir einen Standort schließen. Nicht weil sich irgendwelche Werte geändert hätten.
Welchen Auslöser hat es gegeben, eine solche Analyse zu machen?
Das ist einfach Unternehmertum. Man muss sehen, wie man mit der Zukunft umgehen will, solange man noch manövrierfähig ist. Wenn man McKinsey im Haus hat oder die Banken diktieren, was zu tun ist, ist es zu spät. Deswegen haben wir die Analyse frühzeitig eingeleitet.
Im Umkehrschluss: Mit der Schließung des Werkes in St. Martin ist die HOPPE wieder manövrierfähig.
Nein, das hieße ja, wir wären nicht manövrierfähig gewesen. Wir sind manövrierfähig, deshalb können wir das möglichst sozialverträglich für die Mitarbeiter gestalten, mit einem Sonderbonus. Wir sind danach noch manövrierfähiger und überlebensfähiger. In der Baubeschlagbranche hat sich alles geändert. Früher, als mein Vater das eingangs zitierte Zitat brachte, gab es ein paar italienische Hersteller, es gab ein paar portugiesische Hersteller, es gab den einen oder anderen Spanier, vielleicht noch einen Franzosen und ein paar deutsche Hersteller. Das war sehr überschaubar. Man kannte seine Konkurrenz, man hat im Prinzip mit den gleichen Waffen gekämpft. Inzwischen hat sich das komplett geändert. Die Konkurrenz kommt ganz stark aus dem Osten, aus Polen, aus der Türkei, aus China sowieso und inzwischen sogar, weil China zu teuer in den Lohnkosten geworden ist, aus Vietnam. Wenn sich draußen alles ändert, kann man nicht erwarten dass im Betrieb drinnen alles gleich bleibt. Deshalb haben wir uns der Analyse unterzogen und dabei sind Dinge herausgekommen, die sehr schmerzhaft, aber unumgänglich waren.
Wer hat diese Analysen gemacht?
Wir haben die gemacht, unter Anleitung eines Unternehmensberaters. Aber es sind unsere Analysen, unsere Werte, es sind unsere Folgerungen und unsere Entscheidungen.
Das Werk in Crottendorf wird, nach der Schließung von St. Martin, das Montage-Logistik-Zentrum der HOPPE-Gruppe und das Werk in Chomutov übernimmt die Fertigung der Messingbeschläge. Ist das Werk in St. Martin den niedrigeren Arbeitskosten in Tschechien zum Opfer gefallen?
Nein. In dieser Analyse hat sich ergeben, dass wir 97 unterschiedliche Fertigungslinien, sozusagen Prozesse, haben. Wir haben versucht, in einer „Idealen Fabrik“
diese Fertigungslinien anzuordnen und dann auf unsere 7 Standorte aufzuteilen. Das hat nicht funktioniert. Wir hatten verschiedenste Szenarien mit 7 Standorten, aber nirgendwo konnten wir die Prozesse sinnvoll aufteilen, so dass alle 7 Standorte genug zu tun hatten. Deswegen mussten wir die Entscheidung treffen, ob wir 7 Standorte mit hohem finanziellen Aufwand aufrecht erhalten und unter Umständen sehr langfristig die gesamte Gruppe gefährden. Oder wir sagen, so schmerzlich es ist, wir schließen einen Produktionsstandort, um eine zukunftsfähige Struktur in der die Prozesse optimal zusammengefasst werden können, für die Zukunft zu haben.
Sie nannten das „Fitnessprogramm“. Wie ist der Zusammenhang zwischen interner Restrukturierung und dem Weltmarkt?
Es war ein Gesamt-Fitnessprogramm. Die Produktion ist nur ein Teilprojekt. Daneben gibt es Markterweiterungsprojekte. Wir haben zum Beispiel in Shanghai eine Vertriebsgesellschaft mit Lager gegründet, um dort wesentlich aktiver zu werden. Wir haben neue Produkte im Aluminiumbereich eingeführt, die am Markt sehr erfolgreich sind.
Sie gehen mit Ihrer Fertigung und mit Ihrem Lager dorthin, wo die Konkurrenz aktiv ist?
Nein. Wir sind ein in Europa produzierendes Unternehmen. Mit einer Vertriebsgesellschaft sind wir vor Ort. Das machen wir in England schon seit den 80er Jahren so.
Am vorvergangenen Samstag haben Sie die Belegschaft der Werke in Südtirol in Mals über eine umfassende Umstrukturierung informiert. Was haben Sie den Leuten gesagt?
Am 8. November wurde in einer Betriebsversammlung die Werkschließung bekannt gegeben. Bei dieser kurzen Versammlung war natürlich der Schock sehr stark und man konnte nicht alle notwendigen Informationen an der Stelle vermitteln. Fehlende Information erzeugt Unsicherheit, natürlich auch die Frage, was passiert mit anderen Standorten. Da gab es jede Menge Informationsrunden in den Betrieben. Wir haben den Mitarbeitern erklärt, warum die Schließung eines Werkes notwendig war und warum das das Werk St. Martin sein musste.
Hat es da eine Diskussion gegeben?
Nein.
Was haben Sie für ein Gefühl, wie die Leute an den Standorten in Schluderns und in Laas die Nachricht über die Schließung aufgenommen haben?
Am Anfang, ohne Frage, sehr geschockt. Ich glaube aber, dass inzwischen die Notwendigkeit eingesehen worden ist. Der Standort St. Martin ist ja nicht durch Zufall ermittelt worden. Das eine ist, wir wollten Werke, die eine besondere Kompetenz haben, stärken. Zum anderen wollten wir Volumina zusammenführen. Und das Dritte war, dass wir versucht haben, einen Prozess nur noch einmal in der HOPPE-Gruppe zu machen. Wir haben uns die Standorte angeschaut und haben überlegt, wo schaffen wir eine Schließung mit möglichst wenig Verlust an Professionalität, an Wissen, an Kompetenzen. Da waren die deutschen Standorte unter der Lupe. Die sind sehr stark spezialisiert. Da waren die Südstandorte unter der Lupe und natürlich auch der Standort Chomutov. Sie brachten vorher die Personalkosten ins Spiel. Die haben natürlich einen Einfluss. Aber die machen etwa ein Viertel der Produktivitätsgewinne aus. Drei Viertel kommen aus der Struktur. St. Martin war schwerpunktmäßig in der Herstellung von Messingbeschlägen tätig. Im Jahr 2008 haben wir etwa 54 Millionen Euro Umsatz mit Messingbeschlägen gemacht. Damit waren beide Werke, St. Martin und Chomutov relativ gut ausgelastet. Das ist inzwischen auf 22 Millionen Euro heruntergegangen. Im kommenden Jahr werden es etwa 20 Millionen sein.
Ist das der Rückgang in der Baubranche?
Nein. Der Rückgang bei Messing speziell. Es gibt einen ganz starken Trend in Richtung silberfarbige Beschläge, Edelstahl oder Aluminium. Dieser hohe Rückgang an Messingbeschlägen hat dazu geführt, dass in St. Martin für andere Werke gefertigt worden ist. Wir haben also versucht, Arbeit in das Werk hineinzubringen, weil wir gehofft haben, dass diese Krise, in der wir uns im 5. Jahr befinden, irgendwann vorüber sein wird. Im Moment werden in Europa zu wenige Wohnungen gebaut, um entsprechenden Wohnraumbedarf zu decken. Entscheidend war aber, dass die Struktur mit 7 Werken nicht funktionierte. Also mussten wir handeln. Aber, das muss ich betonen, es hängt in keiner Weise mit der Qualität der Mitarbeiter in St. Martin zusammen. Das sind sehr, sehr gute Mitarbeiter. Sie hatten nur den kleinsten Standort innerhalb unserer Produktion und sie hatten ein Produkt, das am Markt ganz stark zurückgegangen ist.
Eine Seite sind die Personalkosten, eine andere Seite sind die Energiekosten. Die Energiefrage in den HOPPE-Werken in Südtirol war immer schon betriebsintern ein Thema. Ihr Vater hat über Stromschwankungen und Stromausfälle geklagt, welche zu Schäden von „hunderten Millionen“ Lire geführt haben. Die Energiefrage ist aktueller denn je. Sie verlangen seit Jahren, dass die Gasleitung bis zu Ihrem Werk in Schluderns geführt werden soll. Werden die HOPPE-Werke von den Fernheizwerken in Laas und in Schluderns schlecht versorgt?
Nein, das kann man so nicht sagen. Die Fernwärme, das ärgert mich am meisten, wurde in den letzten Jahren extrem teuer. Wir hatten in den letzten elf Jahren im Fernheizwerk Schluderns eine Preissteigerung von 168 Prozent. Das ist schon heftig. In Laas waren es in neun Jahren etwa 89 Prozent. Nur, Wärme ist ja nur ein Teil. Wir haben einen hohen Energieverbrauch bei der elektrischen Energie. Die elektrische Energie ist in keinem Werk der HOPPE auch nur annähernd so teuer, wie sie in Schluderns, in Laas ist und in St. Martin war. Strom kostet hier um 16 Cent pro Kilowattstunde. In Chomutov liegt er bei 10 Cent. Wenn wir für Schluderns und für Laas den Strom zu den Bedingungen von Chomutov einkaufen könnten, würden wir allein deswegen 740.000 Euro im Jahr einsparen. Mit den Änderungen, die wir jetzt vornehmen, bekommt Schluderns die gesamte Gießerei. Damit wird sich unser Energiebedarf um rund die Hälfte steigern.
Sind Sie bereits in Verhandlung mit den Stromlieferanten?
Das ist ja die SEL. So einfach ist das nicht. Es gibt Unternehmen in Südtirol, das habe ich mir sagen lassen, die kriegen eine neue Stromleitung über den Brenner. Über den Reschen wollen wir keine bauen. Wenn wir Gas hätten, wären die Einsparungen enorm. Ich möchte keine Extrawurst für irgendwelche Subventionen. Ich möchte nur das im oberen Vinschgau haben, was in Schlanders bereits ist, denn bis dort geht die Gasleitung und was wir in St. Martin auch hatten.
Und wenn die Gasleitung nicht kommt?
Ich glaube, dass wir auf einem guten Weg sind und eine Lösung finden. Wenn nicht, wäre es sehr schlecht. Wenn wir den Strom dann weiter so kaufen müssen, wären das Kosten von um die 2 Millionen Euro, die eigentlich nicht nötig sind. 2 Millionen, das sind etwa die Kosten von 80 Mitarbeitern. Diese 2 Millionen müssen wir dann am Markt wieder mehr verdienen. Oder wir müssen jeden Tag einen Tanklastzug mit Gas herholen.
Haben Sie mit dem Vinschgauer Energiekonsortium Kontakt aufgenommen?
Ich persönlich bis jetzt noch nicht. Wir sind am Thema seit Jahren dran. Bis jetzt sind wir nicht wirklich durchgedrungen.
Warum gibt es keine Photovoltaikanlagen auf den HOPPE-Dächern?
Wir haben ein entsprechendes Projekt gehabt, mit enormen Investitionskosten und einer Rückzahlzeit von 15 bis 16 Jahren. Das ist in der heutigen Zeit, bei der politischen Lage gerade in Italien, für uns zu riskant.
Zum Standort Südtirol. Die Gasleitung ist das eine. Gibt es noch anderes, was den Standort im Vinschgau betrifft?
Sie meinen die Verkehrsfrage? Nein. Wenn ich die Ware auf dem LKW zwei Stunden länger habe, das macht keinen Unterschied.
Noch ein Zitat zum Schluss: „Für unser Unternehmen gilt, dass der damalige Entschluss, die Industrieansiedlung hier in Schluderns und später auch in St. Martin vorzunehmen, die Gesamt-Unternehmensgruppe HOPPE in Europa schlagkräftiger und konkurrenzfähiger gemacht hat.“ Ihre Prognose für die Firma HOPPE - für die Standorte Schluderns und Laas.
Nehmen wir das auseinander. Wir konzentrieren uns auf sechs Standorte. Diese werden sehr stark ausgelastet sein. Schluderns und Laas profitieren davon. Beide Standorte werden stärker. Fast die gesamte Gießerei vom Standort in Crottendorf kommt nach Schluderns. Das sind mehrere große Gießanlagen. Die zweite Eloxalanlage kommt auch hierher. Also werden die Standorte auch mitarbeitermäßig ausgebaut werden. Das von Ihnen gebrachte Zitat stimmt nach wie vor. Wenn wir davon nicht überzeugt wären, würden wir die Standorte hier nicht stärken.