Die Bilder sind im Abschnitt zwischen Kehre 22 an der Abzweigung zur Franzenshöhe (2.191 m MH) und der Abzweigung zur Wallfahrtskirche Drei Brunnen (1.570 m MH) aufgenommen worden. Die Höhendifferenz von ca. 600 Metern bringt uns vegetationskundlich von der montanen in die alpine Höhenstufe. Die pflanzliche Artenvielfalt entlang des Höhengradienten, den die Stilfserjoch-Straße bestreicht, ist so groß und wechselt in der kurzen Vegetationsperiode des Hochgebirgssommers durch explosionsartiges Wachstum so rasch, dass sich jede Woche ein neuer Blühaspekt mit neuen Arten, Farben und Formen ergibt. Dadurch wird die Überfahrt über den Pass für das botanisch geschulte Auge zu einem intensiven Erleben eines Pflanzenparadieses. Und ein paar Ausschnitte aus diesem Paradies möchte ich Ihnen mit den heutigen Bildern eröffnen, näherbringen und benennen. In der Fotosequenz werden Sie vielleicht Ihnen schon bekannte Arten finden, aber vielleicht auch neue Arten ansprechen lernen. Von jeder vorgestellten Pflanzenart finden Sie entweder die Darstellung der gesamten Pflanze in ihrem Habitus oder ein Blütendetail als Makro-Aufnahme.
Die Pflanzenarten aus dem Straßensaum sind von oben nach unten im vertikalen Transekt von der Höhe in die tieferen Lagen abgebildet und stammen aus den Pflanzengesellschaften der alpinen Rasen, der Hochstaudenflur, des Grünerlengebüsches und des Latschengürtels in Lawinenbahnen und aus dem Fichten-Lärchen-Wald.
Staude bedeutet nicht gleich Staude
Botanisch gesehen sind die heute vorgestellten Pflanzenarten Stauden. Der Begriff „Staude“ bedeutet in unserer Dialektsprache aber etwas anderes als in der botanischen Fachsprache. Im Dialekt steht Staude für einen verholzenden Strauch, der eher wertlos und teilweise weideverunkrautend ist und daher für die Weidenutzung der Almen in Vergangenheit in Gemeinschaftsarbeit durch Aushacken zurückgedrängt wurde.
In der botanischen Fachsprache ist eine Staude eine mehrjährige, krautige Pflanze, deren oberirdische Pflanzenteile im Gegensatz zu den Bäumen und Sträuchern nicht verholzen, sondern krautig weich sind und in der Regel nach jeder Vegetationsperiode absterben. Die im heutigen Beitrag vorgestellten Stauden im botanischen Sinn sind sicher nicht auszumerzen, sondern im Gegenteil zu schützen, nur zu bestaunen und nicht auszugraben. Bei Viehaltern und Hirten auf Weidegründen ungern gesehen und unerwünscht ist der Weiße Germer. Der Germer beinhaltet Giftstoffe. Er wird ob dieser Giftstoffe vom Weidevieh gemieden und vermehrt sich ungehindert. In der Botanik werden solche Pflanzen, die wegen ihrer verschiedenen Abwehrmechanismen vom Weidevieh nicht angenommen werden, als „weidebevorzugt“ bezeichnet, weil sie den Verbiss und Fraß überstehen. Außer Gift- und Bitterstoffen als „chemische Waffen“ haben Pflanzen im Laufe der Evolution noch andere Schutzmechanismen hervorgebracht. Dornen, Stacheln, filzige Behaarungen oder stechende Nadeln sind nur einige der „mechanischen“ Verteidigungsinstrumente.