Buchbesprechung - Ein Werk wie dieses schiebt sich schnell vor meinen Bücherradar und schubst beiseite, was schon länger wartet. Verfasst hat es ein Niederländer mit indischen Wurzeln, der einige Zeit in Bozen gelebt hat, und es handelt von der Erfindung und Verfeinerung des Speiseeises. Schauplatz ist das Gelatital Cadore in den bellunesischen Dolomiten. Gleich neben dem Val di Zoldo, aus dem Pietro Arnoldo vor vielen Jahrzehnten nach Schlanders kam, um dann die Eisdiele Ortler zu eröffnen. Klang also irgendwie vertraut, die Eismachergeschichte. Ihr gebührt im Roman die leckerste Eiskugel, Richtung Vanille. Wie Giuseppe, der erste Eiskönig, dem Antelao Schnee stiehlt und die ersten Früchte beimischt, ist meisterhaft erzählt. Schon in 4. Generation bereiten die Männer aus der Familie Talamini Eis zu, mit abnehmender Begeisterung. Die „spatola“ schwingen sie im Sommer im Eiscafé Venezia in Rotterdam, wobei der Ich-Erzähler Giovanni die Pläne des Vaters durchkreuzt, indem er sich den schönen Künsten zuwendet und Abschied nimmt vom Eismaschinenzylinder. Ihn zieht es in die Welt der Poesie, als Festivaldirektor macht er Karriere. Eine überraschend exotische Eissorte, die der Autor dem Generationenroman beimengt. Eine, die nicht recht dazu passen will, von der man aber gerne kostet. Und ebenso schnell wieder genug hat, so in etwa wie von der Passionsfrucht. Zu viele Metaphern, Reisen, Dichternamen und ferne Bezüge. Scharf ist die Trennlinie zwischen Giovanni und seinem Bruder Luca, der an der Cattabriga (Eismaschine) steht und selbst langsam einfriert. Die dritte Kugel im Eisbecher geht in die Richtung Brennnesseleis mit Senfsamen. Tieftraurige Frauen, umschwärmt von zunächst überreizten, dann überarbeiteten Männern. Ein abgrundtiefes Familiengeheimnis, noch einmal das Klischee des Luftikus, der lesend dem Familiengewerbe trotzt. Genug davon. Doch das Topping ist bemerkenswert: Van der Kwast vermengt clever die Zeitebenen. Kurzum ein erfrischender Eisbecher, wie gemacht für den bald kommenden Sommer. Und bevor das alte Lied vom schlechten Wetter kommt, empfinde ich mit den Gelatileuten, die sich sehnen nach „der Sonne, von der man als Eismacher zu wenig sieht.“ Karotteneis mit Ingwer kennt der Roman noch nicht, was Rosmarie Ferlito aus Schlanders freuen wird. Sie hat die Kreation „Jannik“ erschaffen.
Maria Raffeiner