Dienstag, 19 Februar 2013 00:00

Der/die mit den meisten Stimmen ist SenatorIn

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 s7_6844Wer tritt die Nachfolge von Manfred Pinzger im Senat an? Der oder die neue SenatorIn wird  in einem
„geschützten“ Wahlkreis gewählt. Dieser Wahlkreis umfasst das Burggrafenamt, den Vinschgau und das Sarntal. Der Vinschgerwind hat vier Kandidaten zum Streitgespräch in die Redaktion geladen. Wo unterscheiden sich Grüne, Partito Democratico, die Freiheitlichen und die Südtiroler Volkspartei?

Moderation: Erwin Bernhart  |  Fotos: Magdalena Dietl Sapelza

Vinschgerwind: Die Senatswahlen sind einfacher. Es gibt Senatskreise. Einer dieser Senatskreise ist Sarntal-Burggrafenamt-Vinschgau. Es gibt keine Wahlhürde. Wer die meisten Stimmen in diesem Wahlkreis auf sich vereinen kann, der oder die ist SenatorIn. Jede Partei hat im Grunde eine Chance. Ist es so einfach?


Karl Trojer: Einfach ist es insofern, als der Wähler klar zwischen Personen, zwischen Parteien entscheiden kann. Es ist einfach, ja.
Christina Kury: Es gewinnt der, der eine Stimme mehr hat. In der Theorie starten wir alle mit denselben Voraussetzungen. In der Praxis bin ich mir bewusst, dass der Herr Zeller einen Vorsprung hat. Meine Hoffnung ist, dass bei dieser Wahl die Wählerinnen und Wähler auf die Vorkommnisse der letzten fünf Jahre nicht vergessen. Insofern steigen die Chancen für jene, die auf Missstände hingewiesen haben.
Karl Zeller: Ich hoffe, einen Vorsprung zu haben. Es ist traditionell ein Wahlkreis, wo wir Mehrheiten hatten. Mit den Vorkommnissen der letzten Jahre, auf die die Frau Kury anspielt, hab ich eigentlich nichts zu tun. Was die SEL angeht, war ich immer einer der schärfsten Kritiker dieser Konstruktion. Zu Zeiten, in denen die Grünen noch nicht einmal genau gewusst haben, was die SEL ist. Ich habe seit den Jahren 2000/2001, nachdem ich die Energie aus Rom geholt habe, ganz klar gesagt, dass das Land in Minderheit gehen soll, weil es meines Erachtens einen Interessenskonflikt bei der Konzessionsvergabe gibt. Ich hoffe, dass wir das noch reparieren können. Was den Wahlkreis angeht: Die Ein-Mann/Frau-Wahlkreise sind das zweitbeste System. Die Leute können aber immerhin Köpfe wählen.
Sigmar Stocker: Es ist das einfachste System, wenn man es mit der Kammer vergleicht. Alle starten gleich, man kann sich auf Augenhöhe begegnen. Für den Bürger ist diese Form verständlich. Wer am meisten Stimmen hat, ist gewählt.

Herr Trojer, Frau Kury und Herr Zeller: Eines haben Sie gemeinsam. Sie unterstützen alle das Wahlbündnis um Pier Luigi Bersani, also eine Mitte-Links-Koalition. Wo unterscheidet sich denn der Partito Democratico von den Grünen und von der SVP und umgekehrt?
Kury: Theoretisch habe ich kein Bündnis im Senat. Ich kandidiere als Grüne. Selbstverständlich werde ich Mitte-Links unterstützen, wenn ich gewählt werde. Unterschiede zur Volkspartei und zum PD gibt es trotzdem. PD und Volkspartei sind zwei Regierungsparteien in Südtirol, die Grünen sind eine Oppositionspartei auf Landesebene. Wir fordern eine Moralisierung in der Politik, ein Gesetz gegen Interessenskonflikte. Das wäre in Italien notwendig und in Südtirol noch notwendiger. Keine Gesetze ad personam, das ist in Italien wichtig, das ist in Südtirol wichtig. Ein wirklicher Kampf gegen Steuerhinterziehung. Die Möglichkeit dazu wird nicht genutzt. Der Unterschied vor allem zum PD ist, dass ich eine überzeugte Ökologin bin und davon ausgehe, dass jede Enscheidung, die nicht auf ökologischer Nachhaltigkeit basiert, in Zukunft unverantwortlich ist. Entweder die Folgen sind nicht mehr zu reparieren oder sie kosten sehr viel Geld. Der PD hat jene Kandidaten, die den ökologischen Teil vertreten, nicht auf ihren Listen. Insofern braucht es eine starke ökologische Kraft.
Trojer: Bleiben wir bei der Ökologie. Ich habe 1975 eine Gesellschaft gegründet, die sich mit Umweltschutzanlagen beschäftigt hat, als das Thema noch kaum aktuell war. Dass ich als Kandidat der Demokratischen Partei nicht ökologisch orientiert bin, das ist nicht der Fall. Der Unterschied zu den Grünen und zur Volkspartei ist im Wesentlichen folgender: Wir gehen davon aus, dass Politik dafür da ist, dass sie Vorschläge und konkrete Ideen umsetzt. Und dafür braucht es Macht. Eine Partei, die im Staat in Zukunft tragende Kraft sein wird und die in Europa im Mitte-Links-Lager eine der wesentlichen Komponenten sein wird, hat die Chance mitzuentscheiden. Das, was in Südtirol in Zukunft passieren wird, wird im Wesentlichen in Brüssel entschieden. Deshalb ist es für mich logisch und konsequent, dass sich die demokratische Partei einbringt. Wir sind eine Partei, die davon ausgeht, dass es in Südtirol in Zukunft ein gemeinsames Handeln braucht. Dieses gemeinsame Handeln braucht eine gemeinsame Plattform. Ich glaube nicht, dass die Zukunft ethnisch getrennt sein muss. Es ist ein Unterschied, ob Verschiedenheiten als Maueraufbau gelebt werden. Aus meiner Sicht hat die Volkspartei diese Mauern in letzter Zeit stark abgebaut, aber bei den Freiheitlichen ist das immer noch ein Hauptthema.
Zeller: Meine Antwort ist sehr leicht. Die SVP ist eine ethnische Partei. Sie vertritt die deutsche und die ladinische Minderheit und die nach Rom geht, um hauptsächlich die Interessen Südtirols zu vertreten. Wir sind da bescheiden. Wir können als drei oder fünf Parlamentarier den anderen tausend nicht vorschreiben, wo es langzugehen hat. Jeder, der das glaubt, ist vermessen. Der große Vorteil der SVP ist, dass wir eine eigenständige Verhandlungsposition haben. Man muss auch an die Zeit nach der Wahl denken. Da wird jeder von den zweien da in eine große Fraktion einverleibt. Wir sind eine eigenständige Kraft im Parlament. Wir reden autonom als SVP für Südtirol mit der Regierung. Wenn ich ein Parlamentarier von irgendeiner anderen Partei in einer großen Fraktion bin, kann ich das nicht tun. Die Grundkonstruktion, wieso Südtirol in den letzten Jahrzehnten Erfolge einfahren hat können, ist, dass wir mit der Regierung verhandeln. Wir konnten ein weitreichendes Bündnis schließen, weil wir diese eigenständige Verhandlungsposition haben. Ich unterscheide mich auch von den anderen Mitbewerbern, weil Pier Luigi Bersani seit 15 Jahren ein persönlicher Freund von mir ist. Wir vertrauen einander. Wenn ich mit Monti beim Notar etwas unterschreiben müsste, hätte ich Bauchweh. Was das Ökologische angeht: Wir reden zwar nicht so oft von Ökologie, handeln dafür öfters ökologisch. Zum Beispiel die Querfinanzierung für den Brennerbasistunnel. Autobahn zahlt Eisenbahn, das war revolutionär. Auch die Umweltpläne bei den Kraftwerken, die von Albrecht Plangger gekommen sind und die ich dann bei Bersani umgesetzt habe. Also der PD hat sehr wohl ein ökologisches Ohr.

Was stört Sie daran, Herr Stocker, dass in Rom möglichst viel für Südtirol herausverhandelt werden soll?
Stocker: Ich komme aus der Weinbranche und das, was ich bisher gehört habe, nennt man in der Weinbranche ein Cuveé. Da sind drei Sachen und danach schüttet man sie zusammen und sie landen alle drei in der gleichen Flasche...
Zeller: ...super..
Stocker: ...das muss nicht immer gut sein. Bei uns wird reiner Wein eingeschenkt. Wir haben kein Bündnis, wir kandidieren blockfrei. Wo freiheitlich draufsteht, ist Südtirol garantiert drin.

Was heißt dieser Slogan eigentlich?
Stocker: Dieser Slogan heißt, dass die Leute wissen, dass wir als Südtiroler Kraft kandidieren. Eine Minderheit soll sich nicht a priori an eine staatliche Liste oder Partei anhängen.
Zeller: Wieso soll bei der SVP nicht Südtirol drin sein?
Stocker: Man soll sich nicht an staatliche Gegebenheiten anhängen. Man soll erst nach den Wahlen schauen, wie die Regierung konstituiert wird und danach kann man in Gespräche eintreten. Denn, wehe, wenn Bersani nicht gewinnt, das muss man einmal sagen. Zurück zu Ihrer Frage: Es ist nichts Schlechtes daran, für Südtirol etwas herauszuholen. Ich habe kein Problem zuzugeben, dass die SVP viel für Südtirol herausgeholt hat. Unsere Partei ist ja erst 20 Jahre alt. Wären wir in Rom vertreten, würden wir die Stärkung der Autonomie unterstützen. Für uns geht es allerdings weiter. Unser 3. Autonomiestatut wäre das Hinarbeiten zu einem Freistaat...
Zeller: ...mit Austritt aus Europa...
Stocker: ...da lobe ich mir den Kollegen Zeller, der a priori nie die Türen ganz verschließt. Er sagt, dass es schwierig sein wird. Wir werden uns allerdings nie gegen Autonomiebefugnisse wehren, also bitte.

Ihr Zuruf an die Wähler?
Stocker: Die Leute sollen vom Wahlrecht Gebrauch machen. Das ist das Wichtigste für uns alle. Man glaubt oft, dass man der Politik einen Gefallen tut, wenn man nicht wählen geht. Das ist nicht wahr. Wenn man uns wählt, wählt man einen Schritt in eine neue Zukunftsvision. Das ist der Freistaat, den wir anpeilen. Das wird nicht einfach sein. Wir wollen in Rom darauf aufmerksam machen, dass es diese Kräfte in unserem Land gibt. Wir wollen ein Südtirol ohne Italien, aber mit den Italienern hier ein Südtirol, das sehr wohl.
Trojer: Die Demokratische Partei versteht sich als Partei der Südtiroler sowohl für die Jetztzeit als auch für die Zukunft. Wir können aufeinander zugehen und die Verschiedenheiten wertschätzen. Wir brauchen keine Mauern untereinander aufzubauen. Die Vorstellung, dass ein Freistaat mehr Freiheit, mehr Selbstwert für Südtirol bringt, ist meines Erachtens mehr eine Versuchung zur Inzucht.
Zeller: Die SVP wäre grundsätzlich auch für ein Südtirol ohne Italien. Sie weiß aber, dass das nicht realistisch ist. Deswegen kämpft die SVP für ein Südtirol mit weniger Italien. Deshalb sind wir für die Vollautonomie. Wir haben mit dem Abkommen mit Bersani ein Fenster, welches sich alle 10 Jahre auftut, wo man einen Schub für die Autonomie machen kann. Ich hoffe, dass die Südtiroler verstehen, dass die einzige Alternative die SVP ist, weil sie die einzige Partei ist, die nicht nur versprechen, sondern auch liefern kann. Gerade für den Vinschgau habe ich das bewiesen: Die Kraftwerkskonzession für den Reschen wäre nie gekommen, wenn ich das mit dem Bersani nicht ausgehandelt hätte. Die Schlösser Kastelbell und Montani. Und die drei Millionen Euro für die Opfer des Zugunglückes, in einer Zeit der feindlichen Mehrheiten. Ein „usato sicuro“ ist wahrscheinlich für Südtirol in diesen Zeiten das Beste. Ich hoffe, dass Kollege Plangger hinunterkommt. Wenn die SVP in der Kammer an der Wahlhürde scheitert, kommen statt deutschen Vertretern Italiener aus dem Trentino nach Rom. Das muss man den Leuten sagen.
Kury: Wir kennen inzwischen die Panikmache der SVP vor jeder Wahl. Da geht’s ums Zusammenhalten, um nach der Wahl einigen, leider Gottes, zu ermöglichen, zu tun, was sie wollen. Ich kann den Herrn Zeller beruhigen. Sollte die SVP die Wahlhürde nicht erreichen, was ich ihr nicht wünsche, gibt es die Chance, dass Südtirol durch Florian Kronbichler in der Kammer vertreten sein wird. Besser wäre es, wenn Kronbichler zusätzlich zur SVP die Anliegen Südtirols in Rom vertreten würde. Ein Appell an die Wählerinnen und Wähler: Wir Grüne sind territorial sehr gut verankert. Wir haben bewiesen, dass wir uns verlässlich für soziale und ökologische Anliegen einsetzen. Wir haben auch bewiesen, dass wir mit Leuten, die ähnlich denken, gerne zusammenarbeiten. Meine Leute im Landtag haben den Schuler gewählt. Wir verzichten nicht, auf Missstände hinzuweisen. Da möchte ich auf die SEL zurückkommen. Die Heimholung der Energie wurde in Südtirol verantwortungslos verschludert. Das Land Südtirol riskiert, 500 Millionen Euro an die ENEL zu zahlen. Das ist besorgniserregend. Sollte ich gewählt werden, sitze ich als Grüne in der gemischten Fraktion, möglicherweise mit dem Herrn Berger aus dem Pustertal.


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