Begonnen hat das Abenteuer vor einigen Jahren, als ich dabei war, ein Buch über den europäischen Wanderweg E5 vom Bodensee nach Verona zu schreiben. Danach besorgte ich die Redaktion der ARUNDA Publikation Via Claudia Augusta. Die römische Kaiserstraße, die Venedig mit dem Donauraum verbindet, führt über den Vinschgau.
Eines Tages erreichte mich ein E-Mail, in dem mir die fotografische und textliche Dokumentation über die Adriana Nova angeboten wurde, also über eine vom römischen Kaiser Adrian im ersten nachchristlichen Jahrhundert erbaute, in die ostägyptische Wüste führende römische Straße! Ein derartiges Angebot musste meine Abenteuerlust wecken und ich bin sofort aufgebrochen.
Im Laufe der letzten fünf Jahre hatte ich mehrmals Gelegenheit, mich in diese südägyptische, an den Sudan grenzende Wüstenregion zwischen dem Roten Meer und dem Niltal zu begeben. Hier befand sich dereinst die Hafenstadt Berenice, wo die aus Indien kommenden Schiffe mit den wertvollen Hölzern, den Spezereien, dem Gold mit dem Bestimmungsort Rom anlegten. Die Waren wurden auf Kamelen verladen, die in zweiwöchentlichen Märschen die Wüste durchquerten, um den Nil zu erreichen. Dort wurden sie wiederum auf Schiffe verladen, die flussabwärts das Mittelmeer und später Rom erreichten. Eine unglaubliche, fast vergessene Transportgeschichte, wenn es nicht ein verbissen forschendes amerikansches Archeologen Team unter der Leitung von Steven Sidebotham gäbe; seit mehr als zwanzig Jahren werden die Überreste von Berenice, begraben und bewahrt unter dem Sand wie die Überreste von Pompei, ans Tageslicht gebracht. Natürlich versuchen die Archäologen auch den Verlauf der römischen Straße durch die Wüste zu rekonstruieren. Dabei werden Wirtslokale entdeckt, Brunnen, Wachtürme, ummauerte Rastplätze für die Lasttiere und andere Bereiche. Und das alles in einer wahrscheinlich seit der römischen Zeit unverändert gebliebenen, archaisch feierlichen Landschaft.
Beim Besuch der archäologischen Fundorte bin ich auch mit den Bewohnern dieser Wüste in Kontakt gekommen, mit den Ababda Beduinen. Es ist dies ein nomadisierendes, auch Karavanen führendes Hirtenvolk, das wahrscheinlich bereits vor zweitausend Jahren den römischen Händlern diente und heute Führungen für abenteuerlustigeTouristen macht. Sie sind wahrscheinlich die ältesten noch in Aktion befindlichen Touristenführer der Welt!
Mittlerweile habe ich ein paar Wörter ihrer Sprache gelernt und Dank der Fotografie ist es mir gelungen, ihr Vertrauen zu gewinnen; deshalb kann ich nun ihre Dörfer besuchen und bekomme die verschiedensten Informationen. Ich habe mich entschlossen, die Landschaft und die Kultur dieses Beduinenvolkes zu beschreiben, zumal ich vermute, dass im Verlauf von wenigen Jahren sich alles gründlich verändern dürfte. Die Jungen wollen nicht mehr dieses anstrengende Leben führen, der Klimawandel droht die bereits versiegenden Brunnen und die spärlichen Weiden ihrer Tiere auszutrocknen. Die ägyptische Regierung versucht an den Wüstenrändern kleine Dörfer mit Schulen zu errichten, um die Ababda dort anzusiedeln. Dabei habe ich unvergessliche Erfahrungen über die Beduinen gemacht, zumal ich dem Ältestenrat beiwohnen durfte und zu einer Hochzeit eingeladen war. Dabei musste ich den Schwerttanz mitmachen. Auch ein Gipfel, der die Wüste überragt, heißt jetzt Gianni Mountain! Und was die Archäologie betrifft, die überlasse ich den Fachleuten...
Gianni Bodini