Naturns
Die beeindruckende Aufführung des Oratoriums „Die letzten Dinge“ von Louis Spohr mit ca. 90 Mitwirkenden brachte die hervorragende Akustik in der bis auf den letzten Platz gefüllten Pfarrkirche „St. Zeno“ Naturns wieder einmal wunderbar zur Geltung. Die Zuhörer wurden durch ein großes Werk in eine vom Irdischen losgelöste Stimmung versetzt, in ein inneres Erlebnis, das wohl niemand so leicht vergessen kann. „Die letzten Dinge“, eine oratorisch in Töne gebrachte Übertragung der Offenbarung des Johannes, einst meist in der Karwoche gespielt, lässt auch den modernen Menschen nicht so schnell los.
Louis Spohr wurde in Braunschweig geboren und 1822 Hofkapellmeister in Kassel. Die inspirierenden Anregungen, die ein Tonsetzer seiner Zeit von den großen Meistern des 18. Jahrhunderts erhalten konnte, waren ja geradezu überwältigend. Man denke nur an Haydn, Mozart, Bach, Händel, Vivaldi u. a.. Louis Spohr und seine Zeitgenossen wurden sozusagen von einer überreichen musikalischen Ernte des 18. Jh. gespeist und auch überstrahlt. Eben das ist das Geheimnis alles Klassischen – es kann nicht versiegen, weil es die Tiefen der menschlichen Seele erfasst. Es gehört zu den kulturellen Leuchttürmen, die auch noch in die Zukunft leuchten.
Louis Spohr wurde zu seiner Zeit viel gespielt und geschätzt, so u.a. von Carl Phillip Emanuel Bach, von Brahms oder von Richard Strauß.
Es ist schwer zu sagen, warum er heute ein wenig in Vergessenheit geraten ist. Umso verdienstvoller war es, dass der Direktor der Musikschule Naturns und Chorleiter des Kirchenchores Dorf Tirol, Stefan Gstrein, und der Kirchenchorleiter von Naturns, Josef Pircher, dieses großartige Werk in Naturns und Dorf Tirol zum Erklingen gebracht haben. Allein schon die rein personelle Besetzung mit den beiden Chören sowie dem Orchester mit 31 Musikern und den Solostimmen Carmen Declara- Sopran, Karin Demetz- Alt, Georg Hasler- Tenor und Gebhard Piccolruaz- Bass hat einen erheblichen organisatorischen Aufwand dargestellt. Für diesen Einsatz und die künstlerische Gesamtleitung kann man nur dankbar sein. Die Musikfreunde hatten also wieder eine großartige Gelegenheit, einen Höhepunkt der europäischen Musiktradition mitzuerleben. Den Initiatoren und Mitwirkenden gilt dementsprechend ein besonderer Dank für dieses seltene musikalische Erlebnis.
Horst Ringel
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau