Dienstag, 24 Juli 2018 12:00

„Wir fordern 1.500 Euro Mindestlohn“

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s7 6474Benajmin Pixner ist gelernter Metzger und gelernter Koch. Derzeit ist er als Vertreter für Gastrofresh unterwegs. Unterwegs ist er auch für die Süd-Tiroler Freiheit, als Gemeinderat in Kastelbell-Tschars, als Landes-Jugendsprecher und im Herbst zum zweiten Mal als Landtagskandidat. Pixner verkörpert ein weit verbreitetes Jugendphänomen: gut ausgebildet, bodenständig und patriotisch gesinnt. Wer ist dieser Pixner, welches ist die Marschrichtung, welche Motivationen stecken dahinter?

Vinschgerwind:Herr Pixner, mögen Sie Musik?
Benjamin Pixner: Ja, mag ich.
Vinschgerwind: Original Südtiroler Spitzbuben, FreiWild oder Hubert von Goisern?


Pixner: Durch die Bank.
Vinschgerwind:Lederhosen und Dirndl – sind das modischer Alpenkitsch, Folklore oder Ausdruck für Patriotismus?
Pixner: Ein Gemisch von allem. Es hängt davon ab, aus welcher Überzeugung man dies trägt. Vielleicht wird das viel als Folklore angesehen, aber auch als Modeerscheinung. In den letzten Jahren war es jedenfalls ein Boom. Als ich die ersten Lederhosen gekauft habe, bin ich noch schräg angeschaut worden. Auf einem Fest hat heute fast jeder eine Lederhose oder ein Dirndl an.
Vinschgerwind:Ist eine solche Kleidungsform auch Ausdruck von Patriotismus?
Pixner: Ja, die jungen Leute können sich damit identifizieren. Man braucht nicht mehr nachzudenken, was man anzieht. Eine Lederhose und ein Dirndl passen immer. Das ist Ausdruck für unsere Tradition und unsere Kultur.
Vinschgerwind:Sie sind Jugendsprecher der Süd-Tiroler Freiheit. Was bedeutet für Sie Patriotismus?
Pixner: Für mich bedeutet Patriotismus, die Kultur und die Mentalität unseres Landes aufrecht zu erhalten. Wir sind nach wie vor eine Minderheit in einem fremden Staat, die es zu schützen gilt. So glaube ich, dass sich gerade junge Leute an etwas festhalten wollen, mit dem sie sich identifizieren können. Herkunft und Identität spielen in unserer schnelllebigen Welt immer mehr eine große Rolle.
Vinschgerwind: Wie äußert sich dieses Festhalten-Wollen?
Pixner: Unter anderem in einem Freiheitswillen, sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Das spüren wir in der Süd-Tiroler Freiheit. Das sehen wir auch bei unseren Kandidaten, die das sogenannte Festhalten ausbauen wollen - dass wir ein bestimmtes Volk sind, dass Tirol zusammengehört. So opfern viele junge Leute ehrenamtlich ihre Freizeit für ein gemeinsames Anliegen, das ist heute nicht mehr selbstverständlich.
Vinschgerwind: Wofür möchten sich die Leute in der Süd-Tiroler Freiheit einsetzen?
Pixner: Dem Patriotismus, dem Wir-Gefühl in Tirol und dass die Einheit Tirols wieder hergestellt wird.
Vinschgerwind:Die Süd-Tiroler Freiheit ist vehement für eine doppelte Staatsbürgerschaft.
Pixner: Diese Thematik hat eigentlich die SVP in den Raum geworfen, sie hat aber bemerkt, dass das in der Bevölkerung zu großen Anklang findet und ließ es im Sand versickern. Wir von der Süd-Tiroler Freiheit haben es aufgegriffen und mehr als 22.000 Unterschriften allein in Österreich gesammelt, informelle Treffen mit Experten aus ganz Europa veranstaltet, um die Umsetzbarkeit zu garantieren, und dieses Thema auf breiter Ebene vorgestellt. Im österreichischen Nationalrat hat es so Gehör gefunden und somit kam die Geschichte ins Rollen. Durch die Neuwahlen in Österreich ist positive Bewegung in die Sache gekommen. Jedoch beharrte Österreich, dass das Wollen aus Südtirol kommen müsse. Dann haben 19 Landtagsabgeordnete, also die Mehrheit im Landtag, sich in einem Brief an die neue Regierung dafür ausgesprochen.
Vinschgerwind:Glauben Sie ernsthaft, dass diese 19 Unterschriften das Befinden der Südtiroler wiedergegeben?
Pixner: Es hat diesbezüglich ja schon verschiedene Umfragen gegeben, auf Onlineportalen usw. die recht zuversichtlich ausgefallen sind. Natürlich braucht die Bevölkerung noch viel Information. Wenn sie diese Informationen erhält, dann werden sich mehr als 50 Prozent dafür aussprechen. Da eine solche zweite Staatsbürgerschaft nur Gutes für uns als Minderheit im Staate Italien mit sich bringt.
Vinschgerwind:Sie sind amtierender Gemeinderat von Kastelbell-Tschars bereits in der zweiten Legislatur. Kann Opposition Spaß machen?
Pixner: Ja, auf alle Fälle. In der ersten Periode war ich als Vertreter der Süd-Tiroler Freiheit allein. Mir hat die Oppositionsarbeit wirklich Spaß gemacht, weil ich mich unabhängig äußern habe können. Mir hat niemand vorgeschrieben, was ich zu sagen oder wie ich abzustimmen habe. Das lernten die Wähler zu schätzen. Zu Beginn hat es geheißen, was will denn der Junge da im Gemeinderat, wir brauchen keine Süd-Tiroler Freiheit da drinnen, die bremst alles. Ich habe den Beweis erbracht, dass ein Oppositioneller durchaus konstruktiv mitarbeiten kann und zugunsten der Bevölkerung etwas leisten kann. Das hat sich dann bei der zweiten Periode herausgestellt: Wir haben unsere Stimmen verdoppelt und sind seither zu dritt im Gemeinderat, drei junge, aktive Leute. Zur SVP sind wir nun eine echte Alternative.
Vinschgerwind:Mit Ihren 27 Jahren haben Sie einige Erfahrungen auf dem politischen Parkett. Vor 5 Jahren sind Sie bei den Landtagswahlen für die Süd-Tiroler Freiheit angetreten. Nach dem Rücktritt von Eva Klotz haben Ihnen 23 Stimmen gefehlt, um in den Landtag nachzurücken. War das bitter?
Pixner: Es war meine erste Landtagswahl. Ich hatte als Frischling keine Erwartungen und keine Vorstellungen, wie viele Stimmen ich denn erhalten werde. Es war damals ein stolzer Erfolg, so viele Stimmen zu bekommen, es war eine neue Herausforderung und, wie könnte ich sagen, es war nicht bitter. Es gibt für mich noch Chancen das Ziel Landtag zu erreichen, wie zum Beispiel diesen Herbst. So starte ich einfach noch motivierter in den Wahlkampf, auch mit der Gewissheit, eine große Unterstützung aus der Bevölkerung zu haben.
Vinschgerwind: Wie würden Sie Ihr Wählerschaft skizzieren?
Pixner: Ich habe 2013 in mehreren Gemeinden mehr Vorzugsstimmen erhalten als die Listenführerin Eva Klotz, das ist ein erstaunlicher Erfolg. Die Leute, die mich kennen, haben Vertrauen in mich. Ich behaupte von mir, dass ich gut mit Leuten kann, so auch mit meinen vielen Kollegen, die nicht immer mit meiner politischen Meinung übereinstimmen, aber ich kann gut mit denen diskutieren und die akzeptieren meine Meinungen. Gerade in der heutigen Zeit, in der Politiker nicht besonderes gut angesehen sind, glaube ich, dass ich ein positives Empfinden an der Politik in der Wählerschaft wecken kann. So sehe ich meine Wählerschaft nicht nur bei der Jugend sondern auch bei älteren Menschen, die mit ihrer Stimme einen Jungen und Standhaften unterstützen wollen.
Vinschgerwind:Einige Wahlkampfthemen beziehen sich auch auf den Vinschgau. Welche Anliegen vertreten Sie?
Pixner: Vor 5 Jahren haben wir im Vinschgau einfach das landesweite Parteiprogramm übernommen. Mittlerweile sind wir soweit, dass wir Themen spezifisch auf den Vinschgau zuschneiden konnten. Die Volkstumspolitik und das Los-von-Rom sind bekannte Themen der Süd-Tiroler Freiheit, die wir natürlich weiterhin vertreten. Der Vinschgau ist eine der stärksten Strukturen in der Süd-Tiroler Freiheit. Unsere Themen für den Vinschgau sind: Das heiße Thema Mobilität und Verkehr. Wir wollen eine konsequentere Verkehrspolitik. Nicht einzelne Gemeinden sollen handeln, sondern die Ebene der Landespolitik. Abwanderung, leistbares Wohnen, Arbeitsplätze vor Ort. Ein Beispiel: Meine Heimatgemeinde Kastelbell ist eine attraktive Gemeinde. Wir haben jedoch wenig Wohnraum. Viele meiner Kollegen, die bereits abgewandert sind, sagen, wenn sie eine Wohnung in Kastelbell gefunden hätten, wären sie geblieben. Engere Zusammenarbeit in der Alpenregion zwischen den Nachbarländern Schweiz und das Vaterland Österreich besonders als Wirtschaftsstandort. Die sozialen Unterschiede zwischen öffentlich Angestellen und privat Angestellten....
Vinschgerwind:Eines der Themen der Süd-Tiroler Freiheit heißt „Steuergerechtigkeit zwischen allen Gesellschaftsschichten“. Was sagen Sie als Kastelbeller - sollen die Obstbauern Steuern zahlen?
Pixner: Das ist ein brenzliges Thema. Und auf Kastelbell angesprochen - es stimmt, Kastelbell ist großteils Bauerndorf. Es müssen aber andere Wege gesucht werden. Ein Arbeitnehmer muss heute schauen, über die Runden zu kommen. Wir wissen, wie die Zahlen sind...
Vinschgerwind:Von welchen Zahlen gehen Sie denn aus?
Pixner: Das durchschnittliche Einkommen in unserem Land ist 1.500 Euro. Für denjenigen der min. 40 Stunden in der Woche arbeitet, sollte dies der Mindestlohn sein. In dem Sinne muss eine Gerechtigkeit hergestellt werden, dass der Unmut in der Bevölkerung erst gar nicht entsteht. Da spielt auch die Ausländerthematik eine Rolle. In unserem Land gibt es viele sozial Schwache und die bekommen die Ungerechtigkeit viel stärker mit, als jemand, der mehr verdient. Leute mit wenig Geld, die Unterstützung bräuchten, aber keine bekommen, sind zu Recht darüber erbost, dass Ausländer, die noch nie in die Sozialsysteme eingezahlt haben, Sozialleistungen erhalten. So entsteht der Unmut.
Vinschgerwind:In Ihrem Sinne müsste das heißen, dass Ausländerfeindlichkeit vor allem in den unteren Einkommensschichten anzutreffen ist?
Pixner: Nicht vor allem, sondern am stärksten. Weil das vor allem ein emotionales Thema ist.
Vinschgerwind:Selbstbestimmung ist nach wie vor oberstes Thema bei der Südtiroler Freiheit, in Richtung Los-von Rom. Wie beobachten Sie die Debatte über das Gesetz zur Direkten Demokratie?
Pixner: Ich sehe die Direkte Demokratie nach Schweizer Vorbild sehr positiv. Wir haben in der Schweiz mit Jungparteien darüber diskutiert. Auch ich habe für die Direkte Demokratie unterschrieben. Wir haben vor mehreren Jahren auch den Experten Diethelm Raff aus der Schweiz zu uns hergeholt, um Erfahrungen in diesem Bereich zu sammeln. Im Gesetzentwurf selbst ist der Begriff Selbstbestimmung nicht vorhanden. Das empfinde ich als Manko. Für ein Selbstbestimmungsreferendum kann dieses Gesetz also nicht angewandt werden. Die Selbstbestimmung ist ein hohes menschenrechtliches Gut, die mit der Direkten Demokratie sehr stark zusammen hängt.
Vinschgerwind:Wie wollen Sie eine Selbstbestimmung der italienischen Bevölkerung Südtirols näherbringen?
Pixner: Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung. Vor 5 Jahren haben wir ein selbstiniziertes Referendum abgehalten. Und da haben bereits viele Italiener teilgenommen. Ich glaube, dass es heute nicht mehr so schwierig ist, Italiener für ein Selbstbestimmungsreferendum zu gewinnen.
Vinschgerwind:Die Notsituation, der Leidensdruck ist für einen Schritt in Richtung Selbstbestimmung überhaupt nicht vorhanden.
Pixner: Weil die Thematik nicht täglich vorhanden ist, weil sie nicht täglich publiziert, sondern eher totgeschwiegen wird. In Katalonien oder in Schottland war das Thema, unabhängig davon, wie die Referenden ausgegangen sind, wirklich in der Bevölkerung als tägliches Diskussionsfeld vorhanden.
Vinschgerwind:In den zwei Ländern fehlt allerdings die für Südtirol ausgebaute Autonomie.
Pixner: Das stimmt, aber unsere Autonomie ist auch nicht überall Gold, das glänzt.
Vinschgerwind: Mit welcher Erwartung gehen Sie in die Landtagswahlen?
Pixner: Sehr motiviert und mit einer aufrechten Haltung. Wir sind eine Bewegung, die zusammensteht. Wir haben im Vinschgau schon bewiesen, dass wir Wahlen gewinnen können, sind breit aufgestellt und werden auch dieses mal zulegen.

Interview: Erwin Bernhart

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