Dienstag, 21 Februar 2017 09:06

Nachgedacht Februar 2017

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s10sp1 098von Don Mario Pinggera

Anfang des Jahres 2017 sprach mich ein Mitglied meiner Pfarrei an. Sein Sohn habe sich das Leben genommen, ob er mit mir sprechen dürfe. Wir gingen sofort ins Pfarrhaus. Der aufgelöste Vater wusste nicht mehr ein noch aus. Sein Sohn hatte verfügt, dass die Asche irgendwo verstreut werden solle. Wir haben nach einem intensiven Gespräch doch entschieden, eine Urnenbestattung durchzuführen. So haben die Angehörigen neben der furchtbaren Katastrophe des Verlustes wenigstens einen Ort der Trauer. In der Tat ist das ein ganz schwerer Moment im priesterlichen Leben, wenn sich ein Mensch, gerade einmal 40 Jahre alt, das Leben nimmt. Es hat mich selbst sehr beschäftigt und beschäftigt mich noch. Was sagst Du bei der Bestattung? Was kann man überhaupt sagen? Wird Dir die Stimme versagen? So habe ich mich zu keiner Predigt im ursprünglichen Sinn entschlossen, sondern zu einem Gespräch mit Sandro, so hiess der junge Mann.  Die Weihnachtszeit war noch nicht vorbei, und ich habe mit Sandro ein ‚Gespräch‘ geführt, vor der Krippe, vor dem Jesuskind. Das Lied, das uns begleitet hat, steht im Gotteslob unter Nr. 256. Der Betrachter steht staunend vor der Krippe und sieht das Jesuskind, den Retter der Welt. Und der Betrachter kennt grösße Not, vor allem seine eigene. So heißt es im Lied „Ich lag in tiefster Todesnacht, du warest meine Sonne…“. In der Tat kommt wohl jeder Mensch einmal an den Punkt, wo er meint, jetzt geht gar nichts mehr. Wo ich so fertig bin, dass ich nicht mehr will und kann. Das ist Realität und gehört zum Leben. Zum Zeitpunkt der Beisetzung war Schneetreiben und starker Wind. Als aber das Lied zitiert wurde „wie schön sind deine Strahlen“ machte der Himmel kurz auf, ich deutete zum Himmel und alle lächelten so gut als möglich.
Im Zusammenhang eines solch schweren Momentes habe ich mich auch mit Kollegen und Freundinnen ausgetauscht. Tiefe Betroffenheit kam zurück, es wurde sogar geweint. Eine Reaktion eines (relativ jungen!) Priesters war: „du hast das sicher ganz toll gemacht und dein Bestes gegeben!“
Da musste ich erst einmal laut schlucken. Man kann so eine furchtbare Stunde nicht „toll“ machen und auch nicht „sein Bestes geben“. Derartige Begriffe gehören auf den Sportplatz oder ins Theater. Glücklicherweise war das die einzige Rückmeldung in dieser Qualität. In einer solchen Stunde kann man eigentlich nur noch mit den anderen weinen. Dietrich Bonhoeffer sagt zum Wesen des Christentums, dass wir das Leid der Anderen teilen müssen, wie es Jesus getan hat. Ich wünsche dem Priester aber auch uns allen, dass wir das Weinen nie verlernen oder es uns wieder aneignen. Erst dann werden wir ganz Mensch sein, in Freud und in Leid. Die Worte aus der Offenbarung des Johannes sind klar: Wo die Menschen dies (leider!) nicht schaffen, da wird Gott alle Tränen abwischen von unseren Augen.

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