Oberhofer hat 1998 den Impuls für eine Zusammenschau der Geschichte, einer Bestandsaufnahme und von Zukunftsperspektiven der Eigenverwaltungen Bürgerlicher Nutzungsrechte in Südtirol gegeben. Verwirklicht ist diese Idee seit kurzem. Denn gemeinsam mit den Trientnern und mit Hilfe des Südtiroler Bauernbundes konnte ein Buch herausgebracht werden, dessen Inhalt Oberhofers Wunsch entspricht.
Ziel ist es, die derzeit amtierenden und die zukünftigen Fraktionsverwalter, die mit den Fraktionen dauernd in Kontakt stehenden Gemeindeverwalter und auch die Bürger zu einem Bereich zu informieren und auch zu sensibilisieren, der die unmittelbare Wirtschaftsgeschichte unserer Vorfahren geprägt, der in der Gegenwart in der einen oder anderen Form präsent ist und dessen Zukunft, so Oberhofers Wunsch, gepflegt werden sollte.
Historiker, Rechtsexperten und Verwaltungspraktiker beleuchten in diesem Buch die Eigenheiten des speziellen Rechtsgebildes „Eigenverwaltung Bürgerlicher Nutzungsrechte“. Der Leser erfährt, dass die Trientner in der Verwaltung andere Wege gegangen sind, dass sich Gemeinschaften schon sehr früh, also vor Jahrhunderten, Rechte sicherten und diese in den Dorfrechten oder „Weistümern“ niedergeschreiben und sich von den jeweiligen Herrschern bestätigen ließen, dass die landesfürstliche Forsthoheit auf erbitterten Widerstand bei den Bauern stieß, dass mit dem Staatsgesetz von 1927 eine völlig andere Sichtweise auf das Wesen von Gemeinschaftsgütern Einzug gehalten hat, deren Geist heute noch lebendig und nicht zum Nachteil aller Bürger ist.
So trocken die Materie klingt, so spannend ist sie doch. Auch weil die Fraktionen, die Eigenverwaltungen also, in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts erst allmählich wieder gebildet worden sind.
In Südtirol sind das 118 Fraktionen, die heute mit einer eigenen Fraktionsverwaltung bewirtschaftet werden - im Vinschgau sind es bis auf der Töll 34. In Schluderns, in Martell in Schlanders (Vetzan und Schlanders), in Plaus und in Partschins werden die Bürgerlichen Nutzungsrechte von den Gemeindeausschüssen verwaltet. Vor allem um Wald und Weiden geht es bei den Eigenverwaltungen. Darin enthalten sind auch Almen.
Mit verschiedenen Landesgesetzen, zuletzt jenes von 1980, sind die Verwaltungen geregelt. Die urspünglich „unteilbaren und unveräußerlichen“ Gemeinnutzungsgüter mussten sich neuen Anforderungen beugen - Wirtschaft, Handwerk und Wohnbau meldeten Bedarf an Flächen an. Es mussten Regelungen gemacht werden, die es Fraktionen ermöglichte, Güter zu verkaufen, zu tauschen, zu verpachten.
Die Nachbarn in Trient sind mit ihren Bürgerlichen Nutzungsrechten als Gemeinschaft etwas besser organisiert, sagt Oberhofer. Denn sie erhalten finanzielle Unterstützung von der dortigen Landesregierung und können sich so ihre rechtlichen Positionen besser absichern.
In Nord- und in Osttirol, wo die Bürgerlichen Nutzungsrechte in der Nazi-Zeit großteils in Agrargemeinschaften mit grundbücherlicher Eintragung der Höfe umgewandelt worden sind, hat jüngst ein 10-jähriger Rechtsstreit über die Einkünfte der Güter ein für die Agrargemeinschaften ungünstiges Ende genommen.
„Bei uns haben die Faschisten nach der Annexion Südtirols zu Italien die Bürgerlichen Nutzungsrechte in den 1920er Jahren abgeschafft“, sagt Oberhofer. Die Nutzungsrechte, so der damalige Gedanke, sollten allen Bürgern zu gute kommen. Dem kann Oberhofer durchaus Positives abgewinnen. Denn dem wurde in der Landesgesetzgebung Rechnung getragen und diese Grundidee gilt heute noch. „Das fördert ja den Dorffrieden“, sagt Oberhofer. Jeder Bürger sei Fraktionist und also an den Gemeinnutzungsgüter beteiligt.
Vor kurzem hat es einen Angriff auf Teile der Gemeinschaftsgüter gegeben. Mit einem Gesetz wollte die Landesregierung auf Anregung von betroffenen Gemeinden regeln, dass Flächen von den Fraktionen, die bereits mit öffentlichen Gebäuden oder Straßen besetzt seien, unentgeltlich in den Besitz der Gemeinden übergehen sollten. Die Begründung dafür: Die Gemeinden müssten um teures Geld den Fraktionen Gründe abkaufen, die Fraktionen würden „beträchtliche Verkaufserlöse erwirtschaften, diese gewinnbringend anlegen können und so zu unverhältnismäßigem Reichtum gelangen.“
Oberhofer, der 40 Jahre lang im Latscher Fraktionsausschuss tätig war - 15 Jahre im Ausschuss und 25 Jahre lang als Fraktionspräsident - konnte das Ansinnen vor knapp zwei Monaten mit Hilfe der Bauernbundführung Bozen stoppen. Auch mit dem Hinweis, dass man mit einer solchen Formulierung sämtliche Fraktionsverwalter und auch die Mitglieder der einzelnen Fraktionen beleidigt. Schließlich würden die Gelder wieder für die Gemeinschaft investiert.
Der auch für die Fraktionen zuständige Landesrat Arnold Schuler hat sich im vorliegenden Buch den Fraktionsverwaltungen gegenüber sehr positiv geäußert. In seinem Vorwort schreibt Schuler unter anderem: „Als zuständiger Landesrat wünsche ich mir und will mich dafür einsetzen, dass Gemeinnutzungsgüter nicht nur Zukunft haben, sondern als fester Teil unserer Kultur und Lebensweise geschützt, gepflegt und umsichtig verwaltet werden.“ Das freut Oberhofer.
Wohlwollende Vorworte haben auch Regionalassessor Josef Noggler und der Obmann des Südtiroler Bauernbundes Leo Tiefenthaler beigesteuert.
In den Fraktionen ist eine Art Verband der Eigenverwaltungen wünschenswert mit einer verbindlichen Verankerung in der Abteilung 7 des Landes. Derzeit steht die Abteilung 7 „Örtliche Körperschaften“ mit Maria Tscholl und Marlene Chizzali mit der geschäftsführenden Abteilungsdirektorin Marion Markart den Fraktionen zum Teil beratend zur Seite, ein anderer Teil ist im Amt für bäuerliches Eigentum (Konsortien, Agrargemeinschaften & Gemeinnutzungsgüter) angesiedelt.
Weil die Eigenverwaltungen öffentlichen Charakter haben und über die bäuerlichen Nutzungen hinausgehen und weil sich die Anforderungen ständig ändern, ist eine Ansiedelung der Fraktionen außerhalb der rein bäuerlichen Bereichen legitim. Die Fraktionsverwaltungen haben explizit die Aufgabe, die Gemeinnutzungsgüter und deren Erlöse nicht zu schmälern. Im Gegenteil sei darauf zu achten, dass für die Nutzungsberechtigten kein Nachteil erwächst. Es geht vor allem um Rechtssicherheiten. Denn die gewählten Vertreter der Fraktionen sind von einer Gemeinschaft gewählt, zu der alle Bürger mit mindestens 4-jähriger Ansässigkeit in der jeweiligen Fraktion zählen.
Die Fraktionsverwaltungen haben die Aufgabe, Überliefertes zu bewahren, darauf zu schauen, denn die Zeiten können sich ändern. Das ist Oberhofers Wunsch und Vermächtnis an die Fraktionsverwalter.
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