Dienstag, 26 Mai 2015 15:38

Nationalpark Stilfserjoch - Industrielle Landwirtschaft versus bäuerliche Landwirtschaft - Ein Beitrag anlässlich des beginnenden Almsommers

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DSC 7535Wolfgang Platter, am Tag des Hlg. Urban, Bischof, 25. Mai 2015

Dort, wo die Almen noch bestoßen werden, beginnt in den nächsten Wochen der Almsommer. Mit dem Viehauftrieb beginnt für die gesömmerten Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde die Sommerfrische der Haustiere. Die Almsömmerung entspricht für die an das Gebirgsklima angepassten heimischen Haustierarten der artgerechten Tierhaltung  und trägt zur Tiergesundheit bei.


Der beginnende Almsommer ist mir Anlass zu einigen Reflektionen zur industriellen Landwirtschaft und zur bäuerlichen Landwirtschaft. Dies in einer Zeit, wo als zwei Ziele der industriellen Landwirtschaft die Erzeugung von hinreichenden Mengen an Nahrungsmitteln für die heute über 7 Milliarden Erdenbürger und für das Jahr 2050 auf 10 Milliarden geschätzten Menschen  und die Bekämpfung des Hungers angeführt werden. Der sogenannte „ökologische Fußabdruck“ dieser industriellen Landwirtschaft wird immer größer und einschneidender. Industrielle Landwirtschaft bedeutet allzu oft Massentierhaltung, Verbrauch von Nahrungsmitteln für die Menschen in den Anbauländern als Tierfutter in den wohlhabenden Ländern mit hohem Fleischkonsum. Auch hoher Energieverbrauch und hohe Transportbelastungen mit Ausstoß von Kohlendioxid als Treib-hausgas mit negativen Folgen auf den Klimawandel erwachsen aus der industriellen Landwirtschaft.
Dem negativ behafteten Szenario der industriellen Landwirtschaft stehen die bäuerliche Landwirtschaft in kleinen, überschaubaren Familienbetrieben, die Berglandwirtschaft mit der Verfütterung von Futtermitteln aus der eigenen Hof und Weidefläche gegenüber.

Global denken und lokal handeln
Der deutsche Dokumentarfilmer Valentin Thurn (Jahrgang 1963) und der deutsche Journalist Stefan Kreutzberger (Jahrgang 1961), Autor und Medienberater mit dem Arbeitsschwerpunkt Umweltthemen haben sich in ihrem neuen Buch „Harte Kost“ (Ludwig-Verlag, 2014) mit den Fragen, wie unser Essen heute produziert wird, beschäftigt. Auf der Suche nach Lösungen für die Ernährung der Welt listen die Autoren schockierende Tatsachen aus der industriellen Landwirtschaft auf und zeigen einleuchtende Alternativen zur Erzeugung von mengenmäßig hinreichenden und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln in den kleineren Einheiten der bäuerlichen Betriebe auf. Ohne Entzug von Nahrungsmitteln als Viehfutter, bei Einsparung von Energie- und Transportkosten und Reduzierung von Treibhausgasen. Artgerechte Tierhaltung in der bäuerlichen Landwirtschaft, bergbäuerliche Landwirtschaft mit Almsömmerung sind auch ein Beitrag zur zukunftsfähigen Absicherung der Produktion von gesunden Nahrungsmitteln ohne Landraub  in Drittweltländern.
Einige Zitate aus dem oben erwähnten Buch von V. Thurn und S. Kreutzberger möchte ich anführen. Vielleicht können sie auch zu einer kritischen Reflexion über die eigenen Ernährungsgewohnheiten beitragen.

Ernährung der Weltbevölkerung
heute und morgen
Von den 7 Milliarden Menschen unserer Erde hungert eine Milliarde und zwei Milliarden sind mangelernährt, während gleichzeitig die Hälfte der produzierten Nahrungsmittel im Müll landet. Alle Hungernden der Welt könnten rein rechnerisch allein dreimal von der Hälfte der in Nordamerika und Europa weggeworfenen Lebensmittel satt werden. Bis zur Hälfte aller für den menschlichen Verzehr geeigneten Lebensmittel werden bereits auf dem Acker untergepflügt, verderben beim Transport oder werden in den Müll geschmissen. Sie werden an Tiere verfüttert oder zur Stromerzeugung verbrannt und zu Gas verrottet. Die Verschwendung von weltweit 1,3 Milliarden Tonnen Lebensmitteln entspricht der gesamten Produktion Afrikas südlich der Sahara. Die derzeit produzierten Nahrungsmittel würden für 14 Milliarden Menschen reichen. Doch viele können sich schlichtweg nicht genug zum Essen leisten, weil ihnen die Kaufkraft fehlt. Nach den Zahlen der Welternährungsorganisation FAO (Food and Agriculture Organisation of the United Nations) erzeugen wir heute 5.000 Kalorien pro Kopf der Weltbevölkerung. Brauchen tun wir eigentlich nur 2.000. Das Problem ist für viele Menschen also nicht die erzeugte Menge an Lebensmitteln, sondern der Zugang zum Einkommen, um sich Lebensmittel leisten zu können.

Energieverbrauch
Man kann die Frage der vermeintlichen Überbevölkerung nicht vom Ressourcenverbrauch trennen. Die Einwohner der Stadt New York verbrauchen an einem Tag mehr Energie als der gesamte afrikanische Kontinent.“

Trog oder Teller?
Die industrielle Landwirtschaft benötigt riesige Menge Getreide wie Mais, Weizen und Soja. Das für die Tiermast in Deutschland benötigte Soja importieren die deutschen Tiermäster hauptsächlich aus Brasilien und Argentinien. Für die Produktion wird dortiges Land in Anspruch genommen. Deutschland gewinnt Ackerland, Brasilien „verliert“ das eigene Ackerland. So kommt es zu einem virtuellen Export von Ackerland von Brasilien nach Deutschland. 2012 wurden auf der Welt 2,2 Milliarden Tonnen Getreide geerntet. Davon wurden nur 47% direkt für die menschliche Ernährung verwendet, 34% gingen in das Tierfutter und die restlichen fast 20% wurden zu Treibstoff oder Industrieprodukten verarbeitet.

Der große Hunger nach Fleisch
Industrialisierte Monokulturen ändern die Landnutzung, zerstören natürliche Ökosysteme durch Rodung von Urwäldern und führen zum Verlust von Artenvielfalt. Künstliche Düngemittel potenzieren den Stickstoff- und Phosphoreintrag in die Biosphäre. Der enorme Verbrauch der Anpflanzungen an Süßwasser senkt vielerorts den Grundwasserspiegel: Jedes Kilo Weizen hat 1.100 Liter Wasser verschluckt und ein Kilo Reis etwa 2.770 Liter. Gar bis zu 16.000 Liter sind notwendig, um ein Kilo Rindfleisch zu erzeugen.

Der Fußabdruck des Fleischkonsums
DSC 0606Rein statistisch verbraucht jeder der 82 Millionen Einwohner Deutschlands etwa 88 kg Fleisch im Jahr (z. Vgl: 1 US-Amerikaner 130 kg, 1 Chinese 1969 9 kg, 2009 schon 58 kg). Der Flächenfußabdruck eines Bundesdeutschen durch Verbrauch landwirtschaftlicher Rohstoffe beträgt 2.900 Quadratmeter. Die Hälfte der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlandes wird für die Fleischproduktion benötigt.
Für ein Kilogramm Zuchtlachs sind in der Regel 4-5 Kilogramm anderer Fisch nötig. Charles Clover vermutet in seinem Buch „Fisch kaputt“ (2005), dass die Menge der vom Menschen gegessenen Fischeiweiße nur etwa 10% der Meerestiere ausmacht, die jährlich vernichtet werden.

Saatgut in Bauernhand
Das globale Saatgutgeschäft ist extrem konzentriert. Nur drei Konzerne teilen sich 53% des Marktes: Monsanto, Du Pont (Pioneer) und Syngenta. Das bekannteste Kontrastprogramm zur privatisierten Patentindustrie ist das 1991 in Indien von der Menschenrechtlerin Vandana Shiva gegründete Netzwerk lokaler Gemeinden und Organisationen „Navdanja“ (neue Saat/Samen). Im nordindischen  Orizza hat die Trägerin des Alternativen Nobelpreises mit Bauern eine regionale Saatgutbank von 727 unterschiedlichen Reissorten angelegt. Die Stadt Orizza hat ihren Namen übrigens vom botanischen  Namen für den Reis (Oryza sativa). Früher soll es gar 25.000 Reissorten für verschiedene Boden-, Wasser- und Klimaansprüche gegeben haben.

Wer sind die Kleinbauern?
Weltweit gibt es 525 Millionen Bauernhöfe, davon 454 Mio. in Asien mit einer durchschnittlichen Hoffläche von nur 1,6 Hektar und 44 Mio. in Afrika mit ebenfalls 1,6 ha Durchschnittsfläche. In Europa gibt es 22 Mio. Bauernhöfe mit einer durchschnittlichen Hoffläche von 27 ha. In Nord- und Südamerika gibt es 5 Mio. Bauernhöfe, wobei die bewirtschaftete Fläche in Nordamerika durchschnittlich 121 ha und in Südamerika 67 ha beträgt. Die flächenintensiven Großbetriebe beispielsweise in den USA und in Brasilien tragen nur zu 30% zur weltweiten Nahrungsmittelerzeugung bei. Den größten Teil der Nahrungsmittel erzeugen weltweit betrachtet kleinbäuerliche Betriebe auf Flächen unter 2 ha. 450 Mio. Familienbetriebe mit mehr als 2 Millarden Angehörigen, hauptsächlich in Asien und Afrika, bewirtschaften als Kleinbauern oder Genossenschaften 85% aller Bauernhöfe der Welt.

Brudermord im Hühnerstall
In der industriellen Landwirtschaft hat sich aus Gründen der Effizienz ein grausamer Umgang mit „ökonomisch nicht nützlichen“ Tieren etabliert. Seit bei Hühnern zwischen Legerassen und Fleischrassen unterschieden wird, gelten die männlichen Küken der Legehennen-Rassen als überflüssig. Deshalb werden die Hähnchen gleich als Eintagsküken von geschulten Arbeitern aussortiert. Während die jungen Hennen zur Impfung geschickt werden, fahren ihre Brüder direkt in den sogenannten Kükenvermuser, der sie bei lebendigem Leib zerschreddert, oder sie werden mit Lachgas vergast. Allein in Deutschland sterben im Jahr etwa 35-45 Mio. Küken auf diese Art. Die Menge an jährlich getöteten Eintagsküken entspricht dabei annähernd jener Menge an Legehennen, welche die 10,6 Milliarden Eier legen, die jährlich in den Einkaufskörben der deutschen Verbraucher landen. Zu welch respektlosem Umgang mit dem Geschöpf Tier ist der vernunftbegabte Homo sapiens fähig geworden!

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