Die erste Wortmeldung aus dem Publikum kommt an diesem Abend vom Primar der Chirurgie Schlanders Peter Stecher: „Wenn die Chirurgie auf eine Tageschirurgie zurückgestuft wird, dann wird sie praktisch abgeschafft. Es werden dann nur mehr ganz einfache Operationen gemacht, und es wird schwierig überhaupt Ärzte zu finden, die diese Operationen durchführen. Haben wir keine Ärzte mehr, brauchen wir auch nicht mehr zu diskutieren.“ Applaus brandete im Publikum auf. Der Saal im Kulturhaus Schlanders war gut gefüllt an jenem Abend.
Während Stocker die nicht enden wollende Kritik eher über sich ergehen lässt, ist es Kompatscher, der den Kritikern den Wind aus den Segeln nimmt und sich nicht unter Druck setzen lässt. Der neue Landeshauptmann bringt das seriöse Auftreten mit, um auch die kritischsten Geister unter den Anwesenden auszugleichen, hält die Contenance, damit die rauhen Töne nicht Überhand nehmen. „Es wird am Ende nicht allen alles gefallen“, sagt er, um wenig später ein Beispiel nachzureichen. „Ein Unternehmer, der weiß, er muss sein Unternehmen wettbewerbsfähiger machen, wird letztendlich auch nicht seine Mitarbeiter fragen. ... denn der Mitarbeiter wird das aus einer ganz subjektiven Sicht sehen. Das wird unsere Verantwortung sein. Und dann liegt es an Ihnen das gut oder schlecht zu befinden.“ Es war die Antwort auf die Kampfansage vom Prader Gemeindearzt Wunibald Wallnöfer: „Es nützt nichts, wenn man das Krankenhaus Schlanders verkrüppelt. Das sollen sich die Vinschger nicht gefallen lassen und sich unter Umständen überlegen, darauf politisch zu reagieren.“
Es sind ungemütliche Wochen für das Duo, vor allem für Martha Stocker. Die Gegenreden, die ihr entgegenschlagen sind viele. „Wo wollt ihr denn die Leute in der Chirurgie in Meran unterbringen? Auf Stockbetten?“, fragt einer der Anwesenden. Stocker: „In Meran ist durchaus ein Trakt vorhanden, der mit ganz wenigen Mitteln ausgebaut werden kann. Von dem her ist die räumliche Verfügbarkeit durchaus gegeben.“ Ein anderer stellt eine Paradoxie zwischen dem Ausbau der Bettenabteilung und der Schließung der Chirurgie fest. Stocker: „Wir schließen hier nichts. Wir stellen tagesklinisch um. Betten werden auch dort gebraucht. Und wir sind für die Zukunft gerüstet, weil die Menschen immer mehr Pflege bedürfen.“ Wird der Bettentrakt längerfristig ein Pflegeheim? Das dürfte sich der ein oder andere gefragt haben im Saal.
Natürlich wettern die Ärzte, das Krankenhauspersonal, die Bürger. Schließlich betrifft das Krankenhaus irgendwie jeden. Beispiel Blinddarmdurchbruch. Dieser soll künftig vom Rettungsdienst oder der Flugrettung übernommen werden. Die neuen Hubschrauber sind so ausgestattet, dass sie auch nachts fliegen können.
Gebetsmühlenartig wiederholen Arno Kompatscher und Martha Stocker an diesem Abend, dass nur Vorschläge auf dem Tisch liegen würden. Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen. Auch weil es starken Gegenwind – politischen Gegenwind – gibt. „Wir arbeiten zusammen mit dem Burggrafenamt an einem Gegenvorschlag“, ließ BM Dieter Pinggera die Landesrätin und den Landeshauptmann wissen. Und: „Man wird nicht um diesen herumkommen.“ Derweil lebt die Hoffnung - eine kleine zumindest - weiter.
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