„1942 geboren. Kindheit und Jugend in Kohlern bei Bozen„ lesen wir in der Ankündigung der Kastelbeller Ausstellung. Heidrun Pupp zeigt in dieser großen Retrospektive in acht Räumen ihr Werk. Dabei wird ihr Werdegang auf drei Ebenen sichtbar: „Vom Duft der Natur zur Tiefe der Seele“ zu führen verspricht die Künstlerin am Beginn der Saalfolge.
Im ersten Raum hängen frühe Arbeiten, Aktstudien, perfekt gezeichnet. Der Akt enthält alle Maße, Verhältnisse und Perspektiven, die wir brauchen, um uns in der Welt zurecht zu finden. Sie hat Schubladen voll mit Studien zum menschlichen Körper. Erotische Bilder aber gibt es keine, sie sind nicht notwendig. Die Erotik ist allgegenwärtig in der ganzen Schöpfung. Vor allem erfahrbar auch mit den Füßen auf der Erde.
„Babys Füße“ aus dem Jahr 1989, Öl auf Leinwand, die Heidrun entdeckt eine neue Welt. Ein neues Sinnesorgan, ähnlich den Augen. Füße sind aber meist verschlossen, „verkleidet“, eingeschnürt. Begreifen mit den Füßen, den Fußsohlen. Liegen im Gras, barfuß. Das niedergedrückte Gras erhebt sich. Symbol für das Elend in der Fremde?
„Von dort kam sie“, die Heidrun, von der Sommerfrische in Kohlern. Dort gab es den Reichtum der grünen Heimat, Wiesen, Wald, den freien Atem und den Blick hinunter auf das Getriebe des Tales: Straßen, Fabriken, Häuser, Wühlarbeiten überall.
All das konnte sie von Kohlern aus mit Distanz betrachten, ohne davon berührt zu werden, mit den Augen des Sommerfrischlers … das ist ein ganz eigener Zugang zur Wirklichkeit. Eine Bozner Erfahrung. Natürlich gibt es auch anderswo Sommerfrischen mit entsprechendem Weltbild, aber die Neigung zum Rückzug in eine eigene Welt ist hier besonders ausgeprägt.
„Wildwechsel“ fällt mir ein, wenn ich an die vielen Künstler und Kulturschaffenden denken, die unser Land aus den verschiedensten Gründen für kurze oder längere Zeit verlassen. Und manchmal wieder zurückkehren in die alte Heimat. Bereichert oder vielleicht auch verzweifelt? Wie ist das mit dem Wildwechsel? Entsteht er wegen zu engem Lebensraum? Ich verstehe nichts von der Jagd … werden dabei überzählige Hirsche, Rehe, Gämsen von ihresgleichen verjagt ohne Gnade und ohne Wiederkehr?
Auf derartige Anspielungen antwortet die Künstlerin mit Bildern, wenn Kinder ihre Ausstellung besuchen und alles erklärt haben wollen; besonders wenn sie von Ängsten und Befreiung erzählt. Überzeugend mit Erfahrung in der Psychotherapie für Jugendliche.
Leise verwandeln sich Farbbotschaften in Wörter, die nach anderen suchen und sich im Gehirn zu Sätzen fügen. Die Heidrun ist eigentlich eine Erzählerin.
Aber dann ist sie doch wieder Malerin. „Die Farben - in Suppentellern angerührt - fege und bürste ich mit handbreiten Pinseln vehement über die ausladende Stoffbahn. Dann zurücktreten. Oh! Das Gelb! Schrill und schrecklich! Schnell abkratzen! Mit Weiß vermengen - auftragen - leblos - stumpf!“ Das schreibt sie in einem erklärenden Text zum Bild „Crescita“ aus dem Jahre 1998. Ein großes Ölbild auf Leinwand in den Maßen 170 x 130 cm, eine Auftragsarbeit mit dem Untertitel „Ein Lichtsystem“. Der Besitzer ist Manager, also ein Unternehmer, der durch Betrachten dieses Bildes gestärkt wird und sicher entscheiden kann - wie er zufrieden bestätigt.
Schloss Kastelbell wird durch diese Ausstellung mit jenem Leben erfüllt, das die Erbauer und adeligen Besitzer lange Zeit gepflegt haben, das allerdings fast zum Erliegen kam. Was wird die nächste Ausstellung bringen? Seit vielen Jahren wird das Schloss nun wieder belebt, auch im alten Geiste, jetzt vor allem durch die Kunst.
Das „schöne Schloss“ Kastelbell macht seinem Namen Ehre ... zum unermüdlichen Einsatz des Kuratoriums: „Ich kam von dort und bin jetzt hier“.
Hans Wielander
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