Seine Reise dorthin begann im November 1971 mit einer dreitägigen Irrfahrt. Bis Verona und Mailand verlief die Fahrt unproblematisch. Doch dann war Bruno mit dem Umsteigen überfordert und erwischte einen Zug nach Domodossola. Wieder in Mailand stieg er erneut in den falschen Zug und kam nach Verona zurück. Es begann alles von vorne. „Zun Glück hon i in main Kofferle an Speck unt a Brot drin kopp“, scherzt er. „Obr koschtn lossn hon i niamat kennt, weil i nit gwisst hon, wia long i ummerfohr.“
Ein Kartenzwicker, dem Bruno mehrere Male begegnet war, wurde stutzig und schaute sich den Einberufungsschein genauer an. In Mailand packte er Bruno am Ärmel und setzte ihn in den richtigen Zug. „Resta là“, befahl er ihm. Ein Militär-Jeep, der zufällig am Bahnhof in Cuneo stand, brachte ihn schließlich zur Kaserne. Sofort wurden ihm seine schulterlangen Haare abrasiert, und er bekam die Militärkleidung. Uniform und Hut waren ihm viel zu groß. „I bin mit 1,65 Meter z’kloan gweesn“, lacht er. „S’ Gwehr hon i nochgstraaft, unt in Huat hon i gmiaßt mit Papier ausschoppn.“ Bruno wurde der Küche zugeteilt, wo er sich wohl fühlte. Er lernte nach und nach auch recht gut Italienisch. Von der ersten obligatorischen Impfung für Soldaten hatte Bruno kaum etwas gespürt. Doch die zweite Spritze setzte ihm so zu, dass er daraufhin von einem Krankenhaus ins nächste kam und letztendlich in einem Sanatorium in Varese landete. Dort schlich er sich mit Kollegen über ein Loch im Zaun öfters für einige Stunden in die Stadt. Einmal warfen sie ihn ins städtische Schwimmbad, weil sie ihm nicht glauben wollten, dass er Nichtschwimmer war. Sie mussten ihn retten. „I hon fa di 15 Monat Militär lai ocht Monat Dienst gmocht“, erklärt er.
Bruno wuchs mit sechs Stiefgeschwistern in Rifair auf. Seinen biologischen Vater lernte er trotz späterer Suche nie kennen. „Dr Stiefvotr isch olm guat zu miar gwesn“, bekräftigt er. Den Kindergarten und die Schule in Taufers erreichte er mit anderen Kindern über einen halbstündigen Fußweg. Kälte, Nässe setzten ihnen oft zu. Doch sie hatten auch viel Spaß. Als Elfjähriger lernte Bruno das Schweizer Alm-Leben kennen. Oft durchstreifte er Wälder und stieß auf abgestoßene Hirschgeweihe. Daraus entwickelte sich seine Sammlerleidenschaft. Den Lohn als Jungvieh-Hirte auf Brail musste er daheim abgeben. Mit dem Geld von „Buffalora“ durfte er sich einen „Fiffi“ kaufen. Oft brach er heimlich mit Kollegen zu Spritztouren nach Prad auf, zum Bierkeller oder zur Discothek Ladum.
Bruno wollte Maurer werden, doch seine Mutter hatte wegen seiner schmächtigen Statur Bedenken. Er lernte Tischler, zuerst in Schlanders, dann in Taufers. „Es hot miar nit gfolln“, sagt er. Dann durfte er Maurer lernen. Noch bevor er den Führerschein erworben hatte, kaufte er sich einen FIAT 600, den er auf den Wiesen bei Rifair ausprobierte. „Pa dr Fohrschual hon i norr schun fohrn kennt“, meint er. Die 150.000 Lire für den Führerschein bezahlte ihm sein Stiefvater, denn dieser brauchte einen Fahrer für den Traktor.
Dann begann Brunos Militärdienst. Zwei Monate nach seiner Heimkehr im Jahr 1973 war plötzlich nichts mehr, wie es war. Denn seine Mutter starb. Die jüngsten Geschwister waren drei und vier Jahre alt. Der Schmerz war groß. Bruno und die älteren Schwestern kümmerten sich um die Kleinen, während der Vater in der Schweiz arbeitete. Erst vier Jahre später konnte auch Bruno dort seinen Maurerberuf wieder aufnehmen.
Im Winter 1978 lernte er in Sulden Hermine Alber aus Kortsch kennen. Ein Jahr später folgte die Hochzeit. Hermine schenkte ihm zwei Töchter. Nach Jahren in Mietwohnungen zog die Familie ins Eigenheim in Pradatsch. Seit 2012 arbeitet Bruno in der Firma Polyfaser in Prad.
Vor Jahren hat er damit begonnen, aus Geweihen und Tierzähnen kleine Schmuckstücke anzufertigen, darunter Edelweiß-Anstecker, Hirschknöpfe, Ringe, Schnupftabakdosen und vieles mehr. Da er mittlerweile auch zu den Mineralien-Sammlern zählt, tüftelt er neuerdings auch an Horn-Stein-Verbindungen. Immer wieder fällt ihm etwas Neues ein. Vor kurzem hat er erstmals eine „Teufelsgeige“ gebastelt. „Ob dia richtig funktioniert, wos i nit“, lacht er.
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