Beide können interessante Geschichten erzählen, die wie ein Märchen klingen. E. T. A. Schweizer stammt aus Basel und hat in seiner Jugend mit den Eltern den Urlaub im Münstertal verbracht. Er ist ein Weltbürger und Musiker von Beruf. Irgendwie passt er gar nicht in dieses abgeschiedene Tal und doch hat er sich in diesen Ort und besonders in das Ritterhaus verliebt, wenn er auch seine Kämpfe mit dem Tal führt. Wahrscheinlich besteht auch heute noch eine bestimmte Distanz zwischen dem Musiker und Hotelier und den Talbewohnern. Das Ritterhaus ist ein alter Ansitz der Grafen de Capol, die von Venedig abstammten und im Tal als Regierungsstatthalter tätig waren. Augustinermönche betrieben im Haus zeitweise ein Hospiz. So haben früher Ritter, Säumer und Mönche, Künstler und Gaukler Einkehr gehalten. Oswald von Wolkenstein und Kaiser Maximilian übernachteten im Haus. 1838 starb der letzte Graf de Capol ohne Nachkommen. Der Ansitz stand über 100 Jahre leer. 1955 kaufte E. T. A. Schweizer das Haus. Ein befreundeter Journalist, der in Bonn arbeitete, gab die Anregung, aus dem Ansitz ein Hotel zu machen und vermittelte noble Gäste aus Bonn, damals die Hauptstadt der Bundesrepublik. Schweizer wollte das zuerst nicht, das Haus war nicht für Gäste eingerichtet. Es gab kein fließendes Wasser und nur ein Plumsklo. Der erste Gast war Eugen Gerstenmaier, damals deutscher Bundestagspräsident. Diesem gefiel das Haus und die bescheidene Wohnweise und er holte die politische Führungselite der Bundesrepublik zu einem Arbeitstreffen nach Santa Maria: Bundespräsident Theodor Heuss, Bundeskanzler Konrad Adenauer und Außenminister Heinrich von Brentano. Das deutsche Fernsehen berichtete über diesen Aufenthalt. Später kamen Persönlichkeiten wie Charles Chaplin, Herbert von Karajan, Max Frisch und Friedrich Dürrenmatt und viele andere.
E.T.A. Schweizer studierte am Mozarteum in Salzburg und war viele Jahre Dirigent im Opernhaus La Fenice in Venedig. Er hatte Engagements an der Camerata Salzburg und auch einen Lehrauftrag am Konservatorium in Bozen und pendelte jahrelang zwischen Venedig und dem Münstertal. Er baute den Ansitz mit großem Respekt vor den 800 Jahre alten Mauern zu einem Hotel um. Heute ist es ein gut funktionierendes Haus mit vielen Besonderheiten. Das Hotel ist vom Keller bis zum obersten Stock ein Museum mit interessanten Gegenständen, alle gesammelt und behutsam in den Raum gestellt. Es gibt offene Feuerstellen, eine alte verrußte Küche mit einem Gewölbe. Der Weg zu den Toiletten im Keller führt vorbei an Kutschen und Oldtimern. Im Rittersaal wird gespeist, es gibt einen alten Weinkeller, wohnliche Stuben, komfortable Gästezimmer und auf dem Dachboden ein Musiktheater mit einem Steinway Flügel. Die Spuren Venedigs und die Liebe zur Musik sind nicht nur in der Marco Polo Bar sichtbar, überall gibt es venezianische Masken und eine Reihe von Tasteninstrumente. Jeder Raum hat seinen eigenen Charakter und seine eigene Ästhetik.
E. T. A. Schweizer ist heute über 80 Jahre alt und bereits 1997 hat er das Hotel seinem Sohn Ramun übergeben. Dieser kocht auf einem Holzofen und verwendet Kupferpfannen, wie vor Jahrhunderten. Seine traditionelle Küche ist eine Besonderheit des Hauses. Am 22. März gab es im Ritterhaus eine Lesung im Rahmen der Kulturveranstaltung „Literatur an der Grenze“, initiiert und organisiert von Johannes Fragner-Unterpertinger und Sibille Tschenett. 20 Personen saßen vor dem offenen Kaminfeuer im Ritterhaus „Chasa de Capol“, als Schweizer seine Novelle „Ein uraltes Holzfass, belauscht von E.T.A. Schweizer“ vorlas. Die Geschichte erzählt von Karl dem Großen, der mit seinen Begleitern nach Italien zieht und in Bozen im Kloster Muri Gries Halt macht. Die Aufregung ist groß, denn es muss alles unternommen werden, damit die Gäste genügend Wein bekommen. Ein Klosterbruder wird in ein Weinfass gesperrt, aber am Ende geht alles gut aus und Karl zieht nach Rom, wo er vom Papst zum Kaiser gekrönt wird. E.T.A. Schweizer kennt den Vinschgau und die Regionalgeschichte bestens. Mit seinen Gästen besucht er oft den Vinschgau und speist gerne in Gaststätten mit einer bodenständigen, einfachen Küche.
Nach der Lesung sitzen wir noch lange bei einem Veneziano in der Bar Marco Polo. E.T.A. Schweizer erklärt mir seine Interpretation der Calvenschlacht. Ausführlich erzählt er, wie er zum Hotelier wurde und wie die ersten Gäste kamen. Nach Mitternacht fahre ich los. Früher war um diese Zeit die Grenze bereits geschlossen, jetzt kann ich darüber fahren, ohne kontrolliert zu werden. Das Münstertal ist der Schweizer Teil des Vinschgaus, sagt E.T.A. Schweizer, „die Grenze“ sollen wir einfach übersehen.