Dienstag, 25 Juni 2013 09:06

Farbige Träume

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DSC06738von Hans Wielander

„Unser schönes Land ist auf die Dauer nur auszuhalten, wenn ich zumindest einmal jährlich nach Wien oder Venedig fahren kann“, erklärte vor Jahren ein geplagter Bürgermeister, Politiker, Unternehmer, Sportler, Kunstsammler ... Er brauche Entspannung durch neue, wippende Ebenen, durch glucksendes Wasser, auf dem in schwankenden Gondeln wieder geträumt werden kann. Statt Asphalt und harter Pflasterung leichtes Schweben über durchsichtige Böden. Flüssige Farben, in denen sich die Sonnenstrahlen bündeln.


Damit sind wir in Venedig, beim farbigen Träumer, bei Robert Scherer. Schon als Hirte in den Tiroler Bergen wanderte sein Blick der Etsch entlang in Richtung Meer, zur Adria, zu den weißen Palästen aus Marmor. Ihr Urbild liegt im Eis, im Kristallpalast des Cevedale, in dem einst die Saligen, die hilfreichen „Frauelen“, wohnten; sie atmen und leben noch immer im Werk des Künstlers. Auch der aus dem Gebirge angeschwemmte Schlamm der Lagune stammt aus Martell.
Im Material liegt Erinnerung und also führt uns der Robert durch die ganze Welt, so auch in ein Meraner Wohnzimmer, zu einem Bild, das ich „Zauberberg“ nenne. Eigentlich zeigt es eine Dolomitenlandschaft. Es wächst aber weiter, wird zum Klosterberg, vielleicht griechisch, wird zum Babylonischen Turm, also zum Bild einer Stadt, die den Himmel mit der Erde verbinden möchte.
venetianDie Auflösung in räumliche Flächen und ihre Bündelung fügen sich zum Gewölbe, schaffen Gemeinsamkeit, Versöhnung, Zwiesprache.
Gewölbe ... wenn wir die verschiedenen Wohnorte dieses Künstlers als Basis für ein Gewölbe annehmen, dann entsteht ein gewaltiger Weltenbau mit ausladenden, kostbaren Fresken, immer ein bisschen Sixtinische Kapelle. Der Vergleich ist naheliegend: Schulen, Banken Kirchen, also öffentliche Bauten, überall schauen wir staunend hinauf und lesen Geschichten. Aufgeschlagene Bücher, Traumhaftes und Wirkliches. Anatomische und geologische Strukturen, zeitferne Fossilien, immer wieder Augen und immer wieder Schöpfung, Auflösung, Wanderung. Religiöses Suchen, tanzende Engel, Schichten der Bewusstwerdung, die er in Glas einfängt. Die ganze Welt wird vor uns ausgebreitet, wie auf dem großen Markttag, dem letzten Gericht. Eine Stütze des Robertschen Universalgewölbes ist nun die kleine Stadt Ala, die ehemalige Samt- und Seidenstadt der Habsburger, gelegen am unteren Ende Trentinos und des alten Landes Tirol. Er hat sich getraut, dort seinen Wohnsitz aufzuschlagen, den wertvollen Palazzo zu restaurieren und möchte seinen Landsleuten sagen: Ich habe Mut, ich überwinde Grenzen, nationale Vorurteile... viele haben das schon gepredigt ... ich aber habe es getan!

 

Der Künstler Robert Scherer wurde 85

In seinem Palast in Ala, im melancholischen Trentiner Städtchen an der Etsch, wurde am 7. Juni Rob. Scherers 85. Geburtstag gefeiert – und aus seinem Leben erzählt, einem nicht untypischen Vinschgauer Lebensweg:
1928 Geburt in Kortsch in bescheidenen Verhältnissen, Katakombenschule, 1940 Auswanderung der Familie nach Ottensheim bei Linz, dort und in Deutschland bis 1945 Weiterbildung (Rufach u.a.), Militärdienst und Gefangenschaft, dann zurück und Malerlehre in Schlanders und beim Restaurator Peskoller in Bruneck.
1951 – 58 Akademie der Bildenden Künste in Wien bei F. Santifaller, A.P.Gütersloh, H.Boeckl und C.Holzmeister.
1960 – 66 Lehrtätigkeit und Hausbau nach eigenen Plänen in Brixen (Galerie „Das Dreieck“) mit Elisabeth Baumgartner (+2005).
Dann frei schaffender Künstler mit Wohnsitz in Bozen, in Eppan und in Altenburg/Kaltern mit Johanna Pinggera (+1991).
Dazwischen immer wieder Reisen und Malaufenthalte: England, Frankreich, Venedig (Glashütte „Fucina degli Angeli“), Galerie in Caorle mit Beate Gantz , ein Jahr Spanien („El Venostano“), Mexico, USA, Israel, Sahara, Klosterberg Athos, Sri Lanka, Lehrtätigkeit an der Salzburger Sommerakademie, Aufbau der Freskoschule Bozen…
Und unzählige Ausstellungen.
Seit ca. 20 Jahren lebt und arbeitet Rob. Scherer in Ala in dem von ihm erworbenen und renovierten Palazzo Ferrari-Malfatti, bis ins 19. Jahrhundert Residenz reicher Seidenbarone, die u.a. den Kaiserhof in Wien mit Samt und Seide versorgten.
Rob. Scherer ist ein Heimatloser. Seine Odyssee erklärt sich aus innerer Unruhe, die in seinem Schaffen deutlich und wohl unbewusst zum Ausdruck kommt: Ob Stillleben, Landschaft oder menschliche Körper, alles ist immer in Bewegung. Er beherrscht ihre Tektonik und ihre Anatomie und versetzt sie in heftige Schwingung. Auch die architektonischen Zeichnungen sind alles eher als statisch.
DSC06697Alles wird Bewegung, Linie und Farbe, und inwieweit Sujet, Ausdruck und Bildtitel sich dem unterordnen weiß nur er selbst.
Auch seine Glasplastiken leben von der Farbe.
Rob. Scherer ist ein exzellenter und schneller Zeichner, die Hand führt ihm spielerisch ein Urtrieb, der des Gestaltens, und ein architektonisch geschultes Auge.
Aus bester Wiener Schule ist er ein Meister in allen Techniken, von der Druckgrafik über alle Tafelmaltechniken bis zum Wandbild (Fresko, Sgraffito).
Wollte jemand daran etwas Manieristisches ausmachen, so beherzige er, dass jeder an seinen besten Werken zu messen ist, und Meisterwerke hat Rob. Scherer eine Unzahl geschaffen.
Rob. Scherer wurzelt in der Tradition der Wiener Schule der Vorkriegszeit, die von E.Schiele, O.Kokoschka, H.Boeckl, Max Weiler, F.Wotruba u.a. geprägt war, und er hat den vitalen Nachkriegsaufbruch mitvollzogen, mit W.Kirschl, N.Drexel, E.Fuchs, K.Moldovan, A.Hrdlicka, F.Hundertwasser u.a.
Und mit seinem Nordtiroler Freund Toni Tiefenthaler (1929 – 82) und dem Landsmann Hans Ebensperger (1929 – 71).
Letzte Lyriker der Malerei?

Paul Preims


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