Naturns/Marienberg -
Im Rahmen des Jubiläumsjahres 2023 „VERDECKT – ENTDECKT“ lud St. Prokulus Museum Naturns am 10. Oktober zum Vortrag: Die Regel des Hl. Benedikt „Von der Weisheit des Maßes“ mit Abt Markus Spanier. Die Begrüßung erfolgte durch Dekan Christoph Wiesler. Abt Markus erzählte in seiner Rede auch aus seinem Leben und brachte seine Erfahrungen im Kloster Marienberg in den Vortrag mit ein.
Der Hl. Benedikt von Nursia ist der Gründer des Benediktinerordens und gilt auch als „Vater des abendländischen Mönchtums“. Unter Eingebung des Hl. Geistes schrieb er 529 im Kloster Montecassino die berühmte Mönchsregel, die im 9. Jahrhundert unter Ludwig dem Frommen als verbindlich für alle Klöster deklariert wurde. Benedikt wollte darin seinen Mitbrüdern und Mitschwestern Orientierung und ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermitteln. Er gestaltet darin mit hoher Sensibilität einen Lebensraum, der geprägt ist von Hinwendung zu Menschen und sich in der Berücksichtigung des Einzelnen äußert.
“Höre, auf dem Weg zu Gott, die Lehren des Meisters. Höre mit dem Ohr deines Herzens. Wie ein Sohn nimm die Worte des geistlichen Vaters auf. Setze die Worte in Taten um. Dann wirst du durch Gehorsam, der nicht leicht ist, dorthin zurückkehren, von wo du durch Ungehorsam und Trägheit des Herzens abgekommen bist“, so der Anfang des Prologs der Regel.
Der Begriff „Weisheit des Maßes“ kommt in der Regel des Hl. Benedikt konkret nicht vor. „Man muss es herauslesen. Das Wort Maß kommt aber vor, wenn es ums Essen, Trinken oder Schlafen geht. Nicht zuviel aber auch nicht zuwenig, es geht immer um das rechte Maß“, so Abt Markus.“Ich habe mir erlaubt, zu diesem Thema von der Weisheit des Maßes noch die kluge Unterscheidung, die discretio, sowie die weise Menschlichkeit, die humanitas, mitzunehmen. Denn diese drei Begriffe muss man zusammendenken“. Abt Markus ergänzte den Begriff vom rechten Maß deswegen, weil die Weisheit des Maßes mit der Unterscheidungsgabe und der weisen Menschlichkeit zu tun hat. Diese drei Begriffe gehören zusammen. Es geht immer um das Menschliche.
Die kluge Unterscheidung, die discretio, gilt als die Mutter der Tugenden und beeinflußt die Regel in fast allen Kapiteln. Der Duden übersetzt discretio mit: taktvoll, rücksichtsvoll, unaufdringlich, zurückhaltend, dezent.
Bei der weisen Menschlichkeit, der humanitas, geht es darum, den Mitbrüdern im Kloster entgegen zu kommen und Aufmerksamkeit entgegen zu bringen, um sich vor Missbrauch und Tyrannis zu schützen. Discretio wird oft verstanden auch als Rücksichtsnahme auf die Schwäche, als Milde oder Nachsicht. „Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Sie beinhaltet auch Zumutung, wenn sie unterscheidet, was möglich ist und was nicht, was nötig ist und was nicht oder was überflüssig ist. Ein Abt muss Ja sagen können aber genauso muss er auch Nein sagen können, je nach Notwendigkeit, unter Berücksichtigung der konkreten Situation der Menschen, die da sind. Discretio ist die Fähigkeit, Situationen flexibel und differenziert wahrzunehmen“, so Abt Markus Spanier.
Obwohl diese Benediktsregel vor 1500 Jahren geschrieben wurde, ist sie heute immer noch modern und aktuell, vielleicht aktueller denn je. Wir leben in unsicheren Zeiten. Kriege, Krisenherde überall und die Zerstörung des natürlichen Lebensraumes bereiten vielen Menschen Sorgen und Ängste. Und so mancher wird sich fragen: Wie geht es weiter? Was soll ich tun? Jede Gemeinschaft lebt von einem guten Miteinander und einem offenen und ehrlichen Umgang untereinander. (pt)