Dienstag, 01 Mai 2018 09:26

Einfangen des Augenblicks

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s38 Schloss Kastelbellvon Heinrich Zoderer

Wie macht der Gianni Bodini seine Bilder? Alle zwei Wochen überrascht er uns mit neuen Kreationen, stimmigen Kompositionen, kontrastreichen Kunstwerken. Dabei sind es Bilder von Landschaften, alten Wegen und Gebäuden, die wir oft kennen und doch noch nie so gesehen haben.

Seine Bilder haben etwas Poetisches: die Bayerhütte unter dem Ortler, umrahmt vom aufsteigenden Vollmond, Spuren im Schnee, die Kargheit des Sonnenberges, die Vinschger Ur- und Kulturlandschaft, das Spiel von Licht und Schatten, die Gegenüberstellung von Gebäuden und Landschaften. Die Bilder sind wie eine Reise durch den Vinschgau, vorbei an Gewässern, Schluchten, kleinen Weilern und Kapellen, es ist wie eine Wanderung mit der Natur durch die Jahreszeiten. Das Blühen und Wachsen, das Reifen und die Ernte hält er fest, genauso wie die Wolkenspiele am Himmel, die Farbspiele in der Natur, das Scheibenschlagen, das Schneetreiben im Winter und die ersten Frühlingsblüten. Gianni Bodini ist Fotograf. Seine s38 schalensteineBilder entstehen meistens im Kopf. Er trägt sie lange mit sich herum, baut sie aus, stellt sie um, bis sie fertig entwickelt sind. Und dann begibt er sich auf die Suche nach seinen Bildern im Kopf. Er weiß den Ort, kennt Motiv und Bildausschnitt, aber er muss die richtige Zeit und das passende Licht abwarten. Erst wenn alles zusammenstimmt, dann kann er das Bild einfangen, so wie ein Jäger. Damit dies passiert, muss er früh aufstehen, weite Wege zurücklegen, geduldig warten und sehr oft auch unverrichteter Dinge wieder nach Hause gehen und auf eine neue Gelegenheit warten. Auf Reisen und Wanderungen werden viele Fotos gemacht, in der Hoffnung, dass einige gelingen. Die anderen kann man löschen. Mit der heutigen Technik ist das kein Problem. Diese Fotos sind Zufallsprodukte. Auch dabei werden wichtige Augenblicke festgehalten. Ein Fotograf geht anders vor. Im März hat mich Gianni eingeladen, mit ihm auf Fotosafari zu gehen. Eine Bergsilhouette im Martelltal bei Vollmond war sein Ziel. Bei finsterer Nacht starten, um bei Tagesanbruch auf den richtigen Moment zu warten, so war es geplant. Nur an zwei Tagen war das möglich. Daraus wurde nichts. Am ersten Tag war Nebel und am nächsten Tag hatte ich keine Zeit. Das Licht erzeugt die Stimmung, meint Gianni. Bei Tagesanbruch oder bei Sonnenuntergang ist es am besten, nach einem Gewitter oder bei leichtem Nebel. Bei vollem Tageslicht kann man das Fotografieren vergessen.

Der Fotograf darf nie ganz zufrieden sein
Ende April vereinbaren wir eine neue Wanderung. Wir starten relativ spät, erst um 6:30 Uhr. Unser Ziel sind Schalensteine am Sonnenberg. Auf der Fahrt nach Kastelbell beobachten wir die aufgehende Morgensonne. Das Licht ist gut. Vielleicht s38 gianni bodiniklappt es, meint Gianni. Auf dem Fußweg zu den Schalensteinen sehen wir im Tal drunten die Bahn an der Unglücksstelle in der Latschonder vorbeifahren. Wir bleiben stehen, im Kopf von Gianni entsteht ein neues Bild. Wir reden über die Bahn, die zuwachsende Unfallstelle und die Schmerzen, die bleiben. Das Licht ist gut, aber der erste Zug ist schon vorbei. Wir warten auf den nächsten Zug, aber nach ein paar Minuten ändert sich das Licht. Gianni meint, dass wir zu spät dran sind, um ein richtiges Stimmungsbild bei den Schalensteinen zu machen. Wir reden über die Geheimnisse der Schalensteine, genießen die Aussicht und gehen, ohne dass Gianni ein Foto macht, zu anderen Schalensteinen.  Gianni erzählt, dass er oft einen Spruch oder einen kurzen Text im Kopf hat und das passende Bild dazu sucht. Oft ist es auch umgekehrt.  Bei der Fotografie ist es wie bei der Malerei. Es geht um das Hauptmotiv und die Konstruktion rund herum. Das Bild muss wie eine gute Geschichte eine Spannung enthalten. Kontraste sind wichtig, der Vorder- und Hintergrund, Linien, Ränder und Punkte. Belichtung, Schärfe, Bildtiefe, die Gesamtkomposition müssen stimmen. Der Goldene Schnitt muss beachtet werden, die Ästhetik ist wichtig. Auf der Rückfahrt machten wir Halt im Spazio Rizzi, um zu sehen ob die Bilder für die Ausstellung bereits  geliefert wurden. Verpackt stehen sie im leeren Ausstellungsraum. Wir packen das Titelbild der Ausstellung und der Ausstellungsbroschüre aus. „Die alte Straße nach Burgeis“, so der Titel. Auch Gianni Bodini sieht sein Bild in dieser Größe zum ersten Mal. Seine Augen leuchten, er ist zufrieden, obwohl er mehrmals betont, dass ein Fotograf mit seinen Bildern nie ganz zufrieden sein darf. Oft schaut er seine Bilder an und sucht nach Fehlern, um sie das nächste Mal zu vermeiden. vinschger impessionen gianniFotografie ist wie Musik, meint Gianni am Ende. Man kann ein Stück hundertmal spielen und jedes Mal ist es anders. So wird er auch in Zukunft die Schalensteine wieder aufsuchen und in Vollmondnächten wieder aufbrechen, um bei gutem Licht ein neues Foto zu machen. Und zu Hause wird er im Bild wieder Fehler suchen, damit er das nächste Bild noch besser machen kann.

 

Meine Vinschger
Impressionen
Impressioni della
Val Venosta

Fotoausstellung und
Jubiläumskatalog
zum 70. Geburtstag von
Gianni Bodini

im Spazio Rizzi - Latsch   
07.05. – 14.10.2018

Montag  – Freitag
10:00 – 12:00 Uhr
14:30 – 17:30

Eröffnung der Ausstellung:
Sonntag, den 6. Mai 2018 um 18:00 Uhr
Einführung: Horst Saller
Eröffnung: LR Richard Theiner
Musikalische Umrahmung: Matteo Bodini

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