Mittwoch, 02 Mai 2012 00:00

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Vinschgau

s7_2567Seit über 10 Jahren gibt es den „Bezirksservice Vinschgau“, der im Auftrag des Landesamtes für Weiterbildung die Bildungsausschüsse im Tal begleitet. Als Pilotprojekt gestartet, hat sich Ludwig Fabi mit seiner Arbeit etabliert. Im Rückblick beschreibt Fabi den Werdegang, seinen Stolz auf motivierte Leute in den Bildungsausschüssen, warum die Zusammenarbeit mit Schloss Goldrain nicht geklappt hat und seine Zukunftsvision.

Interview: Erwin Bernhart; Foto: Angelika Ploner

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau

 

Vinschgerwind: Seit 10 Jahren betreuen Sie als „Bezirksservice Vinschgau“ die Bildungsausschüsse im Vinschgau. Welchem Vergleich aus medizinischen Berufen würden Sie für Ihre Tätigkeit am ehesten zustimmen. Chirurg oder Hebamme?
Ludwig Fabi: Hebammer (lacht). Meine Rolle sehe ich als Begleiter und Helfer, damit sich etwas entwickeln, etwas gebären kann. Ich stelle dafür pädagogische Werkzeuge und Hilfsmittel zur Verfügung. Ich stehe hinter den ehrenamtlichen Akteuren in den Dörfern und nicht vor Ihnen, damit diese optimal arbeiten können.

Worin besteht Ihre Aufgabe?
Meine Aufgabe besteht darin, eine Servicedienstleistung vor Ort anzubieten, welche die Durchführung von Bildungs- und Kulturinitiativen für die Ehrenamtlichen in den Bildungsausschüssen erleichtert und fördert. Fachliche und organisatorische Beratung, aber auch Netzwerkarbeit zu Landesämtern, Gemeinden und anderen Bildungsanbietern fällt darunter. Die Bereiche Öffentlichkeitsarbeit, Marketing, Abwicklung von Ansuchen und Evaluationen von Projektarbeit fällt auf Anfrage auch in meinen Tätigkeitsbereich. Die Moderation von Sitzungen und Versammlungen gehört zu meinen Kernaufgaben.

Nehmen die Bildungsausschüsse im Tal Ihren Service gerne in Anspruch?
Zuerst war meine Tätigkeit für die Bildungsausschüsse ungewohnt. Bildungsausschüsse gibt es ja schon seit fast dreißig Jahren, zum Teil schon seit vierzig Jahren. Vor Beginn meiner Tätigkeit wurden sie vom Landesamt für Weiterbildung zentral punktuell betreut. Es hat natürlich einige Zeit gedauert, bis eine Vertrauensbasis aufgebaut werden konnte. Dann haben die Bildungsausschüsse relativ schnell erkannt, dass ihre Arbeit durch eine hauptamtliche Begleitung erleichtert wird. Derzeit wird der Dienst von allen Bildungsausschüssen von Kastelbell bis Reschen in Anspruch genommen.

Sie sagen, Bildungsausschüsse gibt es schon seit langem. Ihre Arbeit hat sich seit 10 Jahren etabliert. Kann man in diesem Bereich der Bildung von Nachhaltigkeit sprechen?
Auf jeden Fall. Die Bildungsausschüsse fördern und koordinieren Ideen und längerfristige Initiativen der einzelnen Vereine oder übernehmen selbst die Trägerschaft. Sie begeben sich dadurch auf eine Koordinierungs- und Begleitungsebene, die sonst von keinem Verein im Dorf geleistet wird. Sie leben sinnvolle Zusammenarbeit vor und sorgen daher für eine nachhaltige Ausrichtung. Zudem haben sich die Inhalte und Ziele der Erwachsenenbildung dahingehend gewandelt, dass nicht wie vor 40 Jahren Vorträge und Kurse im Mittelpunkt stehen, sondern langfristige und identitätsstiftende Aktionen.

Vor vierzig Jahren? Welches ist der älteste Bildungsausschuss?
Das ist Martell. Seit 1972 gibt es dort organisierte Tätigkeiten, die sich mit der Bildung auf dem Lande beschäftigen. Bildungsausschüsse im heutigen Sinne gibt es seit 1983. Damals wurde das Weiterbildungsgesetz verabschiedet, mit welchem auch die Bildungsausschüsse geregelt sind. Das Modell Bildungsausschuss sollte pluralistische und für alle zugängliche Bildungsangebote vor Ort koordinieren und ermöglichen. Laas, Schluderns und Graun haben dann bereits 1984 einen Bildungsausschuss gegründet. Später kamen weitere zehn dazu.

Mittlerweile machen die 14 bestehenden Bildungsausschüsse im Tal hochwertige Veranstaltungen. Die meisten bekommen die Qualitätsförderung. Hat das auch mit Ihrer Arbeit zu tun?
Es hat unter anderem auch damit zu tun, dass das Amt für Weiterbildung unter Isidor Trompedeller und Hubert Bertoluzza den Weitblick und Mut gehabt haben, eine neue Art der Betreuung von Ehrenamtlichen vor Ort zu ermöglichen. Aufgrund meiner Ausbildung als Erwachsenenbildner und meiner Tätigkeiten im Jugendbereich, welche mit den Jugenddiensten eine ähnliche Form der Begleitung durchführen, erstellte ich um die Jahrtausendwende ein Konzept für die Betreuung der Bildungsausschüsse. Dieses sah nicht den Aufbau einer verbandsähnlichen Struktur, sondern einen mobilen Beratungsdienst vor und dieses Konzept scheint offenbar gegriffen zu haben.

Hat der Bezirksservice Vinschgau damit Pionierarbeit geleistet?
Das kann man so sagen. Der Vinschgau konnte die Bezirksservicestelle mehrere Jahre als Pilotprojekt im Auftrag des Landes vorleben. Dann wurde diese Form auf das gesamte Land ausgedehnt. Mittlerweile sind fünf weitere BetreuerInnen im Pustertal, in den ladinischen Tälern, im Eisacktal und im Burggrafenamt mit der Leitung einer  Bezirksservicestelle beauftragt. Im ganzen Land gibt es derzeit 133 Bildungsausschüsse.

Wie beschreiben Sie die Entwicklung der Bildungsausschüsse in den vergangenen 10 Jahren?
Nach 10 Jahren Betreuung finde ich zum Glück noch hochmotivierte Bildungsausschüsse vor und 11 von den 14 Ausschüssen erhalten heuer die Qualitätsförderung. Das freut mich am meisten und ist nicht selbstverständlich. Die Tätigkeitsfelder sind vielfältiger geworden und der Bildungsausschuss hat sich als kompetenter Partner für Bildungs- und Kulturaktivitäten vor Ort entwickelt. Es freut mich auch, dass ich in den vergangenen zehn Jahren viele Initiativen mitbegleiten konnte, die mir viel zurückgegeben haben. Das Engagement der Ehrenamtlichen ist wichtig für das Zusammenleben in einem Dorf.

Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz? Welches sind die Highlights?
Stolz bin ich darauf, dass ehrenamtliche Bildungs- und Kulturarbeit einen fixen Platz im Dorfleben eingenommen hat und eine bestimmte Kontinuität gegeben ist, unabhängig von großen und kleinen Projekten. Als Bezirksservicestelle zählen zu den bedeutenden Initiativen die Entwicklung einer Mitarbeitermappe, eines Ideenspeichers und der Abschluss einer Haftpflichtversicherung für alle Bildungsausschüsse des Landes. Die Begleitung der Eintragung der Bildungsausschüsse in das Landesverzeichnis der ehrenamtlichen Vereine, Bezirkstreffen, Vinschger Bildungszug und Bildungsfahrten waren weitere Höhepunkte. Bei der direkten Betreuung zählen sicherlich die Entwicklung und Begleitung von Initiativen wie „marmor&marillen“ und „Franz-Tumler-Literaturpreis“ in Laas, die „Quetschkommode“ in Prad, das „Pfluagziachn“ in Stilfs, der „Oberländer Advent“ in der Gemeinde Graun, der „Bildungsherbst“ in der Gemeinde Mals, die „Vinschger Palapiratage“ in Glurns, die „Katharinawochen“ in Schluderns und die „Latscher Kulturtage“ zu den Höhepunkten. Besondere „Highlights“ sind aber die Kontakte und der Austausch mit den vielen Ehrenamtliche vor Ort, die mir ihre Wertschätzung entgegenbringen.

Auf der einen Seite kreative, ideenreiche und bildungshungrige Leute mit Qualitätsförderungen. Auf der anderen Seite gibt es noch zwei weiße Flecken in der Bildungsausschusslandschaft: Schnals und Taufers. Sind diese beiden Gemeinden bildungsresistent?
Ganz und gar nicht. In Schnals gibt es einen aktiven Kulturverein, der ähnliche Aufgaben wahrnimmt. Es gehört nicht zu meinen Aufgaben, in einer Gemeinde einen Bildungsausschuss zu fordern, das muss von den Leuten vor Ort ausgehen. Schnals ist daher sicher nicht bildungsresistent, ebenso wie  Taufers. Seit Jahren wird dort versucht, einen Bildungsausschuss zu gründen, bisher hat sich die richtige Konstellation noch nicht ergeben. Die Tauferer arbeiten derzeit an einem „Dorf-Leitbild“, vielleicht entsteht daraus etwas.

Wie schaut die Zusammenarbeit mit anderen Bildungsträgern im Tal aus. Mit den Schulen, mit der Genossenschaft für regionale Weiterbildung, mit Schloss Goldrain?
Die Bildungsausschüsse haben die Zusammenarbeit als gesetzlichen Auftrag festgeschrieben. In der Vollversammlung muss je ein Vertreter der Schule, der Vereine, der Bibliothek und der Gemeinde vertreten sein. Mit den hauptamtlichen Bildungseinrichtungen gibt es bei Veranstaltungen immer wieder Berührungspunkte und Zusammenarbeit. Die Bildungsausschüsse brauchen zudem einen starken Partner, um die finanz- und steuerrechtlichen Dinge gut durchzuführen. Ich sah diesen Partner  im Bildungshaus Schloss Goldrain und siedelte das Betreuungskonzept dort an. Schloss Goldrain wollte zwar die Bildungsausschüsse zum Thema machen, die Zusammenarbeit aber scheiterte daran, dass man zu sehr mit den Aufgaben in den eigenen Mauern beschäftigt war und die Ausrichtung möglichst viele Veranstaltungen im eigenen Haus durchzuführen, mit dem Auftrag, die Peripherie zu betreuen, nicht vereinbar war. Vor fünf Jahren hat die Bezirksservicestelle daher eine  Kompetenzpartnerschaft mit der Genossenschaft für Weiterbildung und Regionalentwicklung in Sponding begonnen, welche inhaltlich näher an den Bildungsausschüssen liegt und die Bildungsausschüsse als gleichberechtigte und wichtige Partner in den Dörfern sieht. Die GWR bietet einen wertvollen Steuerservice an und hat Vernetzung und Peripheriearbeit als Konzept.

Was ist Ihr Wunsch für die Bildungslandschaft im Vinschgau für die nächsten 10 Jahre?
Mein Wunsch ist es, dass die Bildungsausschüsse weiterhin zur Vielfalt in der Vinschger Bildungslandschaft beitragen und motiviert sind, Bildungsinitiativen und kulturelle Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Das informelle Lernen soll an Bedeutung gewinnen und der soziokulturelle Austausch die Lebensqualität steigern. Dazu müssen die Ehrenamtlichen in ihrem Engagement gewürdigt aber auch entsprechend begleitet werden. Ich wünsche mir, dass die Landes- und die Gemeindepolitik vor Ort das Modell der Bildungsausschüsse weiterhin so unterstützt und als wichtiges Puzzleteil für Gemeinwohlarbeit sieht.


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