Dienstag, 24 Oktober 2017 09:26

Nationalpark Stilfserjoch - Die Birke - Der Baum des Lichtes und der Erfrischung

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DSC 8881Wolfgang Platter, am Tag der Heiligen Theresa von Avila, 15. Oktober 2017

Zweimal im Jahr fallen die Birken als einheimische Baumart besonders auf: einmal im Frühling, wenn an ihnen vor dem Blattaustrieb die Pollenkätzchen hängen, und jetzt im Herbst, wenn sich die Blätter goldgelb färben. Dann treten die Birken in Konkurrenz zu den Lärchen um die schönste Herbstfarbe. Der Birke sei daher der heutige Beitrag gewidmet.

Die zwei einheimischen Birkenarten
In der einheimischen Baum-Flora kommen zwei von insgesamt ca. 40 Arten von Birken vor: die Hänge-Birke, auch Weiß-Birke oder Warzen-Birke genannt (Betula pendula) und die Moor-Birke (Betula pubescens). Die Moor-Birke wächst in der Nähe von Teichen und Bächen, bei Flach- und Hochmooren sowie in DSC 8920torfreichen Heidelandschaften. Das Hauptverbreitungsgebiet der Moorbirke ist der hohe Norden. Die beiden Birken-Arten kann man u.a. an der Wuchsform unterscheiden: Die Moor-Birke hat aufwärts gestellte Triebe, die namengebenden Äste der Hänge-Birke hingegen hängen abwärts. Auch an der Farbe des Stammes lassen sich die beiden Arten unterscheiden: Bei der Moor-Birke ist das Weiß der Hänge-Birke weniger deutlich, manchmal beinahe gelblich bis rötlich. Ein sicheres Unterscheidungsmerkmal sind auch die Blätter. Die Blätter der Moor-Birke sind unterseits behaart, ebenso die Knospen. Die Hänge-Birke hat unbehaarte Blätter, aber Harzblasen.

Die Hänge-Birke – eine Augenweide
Die lockere Krone und der leuchtend weiße Stamm machen die Hänge-Birke auch zu einem beliebten Baum für Gärten, Parkanlagen und Alleen. Sie steht auch für Erneuerung, Erfrischung und Reinigung. Ihr Saft, durch Anzapfen gewonnen, wird als Erfrischungskur getrunken. Steht die Hänge-Birke allein, lässt sie ihre Äste hängen wie die Trauerweide. Im Bestand, wo ihr andere Bäume das Licht streitig machen, bildet sie eher horizontale Äste und macht sich ziemlich breit, damit ihre Blätter genügend Sonnenlicht aufnehmen können.
Die Birken gehören zu den einhäusigen Pflanzen: Männliche und weibliche Blüten bilden keine Zwitterblüte, wachsen aber auf demselben Baum, eben in einem gemeinsamen Haus. Zweihäusige Pflanzen sind solche, bei DSC 4839denen die männlichen und weiblichen Blüten auf zwei verschiedenen Sträuchern oder Bäumen vorkommen. Beispiele sind Weiden, Wacholder, Sanddorn oder Kiwi.
Die weiblichen Kätzchen der Birke sind anfangs klein und grün, stehen im Frühjahr zuerst wie Kerzen aufrecht, senken sich dann ab und zerfallen zur Zeit der Samenreife, um die geflügelten Samen aus den hautigen, nicht verholzenden Deckschuppen zu entlassen und dem Wind zur Verbreitung anzubieten. Die männlichen Kätzchen sind schon jetzt im Herbst vorgebildet und hängen als Frühblüher im Frühling zeitig pollenschwer herunter. Nach der Freigabe des Pollenstaubes vertrocknen die männlichen Kätzchen und fallen ab. Birkenpollen lösen bei empfindlichen Personen Allergien aus.
Die Rinde junger Birken ist hellbeige, später wird sie weiß und löst sich in horizontalen Streifen ab. Bei älteren Bäumen wird die Rinde vom Fuß her schwarz und es bilden sich durch das Dickenwachstum immer mehr Risse.

Ein robuster Pionier
Wie die Zitterpappel, die Weide und die Erle zählt die Birke zu den Pionierbaumarten. In nicht mehr gemähten Wiesen, auf aufgelassenen Bergweiden, auf übermurten Böden, in Geröllhalden oder auf Brand- und Windwurfflächen stellt sich die Birke unter den ersten Holzarten ein. Mit ihrem weichen Laub ist sie auf vielen Standorten ein guter Humusbildner für nachfolgende Baumarten wie die Fichte. Bereits im jungen Alter von 10 Jahren ist die Birke fortpflanzungsfähig. Die Flügelsamen werden in großer Zahl erzeugt. Sie sind sehr leicht und lassen sich leicht vom Wind verfrachten. Ein ausgewachsener Baum kann ungefähr einen Kilogramm Samen DSC 8900hervorbringen. Dabei wiegen etwa 10.000 Samen nur einen Gramm. Birkensamen haben eine schlechte Keimrate von nur 10-20%. Trotzdem könnten aus den Samen einer erwachsenen Birke mehr als eine Million Birken entstehen, wenn jeder Same auf einem Stück Erde landen würde, wo er genügend Licht und Raum vorfindet.

Die Birkenrinde:
Schriftträger und Schuhwerk
Die Birkenrinde ist sehr fein und wirkt zart und zerbrechlich. Aber wegen ihres hohen Holzteergehaltes ist sie sehr dauerhaft. Daher wurde sie von verschiedenen Urvölkern der nördlichen Hemisphäre vor der Erfindung des Papiers als Schreibunterlage und Schriftträger verwendet. Dank der schieren Unzerstörbarkeit der Birkenrinde und ihres Widerstand gegen Verrottung sind uns z.B. Aufzeichnungen aus der russischen Wirtschaft, Gesellschaft, Rechtsprechung und Erziehung erhalten geblieben, welche von den Menschen im 11. und 12. Jahrhundert mit feinen Stilettstrichen auf die Innenseite von Birkenrinden geritzt wurden:  Russische DSC 8879Archäologen haben 1951 bei Grabungen bei Nowgorod, 400 km östlich von Moskau gelegen, tausende von vollständig erhaltenen Dokumenten auf Birkenrinde aus mehreren Metern Tiefe ausgegraben. Auch die Schuhe von Ötzi sind zu Teilen aus Birkenrinde hergestellt worden.
Eines der größten Flugzeuge der Welt, die amerikanische Hercules ist aus dem leichten Birkenholz und teilweise aus Fichtenholz gebaut worden. Dabei ist die Hercules nur um 6 Meter kürzer als der Airbus 380, dafür aber mit einer größeren Flügelspannweite. Der Prototyp des Flugbootes H-4-Hercules wurde in den Jahren 1942-1947 entwickelt und sollte ursprünglich als Truppentransporter im Zweiten Weltkrieg eingesetzt werden (Transportkapazität: 700 Mann und Material). 1944 hat die amerikanische Regierung das Projekt aufgegeben, da die Gefahr, die von deutschen U-Booten ausging, abgenommen hatte und wieder mehr Schiffe fahren konnten.

Unterbewertete Holzqualität
Das Holz der Birke hat ein niedriges spezifisches Gewicht, dabei ist es aber das härteste unter den Weichhölzern. Es ist widerstandsfähig, elastisch und farblich gesehen sehr freundlich. Vor der Nässe des Außenbereiches muss es geschützt werden. Eine erwachsene Birke saugpumpt an Spitzentagen ca. 200 Liter Wasser aus dem Boden. Birkenholz ist sehr wasserhaltig: Vom frisch geschlagenen bis zum getrockneten Zustand verliert es 40% seines Gewichtes. Der Feldthurnser Rädermacher Andreas Crepaz vulgo Roder Ando hat bei der sehr interessanten Exkursion des Südtiroler Forstvereines am 6. Oktober d.J. in Garn oberhalb von Klausen deshalb berichtet, dass ein Rädermacher und Wagner beim Birkenholz immer einen Betula pendula0Vorrat für ein Jahr haben sollte, weil die Trocknung eben diesen Zeitraum beansprucht. Wie vielseitig sich das Birkenholz verwenden lässt, zeigte der Roder Ando auch auf: Für Werkzeugstiele, Radspeichen von Holzrädern, Pferdegeschirr, Schlittenkufen, Skier, Fassreifen, Streichhölzer, Möbelfurniere, Sperrholzplatten, Holzpantoffeln, als Gerbstoff für Leder und natürlich als Brennholz. Als Kind im Volksschulalter durfte ich bei Basl Rosa in Tarnell noch das Brotbacken am Bauernhof erleben. Dabei habe ich gelernt, dass Scheiter aus Birkenholz auch als Leuchtholz im Backofen Verwendung finden: Das Holz der Birke splittert und platzt nicht wie das Lärchenholz, mit dem der Ofen aufgeheizt wird. Birkenholz hinterlässt daher im Brot keine Holzsplitter.

 

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