Dienstag, 24 Oktober 2017 00:00

Morsezeichen

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s17 267Winter 1943… Meterhohe Schneewände säumen die kleine Bergstraße, welche zur Volksschule Sulden führt. Ein Weg, den die damals 6-jährige Ilse täglich gehen muss, um mit 30 anderen Kindern in einer einzigen Klasse unterrichtet zu werden.

von Cornelia Knoll

Oft blies der kalte Winterwind das kleine Mädchen von der Straße und machte ihr so große Angst, dass sie zu ihrem Vater in den warmen Stall flüchtete, erzählt die heute 80-Jährige.


Zusammen mit ihren Eltern, welche eine kleine Gastpension führen und Schwester Annemarie, wächst Ilse Pichler dort beschützt mitten in den Bergen auf. Schon früh entwickelt sie sich zu einem wissbegierigen Fräulein, dessen größte Freude es ist, in Büchern zu stöbern und Erwachsene bei deren Konversationen zu belauschen.
Eigentlich so gar nicht typisch für ein Bergmädl und so darf Ilse nach 5 Jahren Volksschule die kaufmännische Lehranstalt sowie das „Carolinum“, eine Haushaltsschule in Meran, besuchen. Heimweh plagt die Studierende…, doch gewinnt die 15-jährige dort viele lebenslange Freundinnen: Anneliese, welche ihre spätere Schwägerin werden soll und die Nonne Sr. Reinhilde mit welcher Ilse 60 Jahre lang freundschaftlich verbunden bleibt.
Kurz darauf die erste Lehrstelle... Als Kochlehrling im Hotel Stefanie Riz mit einem strengen Küchenchef und ohne jeglichen Lohn, lernt Ilse dort vor allem das „SPUREN“, wie sie augenzwinkernd erzählt.
Zurück in Sulden muss Ilse die neuen Kochkenntnisse am hauseigenen Gasthaus-Herd einsetzen; ihrer Mutter wird sie so eine große Hilfe. Nebenbei arbeitet sie im Postamt Sulden. In Windeseile, mit großer Freude, eignet sie sich alle gewünschten Fertigkeiten an und ist so sehr geschätzt, dass sie sogar im Postamt Laas eingesetzt wird. Das Morsen wird ihre große Leidenschaft. Noch Jahre später kann sie im Vorbeigehen am Postamt jede Nachricht anhand der Geräusche blind entziffern.
Im September 1960 während eines Besuches bei Anneliese in Sirmian lernt Ilse ihre große Liebe kennen. Konrad Knoll, Annelieses lustiger und schneidiger Bruder, wird ihr vorgestellt und ist sofort von der hübschen, dunkelhaarigen Suldnerin mit den Mandelaugen angetan.
Er zeigt ihr die süßesten Trauben am hauseigenen Weinberg, preist dem Bergfräulein große Kürbisse als „Elefantengoggelen“ an, fährt sie mit seiner alten Vespa durch die Gegend und gewinnt Ilses Herz im Nu.
Doch kurz vor der Hochzeit trifft ein schwerer Schicksalsschlag das junge Glück. Konrad, der als Tischler arbeitet, verletzt sich bei Waldarbeiten so schwer, dass sein Überleben erst nach wochenlangen Krankenhausaufenthalten gesichert ist. Sein rechter Arm bleibt gelähmt und Konrad bittet Ilse ihn zu verlassen, da er nun wohl ein Krüppel bleiben würde und sie damit nicht belasten wolle.
„Dies kam für mich absolut nicht in Frage“, erzählt Ilse. „Was wäre es denn für eine Liebe gewesen, wenn ich in dieser schweren Zeit nicht zu ihm gestanden hätte?“
So heiratet das Paar 1964 und baut trotz so mancher Gegenwehr in Sulden eine kleine Existenz auf. Eigenhändig karren beide die Steine aus dem nahen Bachbett für die Grundmauern ihres „Gast-Cafes“ mit angegliederter Wohnung heran.
Tochter Cornelia wird 1965 geboren, Sohn Christian ein Jahr darauf. Neun Jahre später folgt Dietmar, acht Jahre später Sohn Klaus, welcher jedoch einen Tag nach seiner Geburt verstirbt.
So vergehen die Jahre in welchen Ilse sehr viel und sehr hart in den zwei Familienbetrieben arbeitet, sich um ihre Familie, ihre Eltern sowie eine alte kranke Tante kümmert.
Erst viele Jahre später gönnt sich das Ehepaar Knoll endlich Urlaube in ferne Länder. Für Ilse eröffnet sich so eine ganz besondere Welt. Sie, welche seit Kindestagen wissbegierig über jeden Tellerrand schaute und doch nur in der engen Suldener Welt beheimatet war, darf nun über weiße Strände spazieren und all diese Schönheit mit ihrem Ehemann genießen.
Leider währt die Freude an den gemeinsamen Urlauben nicht lange. Konrad erkrankt an einer schweren Gehirnentzündung, welche aus dem ehemals so körperlich und geistig Aktiven, einen auf dauernde Hilfe angewiesenen Menschen macht.
Freunde ziehen sich zurück, soziale Kontakte werden rar und nun ist es wieder Ilse, welche mit großer Kraft und Liebe auf ihren Ehemann schaut und ihm ein beinah normales Leben ermöglicht. Sogar in Urlaub fahren sie wieder; dort scheint ihr beider Leben fast wie vorher zu sein. Vor zwei Jahren jedoch stirbt Ilses große Liebe und lässt ein großes Loch in ihrem Herzen zurück.
Erst langsam tritt nun wieder Freude in das Leben der Witwe ein. Kleine Ausflüge mit Cornelia, der hauseigene Garten, die geliebten Enkelkinder, Bücher über Afrika, sowie das Gefühl noch gebraucht und geliebt zu sein, bringen ihr das Lachen zurück.
Nun hat Ilse sogar ihre Memoiren verfasst, in welchen sie mit wunderschöner Schrift von ihrem Leben erzählt. Von Wegen, Windungen und von den Menschen, die sie dort begleitet haben.

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