Im Gemeindehaus von Stilfs treffe ich mich mit Agnes und Angelika Moser. Zwei Frauen die sich seit ca. 20 Jahren mit dem alten Weberhandwerk auseinandersetzen. Agnes Moser hatte damals dem erfahrenen Weber, Sepp Winkler, bei einer Ausstellung über die Schulter geschaut und war von da an Feuer und Flamme. Es begann die Suche nach Webstühlen und ein altes, verstaubtes Exemplar fand sich in einem Stilfser Stadel. Heute stehen im Gemeindehaus, 5 Webstühle auf denen die Frauen mit Hilfe von Sepp Winkler die ersten Webversuche machten. Kurse über die GWR, in Spondinig und dem Bildungsausschuss, in Zusammenarbeit mit Ludwig Fabi, waren richtungsweisend für eine neue Leidenschaft. Viel Übung, Schweiß und Geduld haben schließlich die Webstühle wieder bespielbar gemacht. In Waltraud Holzner aus Kortsch haben die Stilfser Frauen eine weitere Meisterin und Lehrerin gefunden, mit der sie Schritt für Schritt das Weben verfeinert haben. Man staunt, was man auf einem 100jährigen Webstuhl zaubern kann.
Die Weberin - eine Orgelspielerin
Sieht man Agnes und Angelika beim Weben zu, so scheint es als würden sie auf einer Orgel bespielen. Die Partitur, ein kleiner handgeschriebener Zettel, hängt als Mustervorlage am Webstuhl. Der gesamte Körper ist im Einsatz. Die Füße bedienen Pedale, der Oberkörper schwingt im Rhythmus mit. Die Hände lassen das Schiffchen sorgfältig durch die Fäden gleiten. Ein kräftiger Ruck bringt alles in eine straffe Form und so wird nach und nach das Muster deutlich. Es wächst mit jeder Reihe, das Werk gibt sich zu erkennen. „Eine mühevolle, aber schöne Arbeit, bei der man auch gern ins Schwitzen kommt“, meint Angelika und zeigt mir eine Tagesdecke, feine Vorhänge und Muster die sie in den letzten Jahren gefertigt hat.
Ein kleines Museum
Der Raum im Stilfser Rathaus den sie für ihre Arbeit nutzen dürfen, war der alte Kindergarten. Ich betrete den Raum durch einen kleinen finsteren Gang, an dessen Seiten noch die Garderobe Bilder des Kindergartens hängen. Es riecht nach alten Mauern, die sicher so manche Geschichte berichten könnten. Agnes erzählt mir, dass in den 40Jahren hier die Mädchen von Klosterfrauen in Handarbeit unterrichtet wurden. „La scuola di cucitura“ wurde sie genannt und heute wird wiederum von Hand hier gearbeitet. Sieht man sich im Raum um, findet man alte Raritäten. Weberwerkzeug, das man früher mit auf die „Stear“ nahm, Litzen aus Leinen (heute sind sie aus Kunststoff oder Metall), ein original Stilfser Webstuhl über 100 Jahre alt, der die Zeichen der Zeit trägt, Weberkamm und Scherbaum aus älteren Tagen. Angelika und Agnes versuchen im Dorf diese alte Handwerkskunst wieder zu beleben, teilweise nutzen sie neue Materialien, teilweise flicken und reparieren sie das Alte. Es liegt ihnen am Herzen, das Wissen nicht zu verlieren, weiterzulernen und ihr Können zu verfeinern. So wie früher ist es auch für sie eine Arbeit in den kälteren Monate, denn im Sommer fallen andere Arbeiten vor allem auf dem Feld an. In den kommenden Wochen wird man aus dem Gemeindehaus noch ein Rattern, Klappern und Ratschen hören, wenn die Frauen ihre Webstühle bedienen. Die „Weberkammer“ öffnet für Interessierte gerne ihre Türen, denn je mehr Personen es versuchen möchten, umso mehr bekommt das Handwerk Aufschwung.
Der Verein
Anfang März diesen Jahres war es schließlich so weit. Fünf Vinschger Frauen haben einen Verein gegründet, dessen Ziel es ist, altes Handwerk wie das Weben, Filzen, Spinnen und Färben zu erhalten. Sie wollen diese Techniken verfeinern, sie erfahrbar machen und den künftigen Generationen, als kulturellen Wert zugänglich machen. Es liegt ihnen am Herzen diese alten Formen der Wollverarbeitung zu erhalten, denn sie sind Teil unserer Geschichte und Werdegangs.
Text und Fotos: Barbara Wopfner
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