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Maerchenherbst24

 
 
Dienstag, 28 Juni 2011 00:00

... sou long is drpock

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Menschen - Josefa Tappeiner Stecher

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Die 89-jährige Josefa, genannt Peppa, öffnet jeden Morgen die hölzernen Fensterläden ihres urigen kleinen Geschäftes an der Prader Hauptstraße und legt einige Wollpackungen vor die Tür. Dann stellt sie sich in ihrem bunten Reich aus unzähligen Wollknäueln hinter die Theke und nimmt ihr Strickzeug in die Hand. Sie legt es beiseite, wenn Kunden kommen. Meistens steht sie. Nur selten setzt sie sich auf die obere Sprosse der Staffelei. „I strick viel, denn di Woll isch ollm mei Freid gwesn“, sagt sie. Vor 20 Jahren hat sie sich nur noch auf Wolle und Garne spezialisiert. Vom ehemaligen Gemischtwaren-Sortiment sind nur nur noch die Spirituosen geblieben. Vor ihr auf der Theke liegen selbst gestrickte Socken als Muster. „I hon olm lei oan Sock do liegn, damit si nit Fiaß kriegn“, scherzt sie. Hie und da sei schon etwas weggekommen, erzählt sie.

Füße bekam einmal eine Wollpackung vor der Tür. Peppa beobachtete, wie eine Diebin mit einer Packung losflitzte und rannte blitzschnell hinterher. Der zufällig vorbeikommende Gemeindepolizist heftete sich ebenfalls an die Fersen. Schließlich ließ die Übeltäterin ihre Beute fallen, und Peppa hatte ihre Wollpackung wieder. Den Geschäftssinn hat sie von ihren Großeltern und ihrem Vater geerbt, die ein Geschäft in Prad am Tschrienbach führten, das dieser allerdings 1902 vermurte. Sie lernte Verkäuferin beim  „Wallnöfer“ am Hauptplatz und erhielt dann in der Kriegszeit eine Stelle beim „Weissenhorn“ in Mals. In dieser Zeit lernte sie den fünf Jahre älteren Ludwig Stecher kennen und lieben. Er war Soldat und beide entschieden, während eines Fronturlaubs zu heiraten. „Er hots gneatig kopp“, lacht sie. Weil er nur einige Tage frei hatte, musste alles schnell gehen. Die Erlaubnis des Bischofs war nötig. „In Manta hobm mia di Bewilligung in Brixn gholt unt in Mitta hobm miar in Prod gheiratet“, erinnert sie sich. Es war der 2. August 1944. Nach einem bescheidenen Mittagessen begleitete Peppa ihren Mann mit dem Zug nach Meran, wo er sie seinen erstaunten Soldatenkollegen als seine Frau vorstellte. Nach einer Nacht im Bretterverschlag eines Hausganges brach er mit den Kollegen in den italienischen Stiefel auf zum letzten Aufgebot. Peppa kehrte zu ihrer Mutter nach Prad zurück und hoffte inständig, dass ihr Mann heil zurückkehren würde. Ihre Arbeitsstelle gab es inzwischen nicht mehr, nachdem der Malser Arbeitgeber ebenfalls 1944 eingerückt war. Ludwig kehrte 1945 unversehrt zurück und das Paar begann das Leben neu zu ordnen. 1946 öffneten sie das Gemischtwarengeschäft. Seither ist Peppa die treibende Kraft, eine Geschäftsfrau mit Leib und Seele. Sie freute sich auf ihr erstes Kind. Doch die Freude schlug bald in Schmerz um. Der kleine Sohn starb mit zwei Monaten. „Selm sein fünf kloane Kindr gstorbm unt ma hot nit gwisst warum“, erklärt sie. Vier Jahre später schenkte sie einem Mädchen das Leben, das sich prächtig entwickelte und das noch fünf Brüder bekam. Peppa brachte Familie und Geschäft mit viel Fleiß und Einsatz unter einen Hut. Ihr Mann war mit der kleinen Landwirtschaft beschäftigt. Die Jahre zogen ins Land und die Kinder wurden flügge.

Dann kam die Nacht vom 3. auf den 4. September 1980. Plötzlich heulten Sirenen auf. Der Stadel der Familie, der einige hundert Meter vom Geschäft entfernt an der Hauptstraße stand, brannte lichterloh. Ein mutmaßlicher Brandstifter, der damals im Raum Obervinschgau seine Brandspur zog, hatte wieder unerkannt gezündelt. Ludwig war außer sich und erlitt einen Herzinfarkt. Es folgten noch zwei weitere und er starb am 18. September. Der Schmerz war  groß, und es fiel Peppa und ihren Kindern schwer, mit dem Verlust fertig zu werden. 2009 erreichte Peppa die Hiobsbotschaft vom Tode ihres Sohnes Reinhard. Er war beim Eisklettern abgestürzt. Ablenkung fand sie in ihrem Geschäft. Sie machte unverdrossen weiter und der Umgang mit ihren Kunden, die vielen Gespräche bauten sie auf. Das ist noch heute so. „So long is drpock moch i weiter“, sagt sie. Mittlerweile lebt sie bei ihrem Sohn in Agums. Noch bis vor kurzem sah man sie mit dem Fahrrad zum Geschäft fahren. „Seit i an Unfoll kopp honn, lossn si mi nimmer“, erklärt sie. Nun bringt sie das Familien-Taxi zum Geschäft und wieder zurück.  „I wears longsom lossn miaßn“, meint sie mit Wehmut in der Stimme und fügt hinzu: „A pissl moch i nou weitr- sou long is drpock.“  Denn ihr ist bewusst, dass ihr die Arbeit viel Lebensenergie und Kraft gibt.  Sie möchte ihre vielen Kunden nicht missen und wünscht sich, dass sie die Fensterläden noch lange öffnen und die Wollpackungen vor die Tür stellen kann. Diese zeigen den Pradern täglich, dass die Peppa auch mit fast 90 immer noch in ihrem Element ist.

Magdalena Dietl Sapelza

Bezirkszeitung Vinschgerwind, Vinschgau


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