Dienstag, 14 Juni 2011 00:00

Die Grenzgänger auf Grenzgang

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Taufers im Münstertal

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In der Gemeinde Taufers im Münstertal sind einige Baustellen offen. Baustellen, die eine Miniaturausgabe der Südtiroler Begebenheiten darstellen können. Eine Gemeinde zwischen Zweifel, Hemdsärmeligkeit und dem Drängen von außen.

von Erwin Bernhart

Asbest, Fernheizwerk, Durchgangsstraße, Glasfaserkabel, einen Naturbach, E-Werke, öffentliche Bauten, Grenzgemeinde: Taufers im Münstertal hat das Zeug, Südtirol in Miniatur zu sein. Die Meinungen sind ebenso vielfältig wie die anstehenden und einer Lösung harrenden Themen.

Der Verkehr
Ein zentrales Thema ist der Verkehr, besser gesagt die Staatsstraße, die das Dorf in zwei Hälften zersägt. Ein gewachsenes Durchzugsdorf eben. Eine Umfahrung sollte die Verkehrsproblematik lösen, eine Umfahrung ist seit 10 Jahren im Bauleitplan eingetragen. Polemiken hat dieses Ansinnen im Dorf ausgelöst, die Leute gespalten, wie die Straße das Dorf teilt. Eine Umfahrung war und ist höchst unrealistisch für Taufers. Da haben andere Dorfumfahrungen im Land Vorrang.
Der Wiener Verkehrsexperte Hermann Knoflacher wurde vor Jahren zu Rate gezogen. Seine Expertise und sein Fazit für Taufers: keine Umfahrung, dafür an der bestehenden Straße Tempo 30, Gehsteige und Fahrbahn sollten das gleiche Niveau haben und optisch soll man die Straße, wo immer es geht, verengen.
Die Tauferer Gemeindeverwaltung unter BM Hermann Fliri hat die Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 auf 40 Stundenkilometer herabsetzen und er  hat die Knoflacher’schen Ideen vom Schlanderser Ingenieur Ulrich Innerhofer in einen Plan gießen lassen. Der Großteil der Bürger hat an diesem Plan Wohlgefallen gefunden: Fahrbahn und Gehsteig auf gleicher Ebene, die Regenwassersammlung der Straße in der Mitte der Fahrbahn. Innerhofer hat aus der Staatsstraße durch das Dorf eine Art V-Tal gemacht. Auf dem Plan. Die Tauferer wollen das Wasser von ihren Häusern weghaben, anständige Gehsteige und vor allem eine Erhöhung der Sicherheit auf der Straße.
Nun ist die Diskussion über den Modus, wie man die Straße im Dorf ausbaut, neu aufgekeimt. Grund dafür ist das Njet des Amtes für Straßenbau West um Werner Stecher. Der Plan Innerhofers sei in einigen Teilen mit dem Straßenkodex nicht vereinbar. Zum einen schreibt der Straßenkodex vor, dass ein Gehsteig mit einer Bordsteinkante von 15 cm ausgeführt sein muss und zum anderen sei mit der mittig verlaufenden Wasserrinne eine Schneeräumung nicht möglich.
Innerhofer und die Gemeindeverwalter mussten Kompromisse mit den
Landestechnikern eingehen: das Wasser soll nun am Straßenrand gesammelt werden, einige Gehsteig-Abschnitte sind niveaugleich, einige nicht.
„Die meisten Änderungen, die von der Landesverwaltung gefordert worden sind, sind eingebaut worden“, sagte am Dienstag vor einer Woche Bautenlandesrat Florian Mussner. BM Fliri hatte zu einer Bürgerversammlung geladen, um „ein Zeichen“ von der Bevölkerung zu erhalten, ob man in diese Richtung weitergehen kann. „Wir als Verwalter hätten uns nicht getraut, derartige Kompromisse einzugehen“, gab Fliri offen zu. Mussner stellte eine Million Euro, aufgeteilt auf drei Jahre, in Aussicht. „Die Projektkosten übernimmt die Gemeinde, die Baukosten übernimmt das Land“, sagte Mussner. Wenn die Tauferer es wollen und der technische Landesbeirat den neuen Plänen zustimme, könne mit dem ersten Baulos im kommenden Jahr begonnen werden.
Von den Tauferern verlangt wurde, dass Innerhofers neuer Plan nochmals öffentlich ausgehängt und diskutiert werden kann. Auf jeden Fall, so Fliri auf Anfrage, werde der neue Plan, das Baulos 1 St. Johann-Kirche - Gemeindehaus öffentlich ausgehängt.

Der Bau
Noch an einem Thema lässt sich Südtirol in Miniatur erkennen: am Bau der neuen Grundschule. Eine italienische Baufirma hatte die Ausschreibung mit einem massiven Abgebot gewonnen. Mittlerweile ist die Firma wieder aus dem Rennen, mit 34.000 Euro hat sich die Gemeinde aus dem Vertrag winden können. Gründe dafür hat es gleich mehrere gegeben. Erstmals stutzig geworden sei Fliri, als die Firma für die Beseitigung der beim Abbruch gefundenen Asbestrückstände 780.000 Euro verlangt habe. Um 120.000 Euro habe dies dann die Firma Erdbau übernommen. Und dann gab es noch die Betongeschichte: Die Firma sei in Taufers gescheitert, weil sich die Betonlieferanten geweigert hätten, zu liefern, so das hartnäckige Gerücht in Taufers. Tatsächlich ist die Betonlieferung im Tal ausgeblieben. Arnold Ortler von OrtlerBeton: „Da war ein besonderer Beton ausgeschrieben und zwar ein Schaumglasbeton. Den habe ich bisher noch nicht angemischt. Dem Geometer der italienischen Firma musste ich erst erklären, was das für ein Beton ist. Diese Art von Beton ist zudem sehr teuer. Und mit dem Preis in der Ausschreibung wäre der Beton nicht zu bezahlen gewesen.“ Ortler wollte kein Risiko eingehen, zumal in seinem Büro bereits ein Advokat der italienischen Firma aufgetaucht sei, der Forderungen und Haftungen klären wollte. Und Franz Marx, der Schlanderser Betonkönig, sagt: „Bei uns hat die Firma nie direkt nachgefragt.“
Nun sollen die Bauarbeiten neu ausgeschrieben werden. „Wir werden bei der Ausschreibung diesmal einen anderen Schlüssel hernehmen und zwar 60 Prozent soll die Qualität und 40 Prozent der Preis bei der Entscheidungsfindung ausmachen“, sagt Fliri.

Der Rom
Und noch an einem Thema lässt sich Südtirol in Miniatur erkennen: Lust und Gelüste am Rombach. Während der Bach im nahen Münstertal aufgeweitet und renaturiert ist, war dies auf Südtiroler Seite nicht notwendig. Bis zum Calvawald ist der Rom ein ungezähmter Wild- und Naturbach. Der Bach ist dem Begehren stromwirtschaftlicher Nutzung ausgesetzt. Auch vom BM. Auf der einen Seite. Auf der anderen setzt eine Tauferer Gruppe gemeinsam mit der Umweltschutzgruppe Vinschgau alles daran, den Rombach unter Schutz zu stellen und damit den Fängen einer drohenden Verrohrung zu entziehen. Ein Widerspruch ist in Taufers zu beobachten: Während der Rom verrohrt werden soll, lässt BM Hermann Fliri über ein Interregprojekt vom Direktor des Naturmuseums Südtirol, Leo Unterholzner, Tafeln zur Biodiversität entlang des Rom aufstellen. Über ein anderes Projekt soll gemeinsam mit dem Val Müstair ein Themenweg entstehen. Kein Widerspruch, sagt Fliri.
Der Rombach ist mehr als ein Tauferer Gemeindethema. Für die elektrische Nutzung liegen derzeit zwei Gesuche auf. Eines der Malser E-AG (mit den Gemeinden Mals, Glurns, Taufers und Schluderns) gemeinsam mit der SEL und ein zweites von Hellmuth Frasnelli. Um einer Konzessionserteilung zu entgehen, wird das Landesgesetz vom 20. Juli 2006, Nr. 7 bemüht. Der Amstdirektor des UVP-Amtes Paul Gänsbacher bestätigt dies dem „Vinschgerwind“. Im Artikel 19 heißt es da: „Für den Erlass neuer Konzessionen für große Wasserableitungen zur Erzeugung von Elektroenergie ... wird von der Landesverwaltung ... eine öffentliche Ausschreibung vorgenommen...“ Mit einer Ausschreibung, für die eine Empfehlung der Dienststellenkonferenz nötig ist, in welcher Form auch immer diese lauten wird, wären die beiden Ansuchen vom Tisch und müssten neu eingereicht werden. Ziel der Aktion wäre wohl, eine Großableitung zu verbieten, eine Kleinableitung (unter 3 Megawatt Leistung) aber zuzulassen und für diese gelten andere Kriterien - den Nachweis der Grundverfügbarkeit etwa. Dann wären die Gemeinden wieder im Rennen. „Am Ende entscheidet die Politik und politisch ist am Rombach alles möglich“, sagt Fliri, der diese Gangart befürwortet.
Zudem ist der Rombach im Stromstreit zwischen den Vinschger Gemeinden und dem Land respektive SEL mit im Spiel. „Der Rom ist im Strombefriedungspaket mit enthalten“, sagt der Präsident des Vinschger Elektrizitäts-Konsortiums Albrecht Plangger. In der Vinschger Bürgermeisterrunde war des Öfteren auch der Rom Thema. Die SEL, so der politische Wunsch der Vinschger Gemeindevertreter, soll sich aus der hydroelektrischen Nutzung des  Rom - wie aus anderen Vinschger Bächen - draußen halten. Würde dieser Wunsch konkret, so die Marschrichtung, könnte man auch beim Rekurs (Martell, Latsch, Laas und VEK rekurrieren gegen die Konzessionsvergabe für die Hydros) in Martell mit sich reden lassen.
Genau auch solche Ansinnen hat in Taufers die Bürgerliste „Für Taufers“, mit Wolfgang Kapeller an der Spitze, bewogen, für die gestrige Gemeinderatssitzung einen Beschlussantrag einzubringen. Der Rat solle beschließen, den Rombach vor hydroelektrischer Nutzung zu schützen. „Wir sollten es kommenden Generationen offen lassen, wie sie mit dem Rom umgehen wollen“, sagt Kapeller. Es ist dies ein erstes konkretes Aufbäumen. Eine Mehrheit für diesen Beschlussantrag käme in Taufers wohl einem Wunder gleich. Fliri ortet ausgerechnet in diesem Vorgehen einen Widerspruch: „Warum sollte der Gemeinderat entscheiden, wo man doch das Volk entscheiden lassen will?“
Mit noch einem Netz wird versucht, den Rom zu schützen. Mit einer bindenden Bürgerbefragung. In einer Arbeitsgruppe, die sich in elf Treffen bei diversen Fachleuten, Wirtschaftstreibenden und Verbänden informiert hat, ist eine Bürgerbefragung grundsätzlich befürwortet worden. Ist der gestrige Beschlussantrag versenkt oder angenommen worden, so soll, geht es nach der Liste „Für Taufers“  eine Bürgerbefragung stattfinden, die laut Satzung mit einem Quorum von 40 Prozent bindend wäre.

Das Glasfaserkabel
Ein anderes Thema ist in Taufers höchst konstruktiv über die Bühne gegangen. Man hat im Zuge der Verlegung der Fernheizleitungen auch Glasfaserkabel für Internet und Telefonie verlegt.  Siegfried Warger ist das zu verdanken, der dies vorausschauend vorangetrieben hat. Nun ist Taufers wie eine Glasfaserkabelinsel - über Funk mit dem weltweiten Netz verbunden. Denn das „missing link“, das fehlende Teilstück zwischen Laatsch und dem Calva-Wald ist noch zu bestücken. „Dies soll über den zu bauenden Radweg erfolgen“, sagte Warger. Und bei der Bürgerversammlung bat Warger um wohlwollende Unterstützung von Landesrat Mussner.


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