Bewusst oder fälschlicherweise wurde ihr Geburtsjahr, vermutlich wegen der vorgesehenen Zuckerration, auf der Lebensmittelkarte mit 1936 angegeben. Somit begann ihr wechselhaftes Schicksal.
Marianne hatte das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet, als ein verhängnisvoller Unfall die Familie getroffen hat. Ihr Vater verunglückte tödlich und hinterließ acht Kinder zwischen zwölf Jahren und zehn Monaten.
Ihr Zuhause war wohl nur das Geburtsnest, denn schon im Schulalter kam Marianne als Arbeitskraft auf einen fremden Hof. Die Arbeitsabläufe waren genau geregelt, und nichts entging dem strengen Auge der Bauersleute. Beim Füße waschen durfte sie auf die Knie nur spucken. Es war nicht erlaubt, den Rock so weit nach oben zu schieben.
Mariannes Mutter hatte sich wieder verheiratet, aber der nunmehrige Stiefvater entpuppte sich bald als Trinker und tobsüchtiger Mann. Eine bittere Erinnerung blieb ihr vom Tag der Erstkommunion, als sie plötzlich und unbegründet eine Ohrfeige erhielt und ohne Essen ins Bett geschickt wurde.
In der Marienherberge hat Marianne dann kochen gelernt und auch ihren späteren Mann aus dem Vinschgau getroffen. Doch schon bald nach der Heirat musste sie unschöne Erfahrungen machen. Ihr Gatte konnte ohne äußere Zeichen von Gefühl und Liebe leben, so sagte er: „Sitz nit sou gleim he, i honn viel za hoaß.“ Marianne fasst zusammen: „Vor der Heirat darfst du kein Bussl geben und nach der Heirat kriegst du keines“, und doch gingen zwei Kinder aus dieser Ehe hervor.
Sie musste schuften wie ein Knecht, während er imstande war, sich hinzulegen, und das sogar zu Erntezeiten. Als Schwiegertochter wurde sie nie akzeptiert und anerkannt.
Schließlich arbeitete die junge Frau als Köchin in der Schweiz. Dort fand sie zum ersten Mal wohltuende Harmonie, Gleichgesinnung und Anerkennung
Ihre Ehe ging in Brüche. Die bösen Redensarten der Schwiegermutter trugen wohl auch dazu bei und drängen sich heute noch in Mariannes Gedächtnis, des Öfteren musste sie hören:“ Hausorbat isch kuan Orbat, sie bring nix inn“, oder :“ S Gwond muasch olls ledigr kafn“, ebenso:“ Du hosch nix mitgebrocht, man hatt a bessere af dr Stroß gfundn“.
Den Schritt zur Trennung machte sie mit Entschlossenheit, und es brauchte damals wohl auch besonderen Mut dazu .Mit ihren beiden Kindern zog Marianne dann nach Vilpian, wo sie als Köchin arbeitete. Dort lernte sie Josef, ihren zweiten Mann kennen. Sie zog mit ihm auf seinen Heimathof nach Tabland bei Naturns und gebar ihm das Mädchen Kathrin.
Nun endlich hatte sie das Glück auf ihrer Seite und fand in der zweiten Lebenshälfte Freude und Erfüllung. Sie wurde angenommen und geschätzt, konnte ihre Kräfte frei entfalten und sich vielseitig einsetzen, sei es in der Landwirtschaft, als Obfrau beim KVW und als Gründerin des Seniorenklubs Tabland vor gut 25 Jahren. Und diesem stand sie bis vor kurzem als Präsidentin zur Verfügung. Sie koordinierte beide Vereine und war unermüdlich tätig in der Organisation von Kursen und Fahrten und brachte so Bildungsangebote jeglicher Art nach Tabland.
Mit Umsicht und Geduld pflegte sie die Schwiegereltern. Neben ihrer Kompetenz im sozialen Leben des Dorfes brachte sie sich auch als Sängerin bei Kirchenchor Tabland Staben ein. In Gesellschaft junger Sänger blühte sie völlig auf und fühlt sich heute noch getragen von der Energie der jungen Leute.
Der Mann hatte Verständnis für die vielen Abwesenheiten und unterstützte sie in all ihren Aktionen. Leider ist er vor fünf Jahren verstorben. Durch eine schwere Krankheit eignete sich Marianne eine gesunde Lebensweise an und lernte viele Dinge anders zu betrachten.
Sie hat sich ein junges Herz bewahrt und sie weiß mit stiller Fröhlichkeit die Beschwerden der alten Tage anzunehmen. Sie freut sich an den Enkelkindern und ist dankbar, dass Tochter Kathrin sie begleitet und umsorgt.
{jcomments on}