Montag, 30 Mai 2011 07:12

Stresstest für Windräder

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Bozen/Vinschgau

s7_8112Die Landesregierung hat in ihren Verlautbarungen in Sachen Windkraft etwas zurückgerudert: War im Februar noch von einem generellen Windkraftverbot für Südtirol - mit einer Ausnahme - die Rede, sollen nun mit einer Reihe von Voraussetzungen doch Windkraftanlagen möglich werden. Derweil kommt von mehreren Seiten Interesse an Windmessungen.
 

von Erwin Bernhart

Südtirol hat keine Atomkraftwerke. Einen Stresstest, wie er für die Atomkraftwerke in Deutschland durchgezogen worden ist und wie ein solcher auch für sämtliche Atomkraftwerke in Europa vorgesehen sein soll, gibt es allerdings auch bei uns. Ein Stresstest in einer anderen Form. Und zwar für die Windkraft.
Eigentlich sind es mehrere Stresstests.
Einem Stresstest wurde die Planung von mehreren Windanlagen auf der Malser Haide unterzogen. Nicht bestanden - war das Ergebnis. Die Leute wollen keine Windkraftanlagen in der Talsohle, keine Windkraftanlagen, die vor allem die Landschaft beeinträchtigen, den Blick auf herrliche Bergkulissen trüben, das Gefühl einer Heimat-Technisierung vermitteln, das Gefühl verbreiten, damit touristisch nicht mehr attraktiv zu sein. Der Widerstand im oberen Vinschgau war groß und kam aus vielen Richtungen - von Bürgern, von Tourismustreibenden, von der Gemeindeverwaltung in Graun. Das Thema war längere Zeit medienbeherrschend. Auch der „Vinschgerwind“ hat sich an der Diskussion rege beteiligt.
Unter diesem Druck ist sogar eine angedachte und angekündigte Volksbefragung zum Thema Windenergie in Graun und in Mals abgeblasen worden. Den Wind aus den Widerstandssegeln hat dann ausgerechnet die Landesregierung genommen: Keine Windkraftanlagen in Südtirol - mit einer Ausnahme - jener auf dem Sattelberg am Brenner. Die Willensbekundung aus der Bozner Regierungszentrale hat im oberen Vinschgau den Aufbruch in das Zeitalter der Windenergie und einen möglichen Aufbruch in die direkte Demokratie vorläufig gestoppt.
Die widerstandsschwangere Luft ist vorerst draußen. Grundsätzlich wurde der Schritt von den diversen Widerstandsfraktionen begrüßt, die Botschaft wurde wohl vernommen, man nagte, in anderen Landesteilen, noch an der Ausnahme Sattelberg und vermutete eine „Lex-Leitner“, weil die Firma Leitner maßgeblich am Vorantreiben des dortigen Windparkes beteiligt ist.
Eine Art Ausnahme soll es auch für die zwei bestehenden Windräder auf der Malser Haide geben. Eine Galgenfrist von 5 Jahren, so LH Luis Durnwalder, solle den Rädern gegeben werden, für die Amortisierung. Dieses Thema - die Länge der Galgenfrist - wird noch Gegenstand einer der kommenden Ratssitzungen in Mals werden. BM Ulrich Veith steht in Verhandlung mit der Firma Leitner, in denen Abbaukosten, Amortisierungskosten und Bedingungen für einen fünfjährigen Pachtvertrag eine Rolle spielen. In der Gemeinde Mals gibt es Kräfte, die die Windräder am liebsten sofort abtragen lassen würden. Veith lässt durchblicken, dass er sich für einen Verbleib der vorhandenen zwei Windräder für die angesprochenen fünf Jahre einsetzen wird. Der absolute Stresstest für die zwei Windräder auf der Malser Haide steht demnach noch an.

Der Wind dreht
Mittlerweile hat sich allerdings auf Landesebene der Wind wieder gedreht. In einen von Landesrat Michl Laimer entworfenen „Klimaplan“ eingepackt hat die Landesregierung Mitte Mai den Spalt für die Windkraft wieder etwas geöffnet und fährt damit einen Zick-Zack-Kurs. „Da Windkraftanlagen weithin sichtbar sind und das Landschaftsbild beeinträchtigen, hat die Landesregierung eine Reihe von Voraussetzungen beschlossen, die erfüllt sein müssen, bevor ein Windpark gebaut werden kann. Für eine sinnvolle Nutzung der Windkraft muss ausreichend Wind, eine mittlere Jahreswindgeschwindigkeit von fünf Metern pro Sekunde (gemessen in 30 Metern Höhe), vorhanden sein. „Diese Windgeschwindigkeit erreichen wir an fünf Punkten im Land: im oberen Vinschgau, am Brenner, in Vals und an zwei Orten im oberen Pustertal“, erklärte Landeshauptmann Luis Durnwalder.
Doch die Windgeschwindigkeit ist nur ein Faktor, der bei der Standortwahl für eine Windkraftanlage berücksichtigt werden muss. Landeshauptmann Durnwalder: „Windräder dürfen nicht in Naturparks, Natura-2000-Gebieten, im Unesco-Weltnaturerbe, nicht in bewohnten Gebieten und in der Talsohle und auch nicht auf einer Höhe von über 2500 Metern errichtet werden.“ (Pressemitteilung vom 16. Mai 2011). Gesetz ist das noch keines, eine Willensbekundung allemal und nach dem generellen Verbot ein Umschwung. Mit diesen Kriterien hat die Landesregierung eine Art technischen Stresstest für künftige Windräder eingezogen. Allerdings sind die Messdaten, die den Aussagen der Landesregierung zugrunde liegen, nicht die neuesten. Südtirol ist wind-technisch noch lange nicht vermessen.

Stresstest
Sollte der eine oder andere Standort diesen Stresstest erfüllen, kommt ein zweiter, wesentlicher Test hinzu: Jener, ob die Bevölkerung für das eine oder andere Windrad oder gar für einen Windpark bereit ist. Möglicherweise kommt der Stresstest von Seiten der Bevölkerung vor dem technischen.
Bereits im Jahr 2004 hat der Alpenverein Südtirol seine Grundsatzposition dargelegt und Rahmenbedingungen vorgeschlagen. Diese Rahmenbedinungen finden sich fast deckungsgleich in der Erklärung der Landesregierung wieder. Der AVS hat damals von „Tabuzonen“ gesprochen - Schutzgebiete (Natura 2000, Nationalpark, Naturpark, Biotope) und deren Vorfeldzonen. Auch „landschaftlich wertvolle, alpintouristisch bedeutende und ausgesetzte Gebiete“ sollen „Tabuzone“ sein. Ein Mitspracherecht aller Beteiligten, fordert der AVS.
In der derzeitig noch schwelenden Anti-Windkraft-Stimmung ist das Thema stark emotional besetzt und entzieht sich so einer objektiveren Betrachtungsweise.

Windmessung
Trotzdem: Der Wind will gemessen werden. Im Amt für Energieeinsparung liegen Ansuchen auf, Windmessungen in bestimmten Gebieten vornehmen zu wollen. Kolportiert wurde auch eine mögliche Windmessung auf dem Watles. Der „Wind“ konnte dieses Gerücht nicht verifizieren. BM Ulrich Veith: „Wir haben kein Ansuchen um Windmessung gestellt.“
Dafür soll in der Gemeinde Laas der Wind gemessen werden. BM Andreas Tappeiner, gleichzeitig Präsident der Laaser und Eyrser Energie-Genossenschaft LEEG, hat um das Messgerät angesucht. Richtung Tanas soll gemessen werden. Die Genossenschaft, so Tappeiner, will sich nach neuen Geschäftsfeldern umschauen. Dazu gehöre auch die Erzeugung von Strom. Man sei derzeit dabei, in der Heizzentrale der LEEG auf Holzvergasung um- und aufzurüsten. Mit der Holzvergasung könne über ein Blockheizkraftwerk neben Wärme auch Strom erzeugt werden. Gelingt dies, könne die Genossenschaft problemloser über die Runden kommen. Und nun will Tappeiner überprüfen lassen, ob Windenergie in seiner Gemeinde grundsätzlich möglich wäre. Zuerst müsse mindestens über ein Jahr lang die Windstärke gemessen werden.
Ein Befürworter für Windmessungen ist Walter Haberer. Haberer ist unter anderem zuständig für die Windmessstationen, die das Amt für Energieeinsparung verleiht und betreibt. Anhand von Messdaten stelle sich schnell heraus, ob ein Standort - ausschließlich von der Windstärke gesehen - überhaupt für eine Windkraftnutzung geeignet ist. Eine „gefühlte“ Windstärke lasse sich selten in handfeste Daten ummünzen. Haberer sagt auch, dass er bereits vor Jahren, da war Sepp Noggler noch BM in der Gemeinde Mals, angeregt hat, am Watles Windmessungen vorzunehmen, weil dort vermutlich geeignete Windstärken anzutreffen seien. Die Anregung ist auf indifferente Ablehnung gestoßen.
Auch die Gemeinde Schlanders hat um das Windmessgerät angesucht. BM Dieter Pinggera: „Vor gut einem Jahr ist ein Privater aus diesem Grund zu uns gekommen.“ Welcher Standort auf Windstärken untersucht werden soll, will Pinggera vorerst nicht verraten. Nur soviel, dass man sich in der Warteschleife befinde. Man wisse nicht, ab wann Messungen gestartet werden.
Bis diskutierbare Messdaten vorhanden sein werden - es soll mindestens über eine Jahr lang gemessen werden -, könnte sich die bisher für die Talsohle und für den Sattelberg  hitzig geführte Debatte beruhigt werden.
Trotzdem: Für neue Standorte wird ein Stresstest auch von Seiten der Bevölkerung, in welcher Form auch immer, unumgänglich sein.


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