Philipp Achammer: Es gab schwierige Momente ohne Zweifel, für die SVP fremdschämen - sicher nicht, obwohl es Fehler gegeben hat, die alles andere als zuträglich für die Partei waren, die weh getan haben und für die Politik kein gutes Bild gemacht haben. Es gibt für mich nur ein Zusammenreißen und ein Bessermachen. Wir kämpfen jetzt darum, Vertrauen zurückzugewinnen. Man merkt, wo man vorher ein gewisses Grundvertrauen gegenüber der Politik gespürt hat, ist jetzt Skepsis da. Man gibt den Jungen zwar eine Chance und sagt: ihr müsst beweisen und müsst zeigen, dass es auch anders geht. Man kann jetzt nichts anderes tun, als aus diesen Situationen etwas lernen.
Manuel Massl: Ich war enttäuscht, von einzelnen Mandataren, vor allem von ehemaligen Mandataren. Enttäuscht war ich, wie einige Sachen aufgearbeitet worden sind, wie auf Bekanntmachungen in der Öffentlichkeit reagiert worden ist. Und das betrifft jetzt nicht nur die SVP allein. Ich war verwundert über das Verhalten der Oppositionsparteien und die Aussagen der Spitzenexponenten. Die SVP hat in der Rolle als Regierungspartei gleich wie die Oppositionsparteien viel an Vertrauen verspielt.
Die SVP ist offensichtlich nicht mehr attraktiv. Ihnen laufen die Mitglieder davon.
Achammer: Wie gesagt, die verschiedenen Vorfälle haben uns sehr viel gekostet. Ich würde nicht sagen, dass die SVP nicht mehr attraktiv ist. Nun kommt es darauf an, dass die SVP-Exponenten das verkörpern, was die SVP an Werten vorgibt. Wenn wir hart daran arbeiten, dann ist die SVP auch wieder attraktiv. Die SVP genießt ein gewisses Grundvertrauen als Partei. Ich glaube, dass die Leute der SVP wieder eine Chance geben, wieder aufzustehen. Aber dafür braucht es - und dessen sind wir uns bewusst - eine harte und ehrliche Arbeit.
Die SVP kämpft gegen einen Schuldenberg von rund 5 Millionen Euro an.
Massl: Wir sind momentan in der Situation, dass wir über den Verkauf von Vermögen, wie Immobilien in Bozen und Bruneck, und über andere Einsparungen nachdenken. Das Ganze soll in einem Konzept konkretisiert und angegangen werden, damit der laufende Betrieb weiter finanzierbar bleibt.
Achammer: Wir müssen kurzfristige Schritte setzen, um Schulden abzubauen. Es braucht auch unpopuläre Maßnahmen und eine Reform in der Struktur der Partei. Sie muss moderner gestaltet werden. Einiges ist - um es selbstkritisch zu sagen – überholt. Die Leute verlangen Reformen. Auch das hängt mit Glaubwürdigkeit zusammen.
Gibt es Entlassungen?
Achammer: Es wird keine Nachbesetzungen mehr geben. Es wird notwendig sein, bei den Personalspesen zu sparen. Es braucht eine Neustrukturierung. Es muss ein glaubhaftes Konzept her. Und daran arbeiten wir.
Herr Achammer, Sie sind als Landessekretär gestartet und nun Schullandesrat und SVP-Obmann. Ist der Posten des Landessekretärs das politische Sprungbrett für Kollege Manuel Massl?
Achammer: Das Amt des Landessekretärs ist eines, das viel Verantwortung verlangt und viel Aufwand mit sich bringt. Ich bin überzeugt, dass Manuel die Herausforderung gut meistern wird, sonst hätte ich ihn nicht als Sekretär gewählt. Nicht ein Karrieresprung steht im Mittelpunkt, sondern es geht darum, eine gute Arbeit in dieser Position zu leisten. Alles Weitere entscheiden die Bürgerinnen und Bürger.
Kollege in der Studienzeit, Kollege im Leben, Kollege in der Politik. Wir erkennen noch keine neue Linie. Wo bleibt der viel gepriesene Neustart?
Massl: Im Grunde sind wir politische Kollegen. Wir kennen uns seit wir 16 Jahre alt sind, seit wir in der Jungen Generation angefangen haben. Wir haben uns gut kennengelernt und festgestellt, welche Meinung der andere hat, welche Ideale man vertritt, welche Art man als politisch denkender und aktiver Mensch hat. Das ist wesentlich. Gegenseitige Sympathie, eine gleiche Linie sind sicher gegeben. Von dem her ist die Übereinstimmung groß. Zum Thema Sprungbrett: Ein Faktor ist das Vertrauen. Der Parteiobmann braucht einen Landessekretär, dem er voll vertrauen kann. Das ist gegeben und war sicher ausschlaggebend für die Nominierung.
Eine neue junge Seilschaft?
Achammer: (lacht) Sicherlich ist es untypisch für eine Partei. Wenn man vor Jahren daran gedacht hätte, dass zwei 29-Jährige die SVP führen, hätten viele den Kopf geschüttelt. Ich habe den Manuel nicht gewählt, um einen Kollegen von mir unterzubringen, sondern weil ich ihn lange politisch kenne und weil ich weiß, dass er das der Überzeugung willen tut. Die neue Linie wird man erkennen, wenn wir jetzt einige sehr große Reformen in der hauptamtlichen, in der ehrenamtlichen Struktur, im Parteistatut und im Grundsatzprogramm umsetzen. Das steht im nächsten Jahr an. Wenn wir das gut meistern, dann wird einiges an Neuem auf die Partei zukommen.
Die kniffligste Aufgabe?
Achammer Im Moment ist es sicher, eine Finanzierung auf die Beine zu stellen, Motivation in die Struktur hinein zu bringen - wieder nach Rückschlägen. Eine Hauptaufgabe, die wir uns gestellt haben, ist es, soviel als möglich draußen bei den Leuten zu sein- in den Ortsgruppen. Unsere Aufgabe ist es, für die Leute da zu sein und nichts anderes.
Herr SVP-Obmann Achammer. Vorgänger Richard Theiner, dem Sie als Parteisekretär gedient haben, hat die Vollautonomie propagiert. Sie sprechen von Autonomiekonvent.
Achammer: Es ist Ziel der Vollautonomie, alle möglichen Bereiche zu übernehmen. Autonomiekonvent beschreibt die Form, wie man zur Vollautonomie hin kommt. Nun soll ein Gremium eingesetzt werden, das an der Autonomie und deren Weiterentwicklung arbeitet und Vorschläge vorlegt. Es stellt sich die Frage, wie soll unser Autonomiestatut ausschauen? Welche Bereiche sollen wir zusätzlich übernehmen. Die Vorschläge wird man dann in Rom vorlegen mit der Hoffnung, dass es auch entsprechend akzeptiert wird und dass es weitergeht. Es wird aber nicht leicht sein, denn wir haben zwar eine Regierung, die uns gut gesinnt ist, aber der Staat richtet sich leider zentralistisch aus und nicht föderalistisch.
Rom behält Gelder zurück, streicht Kompetenzen und Südtirol zieht laufend vor das Verfassungsgericht. Fühlen Sie sich von der italienischen Regierung um Renzi verschaukelt?
Massl: Verschaukelt… das wäre zu vereinfacht dargestellt. Es geht im Wesentlichen darum, dass sich Italien in einer schwierigen Lage befindet, auch finanzieller Natur. Bei der Suche nach Geldern versuchen sie es auch bei uns. Und wir sind hin und wieder Opfer der Sparmaßnahmen, wobei der gute Kontakt zu Renzi auch wieder Früchte trägt beim Bemühen, die Sonderautonomie zu schützen. Und man bleibt bei einigen Sparmaßnahmen auch wieder verschont. Trotzdem sind Fragen da, die der Verfassungsgerichtshof entscheidet. Zum Beispiel: Was passiert mit den geschuldeten Geldern an Südtirol? Wie verschafft man sich mehr Sicherheit. Da ist der LH zusammen mit den Parlamentariern auch in Absprache mit uns als Partei schon sehr bemüht, eine sichere Lösung zu finden.
Achammer: Es geht darum, dass man trotz widriger Umstände des Staates versucht in gutem Kontakt mit der Regierungsmehrheit zu bleiben und in Verhandlungen Lösungen zu finden. Bei der jüngsten Verfassungsreform ist uns trotz widriger Umstände einiges gelungen.
Wie gehen Sie mit folgendem Widerspruch um: Einerseits will die EU die Regionen stärken, andererseits sollen Ausschreibungen europaweit erfolgen.
Achammer: Im Grunde muss die EU erst mehr darum bemüht sein, die Regionen zu stärken. Der Schritt dorthin muss erst gemacht werden. Die Zukunft liegt sicher im Europa der Regionen und nicht der Nationalstaaten. Es gibt viele, die die EU unterschätzen. Es gibt Richtlinien, die eingehalten werden müssen. Beim Ausschreibungsrecht, aber auch in anderen Bereichen müssen sich alle Mitgliedsstaaten daran halten. Die EU ist eine Entscheidung, die man getroffen hat, eine bewusste. Nun muss man die Folgen, die vielen positiven aber auch negativen auch tragen.
Massl: Man muss bedenken. Die EU ist ein Zusammenschluss von unterschiedlichsten Interessensgruppen. Und was das Thema Regionen stärken anbelangt, haben viele Nationalstaaten kein Interesse. Es gibt aber auch Kräfte, die für die Vielfalt und Stärkung der Regionen eintreten. Es ist vieles in Bewegung. Man muss bedenken, dass die EU ein Wirtschaftsraum ist und vor allem ein Friedensprojekt.
Herr Schullandesrat Achammer, Sie sprechen von „Bildungspolitischer Freiheit“ für die Schulen. Was meinen Sie damit konkret?
Achammer: In erster Linie, dass wir versuchen müssen, im Rahmen einer Bildungshoheit mehr bildungspolitische Bereiche nach Südtirol zu holen. Wir haben in der Bildung keine primäre Gesetzgebungskompetenz und müssen uns staatlichen Vorgaben unterwerfen. Wir möchten mehr Spielraum haben. Im System der Lehrbefähigungen ist ein Chaos. Für junge Lehrpersonen ist die Situation derzeit fast unerträglich, weil sie nicht wissen, wie und wo sie eingestuft werden. Wir müssen in Verhandlung mit Rom, um für unsere spezielle Situation als Minderheit mehr Freiräume erhalten. Personalrechtliche Kompetenzen zu erhalten, wäre der große Wunsch. Ich war bereits in Rom und habe mit der Bildungsministerin Gespräche geführt. Leider wechseln die Regierungen oft und es ist schwierig, Erfolge bis zur letzten Konsequenz zu erzielen. Wir hoffen und arbeiten auf den günstigen Moment hin.
Herr Kulturlandesrat Achammer: Sie wollten Förderungsgelder für Verlage streichen. Sind Sie ein Freund des Verlags- und Medienmonopols?
Achammer: Nein. Die Frage stimmt so nicht. Es ist anders. Wir führen die Verlagsförderung ein. Südtirol braucht eine Vielfalt an Verlagen, auch an kleinen Verlagen. Wenn wir nicht wollen, dass kleine Verlage sterben, brauchen diese Möglichkeiten und wir müssen diese schaffen. Erstmals können die kleinen Verlage beim Land ansuchen. Das war bisher nicht möglich. Unter der Verantwortung von LH Arno Kompatscher wird es auch eine Neuausrichtung in der Medienförderung geben.
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