Hat Stille einen Ort? Ist Stille innen oder außen, oder an der Grenze von beiden? Ist sie ein Ereignis in der Zeit oder im Raum? Welchen Klang hat Stille? Gibt es Gründe, sie zu fürchten? Die Anwesenheit des Todes? Können wir Stille überhaupt hören oder sind wir ihr gegenüber taub? Gibt Stille sich zu hören oder ist sie verschwiegen wie das Schweigen selbst? Für die Stille in der Sprache gibt es ein eigenes Wort: Schweigen. Kein Ort steht exemplarischer dafür als das Kloster. Schweigsame Mönche in Kutten, alte Gemäuer mit langen Gängen: Dieses Bild haben wir vor Augen, wenn wir an ein Kloster denken. So sehr uns diese stille Welt fasziniert, so fremd ist sie uns. Die mystische Frömmigkeit, die weltabgewandte Geisteshaltung, die Ekstase der Stille im Inneren dieser Mauern scheinen nicht von dieser Welt und uns unzugänglich geworden zu sein.
Annemarie Laner nimmt das 1332 gegründete und 1782 aufgelöste Kloster des Kartäuserordens mit Schweigegelöbnis zum Ausgangspunkt einer künstlerischen Reflexion der Stille mit allen Spannungen und Widersprüchen. In einer konsequent persönlichen, aber auch Reflexionen anderer Künstler einbeziehenden Hinsicht, erkundet sie eine Grundsignatur unseres Lebens. Zwischen den extremen Polen von Stille als Katharsis des modernen Lebens und der Angst vor der endgültigen Stille – Inbegriff des Schweigens ist der Tod – faltet sich ihr Denken über das, was Stille (noch) bedeuten kann, aus. John Cages epochales Werk „Silence“ verknüpft sie mit dem bei den Kartäusern verwendeten Totenrotel, einer um einen Stab gewickelten Pergamentrolle. Eine schriftliche „Sterbeanzeige“ und zugleich Nachruf in Versform, die von Kloster zu Kloster weitergereicht und ergänzt wurde. Die Künstlerin versucht diese Poesie in Kunst umzusetzen, wobei sie bis zu 25 Meter lange Bahnen aus Japanpapier verwendet.
Die Stundengebete der Mönche spiegelt sie in dichtbeschriebenen, kleinformatigen Bildern wider: „Ich schreibe eine Stunde in der Stille in einer Linie. Linie ist Bewegung, ebenso wie Gedanken Bewegung sind.“ Bewegung heißt für sie aber auch Interaktion, deshalb lädt sie ein, ihre eigenen Gedanken zum Thema Stille in einem eigenen Werk zu Papier zu bringen.
Ein zweiter Aspekt der Ausstellung widmet sich in Anlehnung an den Klosternamen „Allerengelberg“ dem Thema Engel. Die Boten zwischen irdischer und überirdischer Welt, zwischen Sichtbarem und Unsichtbarem stehen in einer traditionsreichen Bildersprache. Aber welche Bedeutungsdimension lässt sich dem alten Bild des Engels heute noch abgewinnen? Annemarie Laner wollte es genau wissen und befragte die Bevölkerung von Karthaus nach ihren Gedanken und persönlichen Vorstellungen zum Begriff Engel. Junge und alte „Klösterer“ füllten den Fragebogen aus, den die Künstlerin in einem Werk direkt auf einer Mauer des Kreuzganges verewigen möchte. Ewig? Zumindest solange, bis der Kreuzgang für die nächste Ausstellung wieder in frischem Weiß glänzt.
Zur Künstlerin
Annemarie Laner wurde 1956 in Mühlen in Taufers (Südtirol) geboren. Sie studierte an der Universität für Angewandte Kunst in Wien, Fachrichtung Graphik und Malerei. Es folgten mehrere Aufenthaltsstipendien in Worpswede, Bremerhaven und Ahrenshoop (D). In der Arbeit der Künstlerin nehmen Zeichnung und Grafik mit literarischen Bezügen und räumliches Denken breiten Raum ein. Die Schrift stand dabei stets im Fokus.
Kunst in der Kartause
20.07. bis 24.08.2014
Kreuzgang des ehem. Kartäuserklosters Allerengelberg
Karthaus im Schnalstal – Eintritt frei
Öffnungszeiten:
Montag – Samstag 14.00-18.30 Uhr
Sonntag/Feiertag 10.00-12.00
und 14.00-18.30 Uhr
Organisation: Kulturverein Schnals
Ausstellungseröffnung:
Samstag, 19. Juli 2014 – 18.00 Uhr