Aus dem Gerichtssaal - Oft wurde auf dieser Seite über die Unzulänglichkeiten der Justizverwaltung des italienischen Staates gewettert. Mit dieser Tradition soll gebrochen werden: der Versuch eines Lobliedes auf das Justizministerium.
Der italienische Staat ist, zumindest im Vergleich mit seinen Nachbarländern, Spitzenreiter in der Informatisierung der Verwaltung. Die bereits seit mehr als einem Jahrzehnt im Raum stehenden Projekte der Ministerialbeamten scheinen sich nun in einem sinnvollen Rahmen zu einem stimmigen Bild zu fügen.
Die Rede ist von den ab 30. Juni gültigen Bestimmungen zum telematischen Zivilprozess. Vorbehaltlich eines der in Italien üblichen „mille proroghe“- Dekrets, soll nun eine der grundlegendsten Reformen des Zivilprozesses in Kraft treten. Was seit 2006 als Modellversuch an einigen Gerichtsständen begann, könnte wie durch einen Paukenschlag die Rennereien und das Schlangenstehen vor den Türen der Gerichtskanzleien, das Stempelmarkenkleben, ja gar den Inbegriff der Verwaltung – den Stempel – in absehbarer Zukunft als ein Museumsrelikt erscheinen lassen.
Ab der kommenden Woche muss fast jeder Schriftsatz in eine PDF- Datei umgewandelt, digital signiert und schließlich samt Beilagen mit PEC- Nachricht an die Gerichtskanzlei übermittelt werden. Die Verhandlungsprotokolle werden bereits jetzt von den Richtern in Echtzeit online gestellt oder mit PEC- Nachricht an die Prozessparteien versendet, wofür man sich bisher erst in die Kanzlei begeben, die Kopien bestellen und – wenn man Glück hatte – nach drei Tagen und gegen Bezahlung in Stempelmarken abholen konnte.
Was auf den ersten Blick eher belanglos wirkt, hat weitreichende Folgen: Kosten können eingespart und Personal für andere Zwecke beschäftigt werden. In einigen Jahren sollte es so weit sein, dass Anwälte sich gar nicht mehr persönlich ins Gericht begeben müssen, sondern die Verhandlung wie in einem Chatroom vom Schreibtisch aus abwickeln können.
Christoph Tappeiner
www.rechtsanwalt-tappeiner.it