Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 
Dienstag, 27 Mai 2014 00:00

Tatort Internet

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Es geht um Sex. Es geht um Gewalt. Es geht um das unerlaubte Posten von Fotos oder das Hochladen von Filmen. Es geht um Beleidigungen, um Identitätsdiebstahl und um Verletzungen der Privatsphäre. Die Straftaten im Internet und der Datenmissbrauch nehmen zu. „Das größte Gold des 21. Jahrhunderts sind die Daten, die im Netz liegen“, sind Francesco Campisi und Ivo Plotheger von der Post- und Kommunikationspolizei überzeugt. Sie sind Straftätern im Internet auf der Spur und referierten jüngst zu diesem Thema in Schlanders. Dazu eingeladen hatte der KFV Vinschgau.

von Angelika Ploner


Südtirol“, sagt Francesco Campisi, „ist längst keine Insel der Seligen mehr.“

Der Polizeihauptmeister der Post- und Kommunikationspolizei, ein Sonderorgan der italienischen Staatspolizei, spricht schnell und eindringlich. Zu erzählen hat er einiges: von Verletzungen der Privatsphäre, von Beleidigungen, von Mobbing, von Betrügereien. Mit einem Wort von Internetkriminalität, Alltag bei der Post- und Kommunikationspolizei in Bozen. Die Opfer: In erster Linie Südtiroler Jugendliche, aber auch Erwachsene.

"Nimm keine Zuckerlen von fremden Menschen gilt im übertragenen Sinne auch fürs Internet."
Francesco Campisi und Ivo Plotheger.


Die folgende Episode hat sich erst kürzlich zugetragen: Mit dem Scheinprofil eines Fotografen hat sich ein Mann über Facebook Kontakt zu hübschen minderjährigen Mädchen verschafft. Unter dem Vorwand viele Verbindungen zur Modebranche zu haben, lud er die Mädchen zu einem Fotoshooting. Adresse X, Uhrzeit Y. Der Mann hatte eine Wohnung in einer ruhigen, relativ abgelegenen Umgebung angemietet. „Und was passierte? Ein Mädchen ging in gutem Glauben zum vereinbarten Termin und wurde sexuell bedrängt.“ Auch das geschehe in Südtirol, sagt der Polizeihauptmeister der Post- und Kommunikationspolizei Bozen.

Fall Nummer zwei. Im Eisacktal schickte ein Mädchen, 15 Jahre, ihrem gleichaltrigen Freund ein Nacktfoto per MMS. Dieser leitete es – um anzugeben – sämtlichen seiner Freunde und Kollegen weiter. Einer stellte das Foto schließlich ins Netz. „Natürlich ohne Wissen des Mädchens.“ Dieses wurde dann von einem ihr Unbekannten auf der Straße angesprochen, er habe ihr Foto im Internet gesehen und ob man sich einmal treffen könne.
„Intimfotos zu machen und zu verschicken ist unter Jugendlichen gang und gebe“, erklärt Campisi. Auch in Südtirol. Auch im Vinschgau. Fakt ist, dass dies laut Gesetz unter Kinderpornografie und Besitz von kinderpornografischem Material fällt und mit empfindlichen Haft- und Geldstrafen geahndet wird. Sexting wird diese neue Form des Exibitionismus genannt, die mitunter die Aufmerksamkeit von Pädophilen weckt. Fünf bis sieben Pädophile werden jedes Jahr in Südtirol verhaftet. Erfahrungsgemäß halten sich diese mehr im ländlichen Raum auf, sagt Ivo Plotheger, Oberinspektor der Post- und Kommunikationspolizei. Vom Arbeitslosen bis zum Spitzenmanager: Pädophile gehören keiner bestimmten sozialen Schicht an und weisen auch keine gewisse Altersstruktur auf. Aber Pädophile sind sehr, sehr intelligent. Der jüngste Fall, ein rund 50-jähriger Bozner, der vorzugsweise Kontakt mit Jungen reicher Familien aufnahm, sprach - Achtung! - sechs Sprachen.

"Man soll sich im Internet benehmen, wie im realen Leben."
Francesco Campisi und Ivo Plotheger

Naiver Umgang. Jugendliche, aber auch Erwachsene benutzen das Internet oft gedankenlos. Eigenverantwortung sei gefragt, Hausverstand, offene Ohren und wachsame Augen. Doch anstelle von Vorsicht und gesundem Misstrauen, stellen Francesco Campisi und Ivo Plotheger etwas anderes fest: ein großes Mitteilungsbedürfnis und eine sehr niedrige Hemmschwelle. Auch bei Erwachsenen. Ein Beispiel dafür ist „Olga“. „Olga“ spricht im Netz mit Vorliebe Südtiroler Männer an. Was die Männer dann wenig später sehen, ist eine hübsche Frau, die sich selbst befriedigt und die Männer dazu auffordert, dasselbe zu tun. Gleich mehrere Südtiroler Männer sind der Aufforderung gefolgt, richteten die Webcam auf sich und ernüchterten spätestens am nächsten Tag, als sie Nachricht von „Olga“ bekamen: Dein Name und dein Profil sind bekannt. Wenn du nicht willst, dass der Film ins Netz gestellt wird, dann überweise auf ein Auslandskonto die Summe X. „Gleich mehrere Opfer kamen zu uns und fragten um Rat“, erzählt Campisi. Fakt ist: Trotz Anzeige kann nicht vermieden werden, dass das Video ins Internet gestellt wird.
Anders verhielt es sich mit einem Südtiroler Liebespärchen, das eine außereheliche Liebesbeziehung unterhielt und sich beim Liebesakt filmte. Als die Beziehung in die Brüche ging, rächte sich der Ex-Geliebte, der Zugang zum E-Mail-Account der Frau besaß und schickte das Video an ihren Mann, an die Arbeitskollegen und Freunde, kurzum verschickte eine Rundmail mit dem wenig schmeichelhaften Inhalt. Sex ist übrigens das am Öftesten angeklickte Wort im Internet. Doch ist das Netz ein Raum ohne Grenzen und ohne Kontrollen?

"Man verliert über das, was man in Facebook veröffentlicht die Kontrolle. Das ist das Problem."
von Franceso Campisi

Tatort Internet. Nein, sagen Campisi und Plotheger dezidiert. Die Post- und Kommunikationspolizei mit Sitz in Bozen, ahndet Straftaten im Internet. Die Aufgaben im Wesentlichen sind: Kinderpornografie, Online-Betrug, überhaupt alle Betrugsarten, die im Netz geschehen, Cyberbulling, Cyberstalking, Cybermobbing. Im Jahre 1990 wurde diese Einheit eingerichtet, derzeit arbeiten 19 Polizisten dort. Die Zuständigkeit umfasst die ganze Provinz Bozen.
Man setzt auf Vorbeugung und Aufklärung, deshalb hält man rund 100 Vorträge im Jahr und macht auf die Schattenseiten des Internets aufmerksam, bietet umfangreiche Informationen und erzählt von den Opfern des Internets. Südtiroler Opfern. Es geht, sagt Campisi, nicht darum das Netz schlecht zu machen.  Als Informations- und Unterhaltungsquelle ist es sehr wertvoll: Informationen werden in Sekundenschnelle geholt, Daten ausgetauscht und Beziehungen gepflegt. Ein Beispiel: 1,23 Milliarden aktive Benutzer hat etwa Facebook.
Es geht um etwas anderes. Es geht darum, zu sensibilisieren. Es geht darum, zu informieren. Es geht um die Achtung der Privatsphäre. Es geht um eine gesunde sexuelle Entwicklung von Jugendlichen. Es geht um einen bewussten Umgang mit dem Internet und den sozialen Netzwerken. Um eben nicht Opfer derselben zu werden.


Post- und Kommunikationspolizei mit Sitz in der Reschenstraße in Bozen.
E-Mail: poltel.bz@poliziadistato.it oder
Telefon: 0471 53 14 13.



Einige Links zum Thema:
www.snets.it/kidsnet
www.kinderserver-info.de
www.ehk.it

 

„Im Netz gelten die gleichen Regeln wie im realen Leben“

s7 0433Herr Campisi, ist das Internet Fluch oder Segen?
Francesco Campisi: Das Internet ist sicher ein Segen. Man muss aber lernen, die neuen Medien nicht einfach nur zu benützen, sondern sich mit ihnen auseinanderzusetzen.

Das am Öftesten angeklickte Wort im Internet sei Sex. Stimmt das?
Ja, die Statistiken sagen das und es gibt leider keine Filter, die vermeiden, dass Minderjährige Erwachsenenseiten anschauen. Das ist eine Gefahr, die nicht unterschätzt werden darf.  Das Kind sucht vielleicht im Netz nach einem Zeichentrickfilm und schon bekommt es Pornofotos zu sehen. Deshalb sollten sich die Eltern  damit auseinandersetzen und mit den Kindern Sexualität und Gefühle besprechen. Oft suchen Kinder auch Antworten auf Fragen fälschlicherweise im Netz.

Das Internet ist ein anonymer und rechtsfreier Raum. Das zumindest glauben viele.
Im Internet gelten die gleichen Regeln wie im wirklichen Leben. Wer eine Person  im Netz verleumdet oder bedroht, wird wegen Verleumdung und Bedrohung zur Rechenschaft gezogen. Einige denken, dass sie im Internet anonym sind und schreiben Dinge, die sie im realen Leben niemals schreiben oder sagen würden. Jene, die Straftaten im Netz begehen, können auf jeden Fall identifiziert werden.

Ab welchem Alter ist ein Kind internetfähig. Ihre Meinung.
Man empfiehlt mit sechs Jahren die ersten Schritte im Internet zu unternehmen, natürlich mit Anwesenheit der Eltern: nicht mehr als 30 Minuten und auch nicht alle Tage. Allerdings sollte man die Kinder von den sozialen Netzwerken fernhalten. Für Jugendliche gilt: Der Internet-Konsum sollte nicht täglich sein und wenn, dann 90 Minuten nicht überschreiten.

Was ist Sexting?
Unter Sexting versteht man hauptsächlich  das Versenden und die Verbreitung von erotischen Selbstaufnahmen eines Minderjährigen per Smartphone oder Internet. Sexting ist verboten, denn Minderjährige dürfen keine erotischen Selbstaufnahmen machen und diese verschicken. Die Besitzer verlieren die Kontrolle über die Fotos und können so nicht nur in Verlegung kommen, sondern auch in die Hände Pädophiler fallen oder Opfer von Erpressungsversuchen werden.

Thema Pädophilie. Ein Thema auch in Südtirol?
Ja, man schätzt, dass rund 40 Prozent aller Minderjährigen, die im Netz surfen, von Unbekannten angesprochen und zu einem realen Treffen eingeladen werden. Minderjährige sollten niemals zu einem Treffen mit Personen gehen, die sie im Netz kennengelernt haben. Wenn Personen Fragen stellen oder Fotos verlangen, sofort Eltern oder einen Erwachsenen des Vertrauens kontaktieren. Für Eltern gilt: Achtung, wenn das Kind oder der Jugendliche mit einem neuen Handy erscheint, immer Telefonguthaben hat oder neue Markenbekleidung trägt. Immer kontrollieren, ob das Kind mehr Zeit im Netz verbringen möchte, ob es nervös wird, wenn sich die Eltern nähern, während es surft oder versucht den Rechner schnell auszuschalten. Oder wenn auf einmal Unbekannte daheim anrufen.

Phishing. Was ist das?
Unwissende Benutzer bekommen E-Mails (scheinbar von ihrer eigenen Bank stammend) wie z.B. CartaSì, Poste Italiane und Yahoo mit der Aufforderung die Zugangsdaten für den E-Mail-Account, Online Banking oder sogar die Kreditkartennummer einzugeben. Deshalb gilt: Nie Aufforderungen via E-Mail nachkommen, die sensible Daten wie z.B. Zugangsdaten oder Passwörter verlangen.

Was sind Betrügereien im Netz, die Ihnen hier in Südtirol unterkommen?
Die Post-und Kommunikationspolizei Bozen ruft die Bevölkerung auf, vorsichtiger im Netz zu sein. Die Menschen sind im Internet unvorsichtig. Betrugsfälle im Internet-Auto-Handel zeigen das: Es ist sehr risikoreich eine Auslandsüberweisung zu tätigen, wenn ich ein Fahrzeug nur auf Bildern im Netz gesehen habe und der Verkäufer ein Unbekannter ist. Im wirklichen Leben würde ein Fahrzeug nie ohne Vorkontrolle und Probefahrt gekauft werden. Auch würde niemand einem Unbekannten die eigenen Kontodaten verraten. Um also zu vermeiden, dass ich im Netz betrogen werde, muss ich einfach gleich vorsichtig sein, wie im wirklichen Leben.


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