Er ist Dialysenpatient und hat mit einer Spenderniere gelebt. Doch der Reihe nach. Nach der Diagnose Niereninsuffizienz wurde Kofler 2004 zum Dialysepatienten, der dreimal in der Woche die sogenannte „Blutwäsche“ über sich ergehen lassen musste. Die Aufenthalte in der Dialysestation zwängten sein Leben in ein Korsett - mit festgelegtem Wochenplan. Er musste darauf achten, keine kaliumhaltige Nahrungsmittel zu sich zu nehmen und so wenig wie möglich zu trinken. Koflers Leben war der Dialyse untergeordnet. Er ließ sich in die Warteliste für eine Nierentransplantation in der Universitätsklinik in Innsbruck eintragen. Der erlösende Anruf kam 2008. Eine neue Niere schenkt ihm die verloren gegangene Lebensqualität zurück. „Das Schönste war, dass ich endlich nach Herzenslust trinken konnte“, betont Kofler. Er fühlte sich wieder frei und wohl.
Vier Jahre später versagte die Spenderniere. Als Grund vermutet er ein falsch eingesetztes Schmerzmittel. Seit Dezember 2012 ist Kofler wieder Dialysepatient und hängt dreimal wöchentlich für vier bis fünf Stunden am Dialysegerät im Krankenhaus Schlanders. Dort trifft er regelmäßig auf Egon Blaas aus Schluderns, dem Ähnliches widerfahren ist. Blaas hatte nach Jahren der Dialyse 2004 ebenfalls eine Spenderniere in Innsbruck erhalten. Zehn Jahre lang funktionierte diese, dann verschlechterten sich die Werte. Seit 2013 ist auch er wieder Dialysepatient. Spendernieren halten durchschnittlich sieben bis acht Jahre. Doch es gibt auch Menschen die jahrzehntelang mit einer Spenderniere leben. Kofler und Blaas sind wieder in der Warterliste in der Universitätsklinik Innsbruck eingetragen und hoffen auf die Transplantation. Derzeit macht Kofler zusätzlich die Proben für eine Lebendspende. Seine Schwester will ihm eine Niere schenken. Das Warten zermürbt ihn. „Den Durst halte ich kaum noch aus“, klagt Kofler.
Jeder Dialysepatient ist sich bewusst, dass das Blutreinigungsgerät seine Niere nicht auf Dauer ersetzen kann. Die Nebenwirkungen können zu Gefäß-, Herz- und Gelenkserkrankungen führen. Ein Leben unter dem Damoklesschwert also. Jederzeit kann Unvorhergesehenes passieren. Die körperlichen und seelischen Belastungen sind groß. Und manche Patienten überleben die Wartezeit nicht. In der Dialysestation im vierten Stock des Schlanderser Krankenhauses unterziehen sich derzeit 27 Patientinnen und Patienten dreimal wöchentlich dem Dialyseverfahren. Dabei werden Schadstoffe und Wasser aus dem Blut herausgefiltert. Für die einen ist die Prozedur mehr belastend, für andere weniger. In Südtirol müssen sich derzeit 255 Patienten der Dialyse unterziehen.
2011 warteten in Italien 5.591 Personen auf eine Niere, 990 auf eine Leber und 718 auf ein Herz. Betroffene in der Warteschleife klagen oft über fehlende Spenden-Bereitschaft. Diese Befindlichkeit relativiert der ärztliche Landeskoordinator für Transplantation, Primar Bruno Giacon: „Die Bereitschaft Organe zu spenden ist in Südtirol durchaus gegeben. 2013 kam es zu 22 Hirntod-Feststellungen. In elf Fällen wurden die Organe gespendet. Damit lag Südtirol über dem nationalen Durchschnitt.“ Dass die Bereitschaft zu spenden gestiegen ist, hänge auch damit zusammen, dass unter der Leitung von Primar Peter Zanon eine Fachgruppe eingesetzt worden ist, die sich in den Intensivstationen den Fragen zur Organspende stellt und das komplexe Thema Transplantation unterstützt. Wird der Hirntod bei einem Menschen festgestellt, der seinen Willen als Organspender nicht bekundet hat, haben die Ärzte einer Intensivstation die delikate Aufgabe, die Angehörigen zu fragen, ob sie einer Organspende zustimmen könnten. Die schwierige Situationen setzt ein großes Feingefühl voraus. Es entscheiden die nächsten Angehörigen (Eltern, Ehepartner, Lebensgefährte, volljährige Kinder). Für Minderjährige entscheiden die Eltern beziehungsweise deren gesetzliche Vertreter. Die Voraussetzung, dass Organe entnommen werden können, ist der irreversible Ausfall des Gehirns in seiner Gesamtheit bei gleichzeitiger künstlichen Aufrechterhaltung des Kreislaufs durch maschinelle Beatmung. Falls jemand die Organspende schriftlich ablehnt, kommt diese nicht in Frage.
Die Organspende in Südtirol ist durch gesamtstaatliche gesetzliche Bestimmungen geregelt (Gesetz aus dem Jahre 1999). Zum Teil fehlen noch die Durchführungsbestimmungen. Grundsätzlich können alle mündigen volljährigen Personen Organspender werden, die ihren Willen bekunden, dass im Falle ihres Todes ihre Organe zu Transplantationszwecken entnommen werden können. Klarheit schafft eine zu Lebzeiten hinterlegte schriftliche Verfügung (ausfüllen des blauen Ausweises beim Gesundheitsministerium, oder bei der Vereinigung der Organ- Gewebe- und Zellenspender A.I.D.O.; Info: www.aido.it/bolzano). Ärzte haben im Falle eines Hirntodes dann sofort Zugang zu den entsprechenden Daten.
Die Erfahrung zeigt, dass sich die wenigsten Menschen sich mit den Gedanken an den Tod beschäftigen. Potentielle Organspender sind deshalb oft Opfer von Unfällen, bei denen die Gehirnfunktion unwiederbringlich zerstört worden ist und die restlichen Organe noch transplantierbar sind. Anders als in Italien gibt es in vielen europäischen Staaten, so zum Beispiel in Österreich, die Widerspruchslösung. Das heißt: Jede/jeder gilt als potentieller Organspender, der sich nicht zu Lebzeiten ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat. Der italienische Gesetzgebers zieht in Erwägung, möglichst alle Bürger zur dokumentierten Zustimmung zu bewegen. Einiges in diesem Zusammenhang ist allerdings noch nicht verbindlich geregelt.
Die am häufigsten gestellte Frage im Zusammenhang mit der Organspende lautet: Ist es ganz sicher, dass der Verunglückte, der explantiert werden soll, auch tot ist?
Aus medizinischer Sicht ist ein Mensch tot, wenn alle Hirnfunktionen unwiderruflich ausgefallen sind. Der Ausfall kann sicher und ohne Irrtum festgestellt werden. Bei einem Patienten mit ausgefallener Hirnfunktion wäre längst der Atem- und Herzstillstand eingetreten, wenn diese nicht auf der Intensivstation künstlich aufrecht erhalten würden. Bei möglicher Organspende unterliegt die Feststellung des Todes eines Patienten einer strengen gesetzlichen Regelung. Eine dreiköpfige Ärztekommission bestehend aus einem Neurologen, einem Intensivmediziner und einem Rechtsmediziner testet innerhalb des festgesetzten Zeitraumes von sechs Stunden den unwiederbringlichen Ausfall sämtlicher Gehirnfunktionen. Bei Abschalten der Maschinen würde der Mensch sterben. Die Katholische Kirche akzeptiert eine in ethischer Form durchgeführte Organspende.
Bei Lebendspenden (wenn z.B. ein Sohn dem Vater ein Organ spenden will) kommen in Italien nur Niere und ein Teil der Leber in Frage. Entscheidend ist dabei der Gesundheitszustand des Spenders. Es muss einwandfrei festgestellt sein, dass dieser zum Beispiel nach dem Verlust einer Niere gut weiterleben kann. Entscheidend ist auch die Kompatibilität zwischen Spender und Empfänger. Innerhalb der Familie ist diese am größten. In Südtirol gab es 2013 drei Lebendspenden.
Die Transplantationen an Südtirolern werden, laut Gaicon, fast ausschließlich in der Universitätsklinik in Innsbruck durchgeführt. 2013 wurden den Südtiroler Patienten dort 28 Organe implantiert. 27 Organe kamen im Gegenzug aus Südtirol. „Es ist uns erstmals gelungen, ein Gleichgewicht zwischen dem Nehmen und dem Geben herzustellen“, sagt Giacon. Er gibt zu bedenken, dass längst nicht alle Organe jener transplantiert werden können, die ihre Bereitschaft bekundet haben. „Die Organe müssen absolut gesund sein“, so Gaicon. Diese werden genauestens histologisch untersucht. Bei kleinster Schädigung kann das Organ nicht verwendet werden. Das Durchschnittsalter der Spender in Italien beträgt 63 Jahre. Das sagt einiges aus.
Kofler und Blaas sind Mitglieder im Südtiroler Nierenkrankenverein „nierene“ (mit rund 300 Mitgliedern). Kofler ist Koordinator im Vinschgau. Beide haben nun den Informationsabend in Schluderns organisiert. Es ist ihnen gelungen, namhafte Referenten zu gewinnen. Das Ziel ist es, die Bevölkerung für das Thema Organspende zu sensibilisieren und umfassende Informationen zu liefern. „Man kann im Zusammenhang mit Organspende noch einiges mehr tun. Und es ist sehr wichtig, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren“, meint Giacon. Je mehr Menschen Bescheid wissen, umso größer wird der Kreis jener werden, die ihre Bereitschaft bekunden, Organe zu spenden. Das bedeutet mehr Chancen für kranke Menschen, ein Spenderorgan und dadurch wieder Lebensqualität zu bekommen. Denn - um es mit Koflers Worten zu sagen - „Die beste Therapie ist eine Transplantation.“
Informationsabend
des Südtiroler Nierenkrankenvereins „nierene“ zum Thema: „Organspende kann Leben retten“ am
Freitag, 21. Februar 2014 um 19.30 Uhr
im Kulturhaus von Schluderns
Referenten:
Prof. Dr. Raimund Margreiter – ehemaliger Leiter der Transplantations-Chirurgie der Uniklinik Innsbruck
Primar Dr. Bruno Giacon – Ärztlicher Landeskoordinator für Transplantation
Dr. Davide Willeit – ehemaliger Gesundheitsdirektor Bezirk Bruneck
Dr. Claudia Bösmüller – Oberärztin - Transplantations-Chirurgie Innsbruck
Dr. Peter Zanon – Geschäftsführender Primar Anästesie und Intensivmedizin
Dr. Kurt Habicher – Oberarzt Anästesie und Wiederbelebung im KH Schlanders
Dr. Gregor Rungger – Facharzt für Neurologie
Dietrich Oberdörfer – Vorsitzender Südtiroler Nierenkrankenverein
Hochwürden Paul Schwienbacher – Pfarrer von Matsch, Schluderns und Glurns
Johanna Stecher – Koordinatorin der Dialysestation Schlanders
Barbara Vidal – seit 22 Jahren transplantiert
Gustav Kofler – Dialysepatient in Vorbereitung für Lebendspende
Moderation:
Dr. Ulrich Seitz – Geschäftsführender Direktor - Amt für Krankenhäuser Prov.BZ