Nach Josef Gruber wurde durch das Gesetz zwar das Quorum von 40% abgeschafft, was positiv ist, insgesamt aber die Mitentscheidung durch die hohen Hürden fast unmöglich gemacht. Die Bürger haben nur ein Vorschlagsrecht, aber kein Mitbestimmungsrecht. Im Gesetz kommt die Angst vor dem Volkswillen zum Ausdruck. Die Politiker wollen weiterhin selbst entscheiden, das Volk darf nur Vorschläge machen und auf Gesetzesmängel hinweisen. Wer das Volk wirklich mitentscheiden lassen will, muss ein anderes Gesetz machen, so Josef Gruber und Karl Zerzer von der Bezirksgruppe Vinschgau. Das Gesetz enthält ein sogenanntes Zweistufenmodell. In der ersten Stufe, d.h. als erste Maßnahme gibt es zwei Möglichkeiten zur Mitsprache: den Bürgerantrag (4.000 Unterschriften) und die Bürgerinitiative (8.000 Unterschriften). Durch den Bürgerantrag wird der Landtag oder die Landesregierung aufgefordert, zu einem bestimmten Thema aktiv zu werden. Durch die Bürgerinitiative können Gesetzesvorschläge eingereicht oder die Aufhebung bzw. Abänderung von bestehenden Gesetzen beantragt werden. In beiden Fällen entscheidet dann die Landesregierung bzw. der Landtag über die Vorschläge und Einwände der Bürger. Falls ein Bürgerantrag abgelehnt wird, kann in einer zweiten Maßnahme eine Volksbefragung gemacht werden und falls eine Bürgerinitiative abgelehnt wird, kann darüber ein Volksentscheid herbeigeführt werden. Die Hürden für diese zweite Stufe sind aber sehr hoch. Innerhalb von zwei Monaten müssen 26.000 beglaubigte Unterschriften gesammelt werden, was nach Gruber fast unmöglich ist. Nach den Vorstellungen der Initiative für mehr Demokratie sollten 10.000 Unterschriften für die Beantragung einer Volksbefragung genügen. Wichtig wäre auch die Aufhebung der Sperrfristen. Nach dem Bürgerbeteiligungsgesetz dürfen 12 Monate vor und 6 Monate nach Wahlen keine Volksbefragungen stattfinden. Damit bleiben die Zeitfenster für mögliche Volksbefragungen sehr eng. Gerhard Kapeller von der Bezirksgruppe hofft, dass die Mehrheit mit Nein stimmt wird, damit sich anschließend die neue Landesregierung, alle Parteien und interessierten Verbände daran machen können, ein besseres Gesetz auszuarbeiten, das nicht nur Mitsprache, sondern auch wirkliche Mitentscheidung ermöglicht, denn nach Überzeugung der Bezirksgruppe können in Zukunft wichtige Entscheidungen nur zufriedenstellend umgesetzt werden, wenn die Bevölkerung am Diskussions- und am Entscheidungsprozess eingebunden wird.
Interview: Erwin Bernhart
Das Gesetz zur Bügerbeteiligung ist unter Ihrer Federführung eingebracht worden. Was ist gut an diesem Gesetz?
Arnold Schuler: Man muss das vorherige Gesetzt mit in Betracht ziehen. Bis heute ist es nur möglich, ganze Gesetzestexte einzubringen bzw. über ganze Gesetzestexte abzustimmen. Eine komplizierte Materie. Mit unserem Gesetz wäre es nun möglich, ganz einfache Anliegen vorzubringen. Das ist es, was die Leute grundsätzlich interessiert: Ob man etwa will oder ob man etwas nicht will. Also jene klassischen Abstimmungen, die in der Schweiz die Regel sind, sollten auch bei uns ermöglicht werden. Mit unserem Gesetz könnten die Bürger ganz einfache Anträge einbringen, damit der Landtag oder die Landesregierung dahingehend aktiv wird.
Und wenn der Landtag oder die Landesregierung nicht dahingehend aktiv wird?
Dann kann zu diesem Thema ein Volksentscheid bzw. eine Volksbefragung beantragt werden. Deshalb haben wir auch die Einteilung in zwei Phasen gewählt: In der ersten Phase soll es sehr leicht gemacht werden, sich einzubringen. In der zweiten Phase soll dann mit einer höheren Unterschriftenhürde, damit das Anliegen auch eine bestimmte Legitimation erfährt, dafür aber ohne Quorum abgestimmt werden. Genau diese Aufteilung in zwei Phasen wird von der Initiative für mehr Demokratie besonders kritisiert. Ich weise aber darauf hin, dass der Verein für direkte Demokratie in Deutschland genau ein solches Zweiphasenmodell empfiehlt. Da ist man, unter Brüdern sozusagen, unterschiedlicher Meinung. Der Vorteil des Zweistufensystems besteht auch darin, dass ein Dialog zwischen Volk und Landtag entstehen soll, damit nicht über alles in einer Volksbefragung abgestimmt werden muss. Der Idealfall ist, dass das, was die Leute einbringen, von der Politik umgesetzt wird. Deshalb der einfache Zugang. Auch muss ein Gesetz, welches von einer Initiativgruppe über eine Volksbefragung eingebracht wird – wie auch ein Gesetz, welches über einen oder mehrere Landtagsabgeordnete eingebracht wird, eine rechtliche Vorprüfung erfahren. Sonst passiert es, wie bei der Volksabstimmung 2009, bei der der eingebrachte Gesetzesvorschlag von Andreas Pöder grobe rechtliche Mängel aufgewiesen hat. Wenn eine Mehrheit ein solches Gesetz befürwortet, dann ist das dann in Kraft.
Innerhalb der Südtiroler Volkspartei ist Ihr Gesetz der kleinste gemeinsame Nenner. Glaubt man innerhalb der SVP dem Volk damit genügend Mitsprache bzw. Mitbestimmung geben zu können?
Tatsache ist, dass wir uns mit der Kommunikation schwer tun. Es ist wesentlich einfacher zu kommunizieren, dass man gegen etwas ist. Es ist eine komplexe und schwierige Thematik. Tatsache ist aber, dass es kein Modell in Europa – außer jenes in der Schweiz – gibt, welches auch nur annähernd so weit geht, wie das Gesetz der SVP. Sei es, was die Themen anbelangt, sei es auch, was die Hürden anbelangt.
LH Arno Kompatscher ist für ein Ja für dieses SVP-Gesetz. Damals als Gemeindenverbandspräsident war Kompatscher allerdings dagegen. Wie erklären Sie sich den Sinneswandel?
Kompatscher hat damals gesagt, dass die Unterschriftenhürde zu hoch sei. Der Gemeindenverband hat 2011 das Gesetz positiv begutachtet, aber die hohe Hürde kritisiert. Wir haben dann die Unterschriftenhürde von 38.000 auf 26.000 gesenkt. Aber genau bei diesem Punkt wird in der Kritik verschwiegen, dass da auch die elektronische Unterschriftenabgabe mit der Bürgerkarte vorgesehen ist. Dieser Umstand erleichtert die Unterschriftensammlung wesentlich. Diese Innovation gibt es in Europa sonst nirgends. Zudem gibt es in unserem Gesetz bei der Abstimmung kein Quorum mehr.
Wie erklären Sie sich, dass nur die SVP für ein Ja dieses Bürgerbeteiligungsgesetzes ist? Alle anderen Parteien werben für ein Nein.
Die Erfahrungen aus der Schweiz zeigen, dass sich die politische Mehrheit mit Abstimmungen immer schwer tut. Ich habe mir die Statistik der Abstimmungen in der Schweiz angeschaut. Anträge, die von der Opposition gekommen sind, sind da in den ersten Jahren der direkten Demokratie zu mehr als 80 Prozent vom Volk angenommen worden. Daraufhin wurde die Regierungsform in der Schweiz abgeändert, was zur Folge hat, dass im Parlament die Opposition kaum noch vertreten ist. Trotzdem verliert die Regierung fast 80 Prozent der Volksabstimmungen. Bei uns ist es derzeit so, dass viele aus der Opposition unser Bürgerbeteiligungsgesetz als Mittel zum Zweck kritisieren und dagegen mobil machen.
Ihre Erwartungen an die Volksbefragung am kommenden Sonntag, den 9. Februar 2014?
Ich halte fest, dass sich Regierungen, anhand des Beispiels Schweiz, bei Volksabstimmungen grundsätzlich schwer tun. Es ist offensichtlich leichter, gegen etwas zu sein. Wobei sich unsere Gegner vor allem auf die 26.000 Unterschriften einschießen, wobei die nur ein kleiner Teil des komplexen Gesetzes sind. Nicht erwähnt wird in der Kritik, dass die Unterschriftensammlung auch auf elektronischem Wege ermöglicht wird. Wenn man dagegenschreien kann, ist das in der Kommunikation einfacher. Noch einmal: Unser Gesetz geht im europäischen Vergleich am weitesten.