Hier im Vinschgau haben wir nur wenige derartige Lokale und müssen immer wieder zur Kenntnis nehmen, dass schon wieder ein altvertrautes Gasthaus die Tore schließt, so wie das Café Widmann in Schlanders, das nur noch einen Monat geöffnet hat. Der beliebte Familienbetrieb findet keinen Nachfolger; Annamaria und Gottfried Widmann gehen in Pension.
Aber zurück zur Sabina, der eifrigen Förderin der Künstler und Künstlerinnen! Eine Ausstellung aus dem Jahr 2007 in der Museumsgalerie von Bozen widmete sich dem Thema Ophelia, der Frauenfigur aus Shakespeares Hamlet, mit Arbeiten von neun Frauen. Die großgewachsene Sabine steht vor den noch größeren „Überfrauen“, deren Körper über und über mit Zeichen, mit Tatoos, bedeckt wurden. In diesen extra für diese Ausstellung angefertigten und nachher wieder übermalten Darstellungen wurde die Frau mit all jenen Eigenschaften verbunden, die der zivilisierte Mensch diesem Geschlecht zuordnet: Einerseits das vollkommen Gute, Reine und Hilflose, anderseits das absolut Gefährliche, Chaotische und Verführerische. Diese Motive wurden mit einem frechen Mix an Techniken zu einer Gesamtkomposition zusammengefügt. So ungefähr steht es im einführenden Text dieser Frauenausstellung, die von der Landesrätin eröffnet und eingeleitet wurde.
Was wird in Sabinas Buschenschank geboten werden - neben Knödel, Köschten, Speck und Silvaner? Wird sie Künstler - Musiker, Schreiber, Schauspieler - um sich scharen, wie einst die Rittergesellschaft in der nahe gelegenen Trostburg? Wird sie Hof halten, wie der frühere Landeshauptmann im Pustertaler Pfalzen? Wird sie Politiker einladen, um Verhaltensforschung außerhalb des Landtages zu betreiben, bei ungezwungenen Treffen?
Verhaltensforschung konnte auch im Café Widmann gemacht werden, bei den vielen Spielern, die sich hier einfinden. Langsam einen Platz und Partner auswählend und wachsam den Gegner musternd entsteht Stimmung - fast wie im Wilden Westen, im Saloon mit den rauflustigen Cowboys. Hier wird aber nur selten zusammengeschlagen, auch gibt es keine Revolver. Die Munition besteht aus Symbolen: Der Herzober, der sein Schwert aus der Scheide zieht, oder die Karte mit den vielen Tieren. Kartendeutend schreibt die Astrologin Lisl Saltuari zur Laub Ass:
Gesittet werden die Karten gemischt und mit Ernst und Erwartung hingenommen wie das Schicksal, dem man ausgeliefert ist. Meist sitzen sich vier Männer gegenüber am Tisch, zwei bilden ein Paar, die erwartungsvoll dreinschauen, fragen, sich je nachdem auch beschimpfen, wenn falsch gefolgert wird. Wütendes Zurechtweisen der Mitspieler, mit einem vernichtenden Kopfschütteln oder auch belobt … der aufhellende, heitere Gesichtsausdruck verkündet den Erfolg. Das Strahlen dauert an, wächst und erlöscht wieder beim nächsten Fehler. Das Spiel wird zum Glücksmesser, zum Spiegel der Persönlichkeit und lässt die Fähigkeit zur sozialen Einordnung erkennen.
Der Gottfried - der Wirt also - ist natürlich auch Kartenspieler, würfelt und spielt Schach. Dieses Ritterspiel mit der Anordnung und dem Verlauf einer altertümlichen Schlacht passt zum Widmann, zumal er aus Rodeneck stammt. In diesem schönen Ort am Anfang des Pustertales befindet sich die Burg Rodenegg mit sehr bedeutenden Fresken aus dem 13. Jahrhundert, das Ritterepos Iwein mit viel Kampfszenen darstellend.
Damit sind wir wieder bei der Kunst, diesmal bei der Wirtin Annamaria; sie stammt vom Hof Saltaus in Martell, ist aber in Morter aufgewachsen. Auch dort befinden sich Burgen mit bedeutenden Kunstwerken; so spielt die Kunst auch in ihrem Leben eine wichtige Rolle, was in der Ausstattung des Gastlokals deutlich wird. Hier hängen immer Werke von befreundeten Künstlern, vor allem Landschaften und historische Bauten. Die Widmanns werden den Ruhestand in ihrer schönen Meraner Wohnung nahe beim Schloss Winkel genießen und werden endlich viel Zeit finden für all die schönen Dinge des Lebens. Und ich als Nachbar und gelegentlicher Schachpartner werde sie in Meran besuchen und mit ihnen ins Eissacktal fahren, zum Buschenschank der Sabina.
Hans Wielander